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US-Präsidentschaft
Georgia als Symbol für die Gegensätze

Donald Trump ist nun als 45. US-Präsident vereidigt. Der Wahlkampf war wüst, aggressiv, hemmungslos und macht wenig Hoffnung, dass Trump das Land einigen könnte. Denn es gibt einen tiefen Riss im Land - vor allem auch zwischen Stadt und Land. Besonders deutlich wird dies im Bundesstaat Georgia im tiefen Süden der USA.

Von Katja Ridderbusch | 21.01.2017
    Auf einem Highway durch die Innenstadt von Atlanta stauen sich Autos auf den sieben Fahrspuren. Der Blick auf die Skyline der Südstaaten-Metropole ist von den Abgasen verhangen.
    Der Highway durch die Innenstadt von Atlanta (picture alliance / dpa )
    District 5 in Atlanta ist ein typischer innerstädtischer Bezirk: mit reichen und armen, schwarzen und weißen Abschnitten, mit einer sozial und ethnisch gemischten Bevölkerung. Im 5. Distrikt befinden sich das Nobelviertel Buckhead und das Problemviertel Bankhead, die Firmenzentralen von Coca-Cola und Delta Airlines, Suppenküchen und Obdachlosenheime, Museen und Konzertsäle, die Universitäten Emory, Georgia Tech und Morehouse.
    District 5 machte jetzt auch landesweit Schlagzeilen, als ein Streit zwischen dem inzwischen vereidigten Präsidenten Donald Trump und dem demokratischen Kongressabgeordneten John Lewis entbrannte.
    Lewis' Wahlbezirk im Stadtzentrum von Atlanta sei "in schrecklichem Zustand" und "kriminalitätsverseucht", wetterte Trump vergangene Woche via Twitter. Lewis - eine Ikone der schwarzen Bürgerrechtsbewegung - hatte zuvor angekündigt, Trumps Amtseinführung aus Protest fernzubleiben.
    Für Jimmy Arno, Autoschlosser aus der Kleinstadt Lawrenceville in Georgia, zeigt Trumps Tirade, dass er den richtigen Kandidaten gewählt hat.
    "Let's see, if you go to a movie theatre, you are liable to get shot."
    Ins Kino oder die Mall zu gehen, sei heutzutage gefährlich, weil man dort vielleicht erschossen werde, sagte Arno im US-Rundfunk. Vor allem in Atlanta müsse man ständig aufpassen, dass einen niemand überfalle.
    "If you go to Atlanta, you are liable to get attacked.”
    Tiefer Groll gegen die Städter
    Rural Resentment: So bezeichnen amerikanische Forscher den tiefen Groll der Landbevölkerung gegenüber den Innenstädten und ihren Bewohnern.
    "Wenn wir uns die Wahlergebnisse in den USA anschauen, sehen wir eine tiefe Spaltung zwischen den Großstädten auf der einen und den ländlichen Gebieten sowie den Kleinstädten auf der anderen Seite."
    Sagt Alan Abramowitz, Politikwissenschaftler an der Emory Universität in Atlanta. Die Bewohner des ländlichen Amerika stimmten mit großer Mehrheit für Trump. Die Metropolen waren Hillary-Clinton-Land.
    In wenigen Bundesstaaten ist diese Spaltung so offensichtlich wie im Südstaat Georgia. Die Metropole Atlanta ist eine demokratische Insel in einem Meer von republikanisch dominierten Wahlkreisen.
    Im Stadtteil Virginia Highland im District 5, dem berüchtigten Wahlbezirk von John Lewis, erscheint das Klischee vom kriminalitätsverseuchten Innenstadtgetto wie ein fernes Abziehbild. In einer ruhigen Straße mit gepflegten Häusern aus rotem Backstein, die Vorgärten steppenfarben und im Winterschlaf, wohnt Leslie Wolfe.
    "I'm thrilled to be here. I'm originally from New York."
    Sie sei glücklich hier, sagt Wolfe. Die Krankengymnastin, verheiratet und Mutter von drei Kindern, kommt ursprünglich aus New York. Dieser Teil von Atlanta bringe sie so nah an das Lebensgefühl von Manhattan, wie es nur eben gehe.
    Wenig Kontakt zwischen Stadt und Land
    Im Coffeeshop in der Nähe von Wolfes Haus treffen sich Geschäftsleute, Wissenschaftler, Künstler und junge Mütter mit ihren Kindern. 40 Prozent der Bevölkerung im 5. Distrikt haben einen College-Abschluss. Das sind doppelt so viele wie im Landesdurchschnitt. Atlanta liegt in der Kriminalitätsstatistik auf Platz 12 unter den US-Metropolen, es ist weniger gefährlich hier als noch vor einigen Jahren.
    Leslie Wolfe hat nur wenig Kontakt mit Bewohnern des anderen Amerika, der Kleinstädte und Vorstädte. Und wenn, dann fühle sie sich unwohl, sagt sie.
    "Ich bin mir bewusst, dass ich hier in einer Blase lebe. Manchmal hat mein Sohn ein Tennisturnier auf dem Land. Dann erlebe ich die Spaltung ganz nah. Wenn die Leute jubeln, dass die Obama-Jahre endlich vorbei sind. Oder wenn sie sich über Obamacare beklagen, das Gesundheitssystem, obwohl sie selbst davon profitieren. Aber so empfinden sie das eben."
    Sie wolle nicht abschätzig klingen, sagt sie, aber sie finde einfach, dass Demokraten fortschrittlichere Denker seien. Der Groll gegen das andere Amerika: Das sei nicht nur ein Gefühl der ländlichen Bevölkerung, sagt Politikwissenschaftler Abramowitz.
    "Viele Menschen in den Metropolen, vor allem Akademiker, schauen auf die Leute in den Kleinstädten herab, rümpfen ihre Nasen über die Hinterwäldler. Und die Bewohner dort wissen das. Die Antipathie ist gegenseitig."
    Landbevölkerung hofft auf Trump
    Den meisten Bewohnern von Thomaston, einer Kleinstadt mit 9.000 Einwohnern mitten in Georgia, ist es wahrscheinlich egal, was die Städter aus Atlanta von ihnen denken. Hier hat man andere Sorgen: Die Arbeitslosigkeit liegt bei gut acht Prozent; der Landesdurchschnitt ist 4,7 Prozent. Vor Jahrzehnten hatte Thomaston eine florierende Textilindustrie, doch die Fabriken sind lange geschlossen. Jetzt setzten die Bewohner all ihre Hoffnungen auf Präsident Trump, sagt Bürgermeister John Stallings:
    "We've had high unemployment rates here, and if we have someone in the presidency, who is a businessman.”
    Wenn wir einen Präsident haben, der ein Geschäftsmann ist, der sich auskennt mit der Wirtschaft, dann wird er vielleicht die Fabriken zurückbringen. Dann gibt es hier wieder Jobs, und das ist es, was die Leute wollen.
    Alan Abramowitz ist skeptisch. Was die Erwartung der Bürger von Thomaston angeht - ebenso wie die Hoffnung, dass Trump den Riss, der durchs Land geht, bald wird kitten können.
    "Die Spaltung wird so schnell nicht verschwinden, weil sie tiefere Gegensätze offenlegt - über Rasse, über soziale und kulturelle Werte. Vor allem bleibt die Frage: Kann Trump, jetzt, wo er Präsident ist, auch liefern? Kann er die wirtschaftliche Lage seiner Wähler verbessern? Und: Werden die Republikaner ihre Anhänger halten, wenn sie ihre Versprechen nicht erfüllen können?"