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US-Sanktionen gegen Iran
Irak zwischen Baum und Borke

Mit ihren Sanktionen lassen die USA nicht nur den Iran leiden - sondern auch ihnen eigenen Verbündeten, den Irak. Der bezieht nämlich fast ein Sechstel seiner Einfuhren von seinem östlichen Nachbarn Iran. Der irakische Regierungschef Haider al-Abadi steht vor einem fast unlösbaren Problem.

Von Carsten Kühntopp | 01.09.2018
    Eine Landkarte des Nahen Ostens, die irakische Hauptstadt Bagdad wird durch eine Lupe hervorgehoben.
    Der Irak hat zwei wichtige internationale Verbündete: die USA und den Iran. Und genau das ist gerade sein Problem. (picture alliance / dpa / Lars Halbauer)
    Die Gassen im Viertel Sinek in Bagdad sind fest in der Hand der Autoersatzteilhändler. Wer ein Lenkrad, einen Kühlergrill oder sonst etwas für seinen Wagen braucht, findet es hier. Doch die Geschäftsleute sorgen sich um die Zukunft, der Grund: Die Handelssanktionen, die die USA kürzlich gegen den Iran verhängt haben.
    Hossam Walid fürchtet, dass eine Schließung der Grenze zwischen beiden Ländern den Irak härter treffen wird, als den Iran. In seinem Laden verkauft Walid vor allem iranische Ersatzteile für die Autos aus iranischer Produktion, die auf Baghdads Straßen unterwegs sind.
    "Die Sanktionen werden sich sehr auf die irakische Wirtschaft auswirken, denn es gibt einen engen Handel zwischen dem Irak und dem Iran. Von dort bekommen wir Lebensmittel, Autos, Medikamente oder auch Baumaterial. Der Iran ist unser naher Nachbar, die Handelsbeziehungen sind sehr eng."
    Regierungschef und rudert zurück
    Die Ansage von US-Präsident Donald Trump war deutlich: Wer weiterhin Geschäfte mit dem Iran macht, darf fortan keine mehr mit Amerika machen. Der irakische Regierungschef Haider al-Abadi nannte das Embargo zwar einen "strategischen Fehler" und "falsch", versprach aber zunächst, dass sich der Irak daran halten werde. Pro-iranische Kräfte in Bagdad protestierten - und eine Woche später knickte Abadi ein:
    "Ich habe nie gesagt, dass ich mich an die Sanktionen halte. Ich habe gesagt, wir werden uns an unsere Verpflichtung beim Thema Iran halten und den US-Dollar nicht in Transaktionen verwenden, aber nicht die Sanktionen befolgen."
    Wie das klappen soll, ist vielen ein Rätsel. In kein anderes Land exportiert der Iran so viele Waren wie in den Irak. In den zwölf Monaten bis zum vergangenen März waren es Güter im Wert von etwa sechs Milliarden Dollar, ungefähr 15 Prozent aller Einfuhren in den Irak. Nach den Jahren des Kriegs seit 2003 stellt der Irak selbst kaum noch etwas her, auch fast alle Lebensmittel führt er aus dem Iran ein.
    China und Türkei könnten die Profiteure sein
    Lachende Dritte könnten die Türkei und China sein. Der Händler Hossam Walid will auf chinesische Autoersatzteile umsteigen, wenn er sich nicht mehr aus dem Iran beliefern lassen kann. Und auch der Schwarzmarkt, die Schmuggler dürften von den Sanktionen profitieren. Die Landgrenze zwischen dem Irak und dem Iran ist etwa 1.500 Kilometer lang, führt vor allem im Norden durch Bergregionen und ist deshalb nur schwer zu überwachen.
    Obwohl das US-Embargo im Irak noch nicht voll gegriffen hat, lässt es bereits die Preise steigen, berichtet Moheimen Abbad, ein Geschäftsmann im Bagdader Stadtteil Karada:
    "Vor kurzem wollte ich Hähnchenfleisch kaufen. Und obwohl es aus der Türkei kam, kostete es plötzlich 12.000 Dinar statt 8.000. Dass keine Ware mehr aus dem Iran kommt, wirkt sich auf den irakischen Markt aus!"
    Irak hat zwei wichtige Verbündete: Iran und USA
    International hat der Irak zwei wichtige Verbündete: den Iran und die USA. Dass Trump die Iraker nun zwingt, sich zwischen den beiden zu entscheiden, bringt Ministerpräsident Abadi in große Schwierigkeiten. Die Unterstützung des Iran beim Kampf gegen den IS war entscheidend, aber die der Amerikaner beim Wiederaufbau der irakischen Armee ist es ebenfalls.
    Der Geschäftsmann Abbad sieht die Sanktionen hingegen als willkommenes Mittel, um den großen Einfluss des Iran im Irak zurückzudrängen.
    "Die irakische Regierung sollte der internationalen Staatengemeinschaft folgen. Denn der Irak ist sehr müde und hat viele Probleme. Und wir wollen diese Probleme nicht größer machen, indem wir gegen die Entscheidung der USA und der internationalen Staatengemeinschaft stehen."
    Abbad spricht vielen Irakern aus der Seele, auch wenn die Sanktionen nur eine Maßnahme der USA und nicht der Staatengemeinschaft sind. Immer mehr Menschen gefällt es nicht, wie offen und unverhohlen sich der Iran in die irakische Politik einmischt - derzeit beispielsweise zugunsten bestimmter pro-iranischer Parteien bei den Verhandlungen zur Bildung der nächsten Regierung.
    Hoffnung, dass die USA ein Auge zudrücken
    Die Wirtschaft liegt am Boden, die Arbeitslosigkeit ist hoch, das Land ist von Korruption zerfressen, die Versorgung aller Menschen mit Trinkwasser und Strom funktioniert seit Jahren nicht mehr: So groß sind die Probleme des Irak, dass es sich Ministerpräsident Abadi wohl kaum leisten kann, nun auch die lebenswichtigen Handelsbeziehungen zum Iran zu kappen. Sein Finanzberater, Mazhar Salih, hat ihm deshalb dies empfohlen:
    "Das einzige ist, Ausnahmen zu machen, für einige Monate, einige Jahre, irgendwie einen Weg zu finden! Da geht es um Diplomatie, um Verhandlungen zwischen dem Irak und den USA."
    Und was ist, wenn Trump hart bleibt? Salih lacht. Vielleicht hat Trump ja ein Herz für den Irak, sagt er. Einem Bericht zufolge wurden nun alle Ministerien aufgefordert, Listen mit wichtigen Gütern zu erstellen, für die der Irak bei den USA um eine Ausnahmegenehmigung nachsuchen wird.