- Was sind Swing States?
- Welche Staaten gelten bei den Wahlen 2020 als Swing States?
- Wie läuft die indirekte Wahl des US-Präsidenten ab?
- Welche Swing States sind für die Wahl 2020 besonders wichtig?
- Welche Besonderheiten haben Swing States?
- Welche Rolle nehmen die Swing States im Wahlkampf ein?
- Welche Strategie verfolgen Donald Trump und Joe Biden in den Swing States?
- Was hat sich durch Corona bei der Wahlentscheidung geändert?
America – land of the "Swing States", home of the Wahlleute-System: Als Swing States werden die US-Bundesstaaten bezeichnet, bei denen nicht eindeutig abzusehen ist, ob die Republikaner oder die Demokraten, also eine der beiden großen Parteien, die Mehrheit bei der US-Wahl erhalten werden. Bei der für den 3. November 2020 vorgesehenen US-Wahl stimmen die Amerikaner in ihren Bundesstaaten ab und bestimmen somit die Wahlleute für das sogenannte "Electoral College" (Wahlkollegium). Erst im Dezember wählen dort dann die insgesamt 538 entsandten Wahlmänner und -frauen den 59. US-Präsident und den Vize-Präsident beziehungsweise die Vize-Präsidentin.
Viele Bundesstaaten sind Hochburgen der zwei großen Parteien, sie sind also "Safe States". Hier wird traditionell blau gewählt (für die Demokraten) oder rot (für die Republikaner).
Safe States sind zum Beispiel Kalifornien für die Demokraten und die Südstaaten für die Republikaner. Im Wahlkampf stehen diese nicht besonders im Fokus. Mit Spannung werden hingegen im Vorfeld vor allem die Umfragen in den Swing States beobachtet. In diesen Staaten haben bei vorherigen US-Wahlen mal die Republikaner, mal die Demokraten gewonnen. Am Ende können die Swing States auch 2020 entscheidend für den Wahlausgang sein – und somit dafür, ob der Demokrat Joe Biden den amtierenden republikanischen Präsidenten Donald Trump im Weißen Haus ablösen wird oder ob der Amtsinhaber weitere vier Jahre im Oval Office sitzt. Der Wahlkampf konzentriert sich deswegen häufig auf genau diese Bundesstaaten, die keine klare Wahltradition haben.
Zu den umkämpften Swing States der insgesamt 50 US-Bundesstaaten gehören 2020: Florida, Texas, Pennsylvania, Ohio, Michigan, Wisconsin und Minnesota. Umfragen deuten außerdem daraufhin, dass in Georgia, North Carolina und Arizona das Wahlergebnis knapp ausfallen könnte.
Derzeit führt der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden die Umfragen an – auch in den Swing States. Ein eindeutiger Vorsprung bedeutet aber nicht, dass er 41 Tage nach der Wahl vom Electoral College zum Präsidenten gewählt wird. Die Auswirkungen des komplexen indirekten Wahlsystems haben sich 2016 gezeigt: Hillary Clinton führte damals als demokratische Kandidatin fast die ganze Wahlkampfzeit die Umfragen an und bei der Wahl stimmten auch mehr Amerikaner für Clinton. Am Ende verlor sie aber die Wahl gegen Donald Trump, da die Republikaner sich - auch durch gewonnene Swing States – mehr Wahlmänner und -frauen sichern konnten. Hintergrund ist das "Winner takes it all"-Prinzip, nachdem in 48 der 50 Bundesstaaten jenem Kandidaten alle Wahlmänner und -frauen des Staates zugesprochen werden, der die Mehrheit der Wählerstimmen erzielt. Die Bundesstaaten Nebraska und Maine sind in diesem Prinzip Ausnahmen. Die Wahlleute dieser beiden Bundesstaaten werden proportional und teilweise nach den Kongresswahlbezirken bestimmt.
Die besondere Auswirkung der indirekten Wahl ist also, dass die Anzahl der Stimmen im Electoral College wichtiger ist als die Stimmen der Amerikaner an der Wahlurne – dem sogenannten Popular Vote. Die Präsidentschafts-Wahl gewonnen hat, wer mindestens 270 der 538 Wahlleute hinter sich stehen hat.
Die Wahlleute müssen für den Kandidaten stimmen, den die Wähler ihres Bundesstaats bestimmt haben. Um eine Verbindlichkeit sicherzustellen, werden den Wahlleuten hohe Strafen verhängt, sollten sie den Kandidaten die Stimme verwehren, die die Wählerschaft ihres Bundesstaates bestimmt haben. Dass diese Wahlleute von ihren Bundesstaaten sanktioniert werden dürfen, urteilte jüngst der Supreme Court.
Nach der Wahl 2016 haben sich insgesamt fünf sogenannte "untreue Wahlleute" gegen die Demokratin Hillary Clinton gewandt, obwohl sich die Mehrheit der jeweiligen Bundesstaaten für sie ausgesprochen hat. Zwei Wahlleute verweigerten im selben Jahr dem Republikaner Donald Trump ihre Stimme. Seit 1796 haben sich bislang 180 Wahlleute "untreu" verhalten. Maßgeblich für den Ausgang einer Präsidentschaftswahl waren untreue Wahlleute jedoch noch nie.
Einer der wichtigsten umkämpften Swing States ist Florida, da von dort insgesamt 29 Wahlleute ins Electoral College entsandt werden. Die hohe Anzahl der Wahlleute ist durch die hohe Bevölkerungszahl Floridas gegeben. Deshalb ist auch Texas mit 38 Wahlleuten wichtig für den Ausgang der Wahl. Die eigentlich traditionell republikanische Hochburg zählt aufgrund der positiven Umfragen zugunsten Joe Bidens in diesem Jahr zu den Swing States. Die meisten Stimmen für die Wahl des US-Präsidenten liefert übrigens der bevölkerungsreichste Staat Kalifornien – mit 55 Wahlmännern und -frauen. Seit 1992 gewann hier die Demokratische Partei die Mehrheit. Im Vergleich dazu stellen zum Beispiel die bevölkerungsarmen Bundesstaaten Delaware und Montana nur drei Wahlleute.
Durch die geläufige Bezeichnung "Swing States" könnte irreführender Weise angenommen werden, dass die Bevölkerung dieser Bundesstaaten dazu tendiert, in politischen Fragen umzuschwenken. Die weiteren Bezeichnungen "toss-up-state" (Münzwurfstaat), "battleground state" (Schlachtfeldstaat) oder "purple state" (lila Staat - als Anspielung auf eine Vermischung der parteikonnotierten Farben blau und rot) für diese Bundesstaaten könnten dabei für Abhilfe sorgen. Denn dass die Swing States keine Parteihochburgen sind und sich Wahlergebnisse nicht mit Sicherheit voraussagen lassen, liegt darin begründet, dass in diesen Staaten eine heterogenere Demografie herrscht und der Wahlausgang dadurch viel stärker von der Mobilisierung durch den Wahlkampf geprägt ist als in anderen Staaten.
Bei der Präsidentschaftswahl 2016 fand 94 Prozent des gesamten Wahlkampfs in nur 12 Staaten statt. Und zwei Drittel der Veranstaltungen wurden in lediglich sechs Bundesstaaten abgehalten. Mehr als die Hälfte aller Staaten hatte keinen einzigen Wahlkampf-Event. Eine ähnliche Vorgehensweise zeigt sich im Herbst dieses Corona-gebeutelten Jahres. Bislang wurden 70 Prozent aller Kampagnen-Events – ob virtuell oder tatsächlich vor Ort – in sechs Staaten abgehalten: Pennsylvania, North Carolina, Wisconsin, Florida, Michigan und Minnesota – allesamt Swing States. Donald Trump gab seine Stimme schon vor dem Wahltafg in Florida ab.
Biden wie Trump werben vor allem auch um die Stimmen der Minderheiten. Mit landesweit etwa 18 Prozent Bevölkerungsanteil haben Hispanics in den Swing States Texas, Arizona und Florida besonders großen Einfluss. Entscheidend für beide Parteien könnten aber auch die Stimmen der Afroamerikaner und Schwarzen sein, die zusammen rund 13 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Gerade in Texas werden diese beiden Minderheiten einen großen Einfluss haben. Seit Jahrzehnt steht Texas in republikanischer Wahltradition, in diesem Jahr räumen Umfragen jedoch Trump geringe Chancen sein - was Texas in dieser Wahl zu einem Swing State macht.
Die Chancen für Biden ergeben sich dabei nur in Teilen aus einer Unzufriedenheit mit Trumps Politik bei den Texanern. Schwerer wiegt der demografische Wandel: Mehr als zwei Millionen Menschen haben erstmals Wahlunterlagen beantragt. Ein Großteil von ihnen gehört der afroamerikanischen oder hispanischen Minderheit an. Und rund 1,6 Millionen davon sind jünger als 35 – diese junge Wählerschaft wählt üblicherweise vermehrt demokratisch. Die Kandidatur von Kamala Harris als demokratische Vize-Präsidentin, an der Seite von Joe Biden, wird die Wahl der Minderheiten mit großer Wahrscheinlichkeit prägen.
Außerdem gäbe es noch einen weiteren Aspekt, der auf eine verschobene Demografie zurückzuführen sei, sagte Doris Simon, Dlf-Korrespondentin in Washington, im Dlf-Podcast Der Tag: "mehr gebildete Wähler und vor allem rund um die Universitäten und Colleges. Sehr viele weiße Wähler entscheiden sich für die Demokraten. Weiße Wähler, die sich ansonsten in Texas eher traditionell für Republikaner entscheiden."
Eine Wahlveränderung sei aber auch in der Wählerschaft ohne höheren Bildungsstand zu erwarten, beispielsweise in Pennsylvania: Pennsylvanias Bevölkerung sei stark von Arbeitern geprägt, von Menschen ohne Abitur und Universitätsabschluss, von Menschen, die oft ihren Arbeitsplatz verloren haben, weil es die klassische Industrie da nicht mehr gibt. "Die hat Donald Trump vor vier Jahren für sich begeistern können", so Simon. "Da gab es wahrscheinlich zwei Hauptargumente: Viele dieser weißen Wähler mochten Hillary Clinton nicht, Männer vor allem – aber auch Frauen. Und Donald Trump hat ihnen gesagt: 'Ich bringe euch wieder Jobs.' Damit kam er bei ihnen an. Vier Jahre später ist es so, dass es mit den Jobs nicht so gekommen ist, wie er es versprochen hat. Im Gegenteil: Die Corona-Pandemie hat Millionen von Menschen in Arbeitslosigkeit getrieben. Und unabhängig davon haben auch die Handelskonflikte, die Donald Trump hier aktiv betrieben hat, Menschen Arbeit gekostet."
In diesem Jahr scheint jedoch Joe Biden, die Bevölkerung in Pennsylvania ansprechen und für sich vereinnahmen zu lassen – schon allein dadurch, dass er ständig erwähnt, aus Pennsylvania zu stammen.
"Wer die Wahl gewinnen will, der braucht Florida. Die Stimmen der Wahlmänner und Wahlfrauen von Florida", sagt Dlf-Korrespondentin Doris Simon. Viele Menschen gingen nach Florida, um dort ihren Ruhestand zu verbringen. Gerade Menschen, die aus kalten Staaten im Norden der USA kommen. Die würden in diesem Jahre anders wählen, als sie vor vier Jahren gewählt haben, so Simon. "Corona ist bei der älteren Generation, bei den Rentnern, das entscheidende Thema bei den Wahlen."
In den Umfragen liegt Joe Biden in Florida deutlich vor Donald Trump. "Die Zahlen zeigen, dass er mit seiner Botschaft zu Corona, mit einem Plan, mit einem systematischen Ansatz da anscheinend mehr verfängt als Donald Trump", so Simon.