Mair: Guten Tag!
Zagatta: Halten Sie den Einsatz in Liberia, der hauptsächlich von den USA geführt werden soll, schon für beschlossene Sache?
Mair: Also, ich denke, dass sich die Amerikaner wohl zu diesem Schritt entscheiden werden, im Zusammenhang mit der Afrika-Reise George Bushs nächste Woche. Da will er, glaube ich, unter Beweis stellen, dass die Amerikaner sich nicht vom Kontinent zurückziehen und auch Verantwortung übernehmen wollen.
Zagatta: Wie groß sind denn die Vorbehalte in Washington gegen diesen Einsatz?
Mair: Natürlich sind die Assoziationen in Bezug auf Somalia sofort da. Insofern gibt es sicherlich erhebliche Widerstände, vor allem dann, wenn unter Umständen im Rahmen dieses Einsatzes auch die einen oder anderen Opfer zu beklagen sind. Aber im Wesentlichen kann wohl Bush auf eine breite Unterstützung für einen solchen Einsatz zählen.
Zagatta: Nun hat ja Bush eigentlich in der Vergangenheit immer abgelehnt, dass amerikanische Soldaten immer zu humanitären Zwecken zu militärischen Auslandseinsätzen geschickt werden. Ist das im Fall Liberia jetzt anders?
Mair: Humanitäre Motive sind andere. Man wird natürlich auch versuchen darzustellen, dass es im Rahmen der neuen sicherheitspolitischen Erfordernisse auch wichtig ist, in diese Konflikte einzugreifen und diese zu befrieden. Westafrika ist eine Konfliktregion, die schon seit zehn Jahren schwelt mit einem fast schon bizarren Ausmaß an Gewalt, dazu gehören nicht nur Liberia, sondern Sierra Leone, Guinea. Und man weiß nie, welche Rückwirkungen das im Endeffekt auf unsere Gesellschaften haben wird. Ich glaube, darauf wird auch George Bush aufbauen bei seiner Begründung.
Zagatta: Bei diesem Ausmaß an Gewalt - 14 Jahre Bürgerkrieg, Hunderttausende von Toten - können da ein- oder zweitausend Soldaten wirklich etwas ausrichten?
Mair: Sie könnten zumindest eine kurzfristige Stabilisierung ausrichten. Es gibt im Nachbarland Sierra Leone ein Beispiel dafür, dass so etwas gelingen kann. Da haben vor zwei Jahren die Briten mit ungefähr 1100 Mann in einen Bürgerkrieg eingegriffen. Allerdings waren zu dem Zeitpunkt schon wenige tausend UN-Soldaten vor Ort, aber da ist der Friedensprozess völlig außer Kontrolle geraten, weil sich die Rebellen nicht haben entwaffnen lassen. Und die Briten haben dann mit 1100 Mann den Friedensprozess wieder aufs Gleis gesetzt.
Zagatta: Der Gegenspieler der USA scheint ja Charles Taylor zu sein. An ihn richtet sich das Ultimatum von George Bush, wenn es denn stimmt, dass er innerhalb von 48 Stunden das Land verlassen soll. Was ist das für ein Mann, Charles Taylor?
Mair: Charles Taylor ist eine schillernde Persönlichkeit. Er bezeichnet sich selbst als Prediger, war in den USA bereits verhaftet, wurde dann in Libyen zusammen mit einem weiteren Rebellenchef der Region militärisch ausgebildet, so wie man sagt auch politisch ausgebildet, und hat dann, nach seiner Rückkehr nach Liberia, nach einem langen Bürgerkrieg die Macht an sich gerissen, sich dann in einer Wahl auch noch bestätigen lassen.
Zagatta: Ist das eine demokratische Wahl gewesen?
Mair: Es war wohl eine demokratische Wahl. Die Einschätzung damals war, dass sehr viele Wähler befürchteten, wenn sie Taylor nicht wählen würden, würde der Bürgerkrieg auf ewig weitergehen. Allerdings haben sie das auch nicht durch die Wahl verhindern können. Charles Taylor ist sicherlich das Paradebeispiel für einen afrikanischen Kriegsherrn, der versucht, Macht dazu zu nutzen, sich knappe Ressourcen, Rohstoffe, unter den Nagel zu reißen.
Zagatta: Ist Charles Taylor jemand, der vor einen internationalen Strafgerichtshof gehört?
Mair: Er ist ja bereits angeklagt vor dem Strafgerichtshof in Sierra Leone. Die haben vor wenigen Wochen Anklage gegen Charles Taylor erhoben und er müsste sich diesem stellen.
Zagatta: Nun sagt Taylor, er sei bereit, in drei Monaten das Land zu verlassen. Ist das ein ehrliches Angebot oder nur eine Finte?
Mair: Ich glaube nicht, dass es ehrlich ist, weil es im Grund genommen darauf hinauslaufen würde, dass er sich dem Strafgerichtshof in Sierra Leone stellen müsste, außer er findet ein Land, das ihm Asyl bietet. Nach gegenwärtigem Stand könnte das nur Libyen sein.
Zagatta: Aber daran, dass Taylor das Land verlassen muss, führt kein Weg vorbei, wenn der Bürgerkrieg beendet werden soll in Liberia?
Mair: Der Konflikt ist nicht lösbar, wenn man Charles Taylor nicht außer Landes bekommt. Er wird auch dann schwierig zu lösen sein. Es ist ja nicht nur Charles Taylor, es gibt eine sehr komplizierte Konfliktlage mit unterschiedlichen Rebellengruppen.
Zagatta: Wie kommt es eigentlich, dass dieser Teil von Afrika - Liberia, Sierra Leone - seit Jahren in Chaos und Anarchie versinkt?
Mair: Schwierige Frage. Also mit Sicherheit hat Libyen dabei eine zentrale Rolle gespielt. Sie haben versucht, dortige Konflikte zu instrumentalisieren, um Einfluss auf die Region zu bekommen. Es sind aber auch Länder, Sierra Leone und Liberia, die im Grund genommen in den letzten zwanzig Jahren politisch völlig zerfallen sind, die Ökonomie zerfallen ist, obwohl sie reich an Rohstoffen sind. Und dann waren die Bevölkerung dort und die politischen Führer dort bereit, den Konflikt und den Kampf um Rohstoffe auch mit extremer Waffengewalt auszutragen.
Zagatta: Das war Stefan Mair, Afrika-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Besten Dank und auf Wiederhören!
Mair: Vielen Dank!
Zagatta: Halten Sie den Einsatz in Liberia, der hauptsächlich von den USA geführt werden soll, schon für beschlossene Sache?
Mair: Also, ich denke, dass sich die Amerikaner wohl zu diesem Schritt entscheiden werden, im Zusammenhang mit der Afrika-Reise George Bushs nächste Woche. Da will er, glaube ich, unter Beweis stellen, dass die Amerikaner sich nicht vom Kontinent zurückziehen und auch Verantwortung übernehmen wollen.
Zagatta: Wie groß sind denn die Vorbehalte in Washington gegen diesen Einsatz?
Mair: Natürlich sind die Assoziationen in Bezug auf Somalia sofort da. Insofern gibt es sicherlich erhebliche Widerstände, vor allem dann, wenn unter Umständen im Rahmen dieses Einsatzes auch die einen oder anderen Opfer zu beklagen sind. Aber im Wesentlichen kann wohl Bush auf eine breite Unterstützung für einen solchen Einsatz zählen.
Zagatta: Nun hat ja Bush eigentlich in der Vergangenheit immer abgelehnt, dass amerikanische Soldaten immer zu humanitären Zwecken zu militärischen Auslandseinsätzen geschickt werden. Ist das im Fall Liberia jetzt anders?
Mair: Humanitäre Motive sind andere. Man wird natürlich auch versuchen darzustellen, dass es im Rahmen der neuen sicherheitspolitischen Erfordernisse auch wichtig ist, in diese Konflikte einzugreifen und diese zu befrieden. Westafrika ist eine Konfliktregion, die schon seit zehn Jahren schwelt mit einem fast schon bizarren Ausmaß an Gewalt, dazu gehören nicht nur Liberia, sondern Sierra Leone, Guinea. Und man weiß nie, welche Rückwirkungen das im Endeffekt auf unsere Gesellschaften haben wird. Ich glaube, darauf wird auch George Bush aufbauen bei seiner Begründung.
Zagatta: Bei diesem Ausmaß an Gewalt - 14 Jahre Bürgerkrieg, Hunderttausende von Toten - können da ein- oder zweitausend Soldaten wirklich etwas ausrichten?
Mair: Sie könnten zumindest eine kurzfristige Stabilisierung ausrichten. Es gibt im Nachbarland Sierra Leone ein Beispiel dafür, dass so etwas gelingen kann. Da haben vor zwei Jahren die Briten mit ungefähr 1100 Mann in einen Bürgerkrieg eingegriffen. Allerdings waren zu dem Zeitpunkt schon wenige tausend UN-Soldaten vor Ort, aber da ist der Friedensprozess völlig außer Kontrolle geraten, weil sich die Rebellen nicht haben entwaffnen lassen. Und die Briten haben dann mit 1100 Mann den Friedensprozess wieder aufs Gleis gesetzt.
Zagatta: Der Gegenspieler der USA scheint ja Charles Taylor zu sein. An ihn richtet sich das Ultimatum von George Bush, wenn es denn stimmt, dass er innerhalb von 48 Stunden das Land verlassen soll. Was ist das für ein Mann, Charles Taylor?
Mair: Charles Taylor ist eine schillernde Persönlichkeit. Er bezeichnet sich selbst als Prediger, war in den USA bereits verhaftet, wurde dann in Libyen zusammen mit einem weiteren Rebellenchef der Region militärisch ausgebildet, so wie man sagt auch politisch ausgebildet, und hat dann, nach seiner Rückkehr nach Liberia, nach einem langen Bürgerkrieg die Macht an sich gerissen, sich dann in einer Wahl auch noch bestätigen lassen.
Zagatta: Ist das eine demokratische Wahl gewesen?
Mair: Es war wohl eine demokratische Wahl. Die Einschätzung damals war, dass sehr viele Wähler befürchteten, wenn sie Taylor nicht wählen würden, würde der Bürgerkrieg auf ewig weitergehen. Allerdings haben sie das auch nicht durch die Wahl verhindern können. Charles Taylor ist sicherlich das Paradebeispiel für einen afrikanischen Kriegsherrn, der versucht, Macht dazu zu nutzen, sich knappe Ressourcen, Rohstoffe, unter den Nagel zu reißen.
Zagatta: Ist Charles Taylor jemand, der vor einen internationalen Strafgerichtshof gehört?
Mair: Er ist ja bereits angeklagt vor dem Strafgerichtshof in Sierra Leone. Die haben vor wenigen Wochen Anklage gegen Charles Taylor erhoben und er müsste sich diesem stellen.
Zagatta: Nun sagt Taylor, er sei bereit, in drei Monaten das Land zu verlassen. Ist das ein ehrliches Angebot oder nur eine Finte?
Mair: Ich glaube nicht, dass es ehrlich ist, weil es im Grund genommen darauf hinauslaufen würde, dass er sich dem Strafgerichtshof in Sierra Leone stellen müsste, außer er findet ein Land, das ihm Asyl bietet. Nach gegenwärtigem Stand könnte das nur Libyen sein.
Zagatta: Aber daran, dass Taylor das Land verlassen muss, führt kein Weg vorbei, wenn der Bürgerkrieg beendet werden soll in Liberia?
Mair: Der Konflikt ist nicht lösbar, wenn man Charles Taylor nicht außer Landes bekommt. Er wird auch dann schwierig zu lösen sein. Es ist ja nicht nur Charles Taylor, es gibt eine sehr komplizierte Konfliktlage mit unterschiedlichen Rebellengruppen.
Zagatta: Wie kommt es eigentlich, dass dieser Teil von Afrika - Liberia, Sierra Leone - seit Jahren in Chaos und Anarchie versinkt?
Mair: Schwierige Frage. Also mit Sicherheit hat Libyen dabei eine zentrale Rolle gespielt. Sie haben versucht, dortige Konflikte zu instrumentalisieren, um Einfluss auf die Region zu bekommen. Es sind aber auch Länder, Sierra Leone und Liberia, die im Grund genommen in den letzten zwanzig Jahren politisch völlig zerfallen sind, die Ökonomie zerfallen ist, obwohl sie reich an Rohstoffen sind. Und dann waren die Bevölkerung dort und die politischen Führer dort bereit, den Konflikt und den Kampf um Rohstoffe auch mit extremer Waffengewalt auszutragen.
Zagatta: Das war Stefan Mair, Afrika-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Besten Dank und auf Wiederhören!
Mair: Vielen Dank!