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US-Strafrecht
Ethnische Minderheiten besonders betroffen

Barack Obama hat als erster US-Präsident ein Gefängnis besucht. Die Visite in der Bundeshaftanstalt El Reno ist Teil seiner Bemühungen, eine Strafrechtsreform zu erreichen. Amerikas Gefängnisse sind nach Ansicht vieler Demokraten und Republikaner zu voll, die harten Strafen treffen Angehörige ethnischer Minderheiten überproportional.

Von Marcus Pindur | 17.07.2015
    US-Präsident Barack Obama schaut sich im Gefängnis von El Reno in Oklahoma die Zelle mit der Nummer 123 an.
    Als erster US-Präsident hat Barack Obama ein Gefängnis besucht. (afp / Saul Loeb)
    Das El-Reno-Gefängnis in Oklahoma ist in vieler Hinsicht durchschnittlich. 1.300 Gefangene, mittlere Sicherheitsstufe, zu fast 50 Prozent überbelegt. Die meisten Insassen sitzen wegen kleinerer Drogenvergehen ein, müssen aber teilweise drakonische Strafen verbüßen. Das sei nicht richtig, meinte der Präsident bei seinem Gefängnisbesuch.
    "Hier sind junge Leute, die Fehler gemacht haben. Fehler, die sich nicht viel von denen unterscheiden, die ich gemacht habe, und die viele von Ihnen gemacht haben", so Barack Obama zu den Reportern, die nur kurz in das Gefängnis durften.
    Die Gesellschaft müsse unterscheiden zwischen dummen Jugendfehlern und Gewaltverbrechern, hatte Obama zuvor bei der größten schwarzen Bürgerrechtsorganisation NAACP gesagt. Ein weiteres Problem sei, dass ethnische Minderheiten offensichtlich strenger gerichtet würden als andere Bürger. "Schwarze Amerikaner und Latinos stellen 30 Prozent unserer Bevölkerung, aber 60 Prozent der Gefängnisinsassen. Einer von 35 männlichen Schwarzen und einer von 88 Latinos sitzt derzeit im Gefängnis. Dagegen sitz nur einer von 214 weißen Männern im Gefängnis."
    Diese Zahlen und das damit einhergehende ethnische Ungleichgewicht sind schon länger bekannt. Jetzt formiert sich jedoch langsam eine überparteiliche politische Bewegung in Richtung einer Strafrechtsreform.
    In den 90er Jahren, während der Crack-Kokain-Epidemie führten viele Bundesstaaten drakonische Strafen selbst für kleinere Drogenvergehen ein. Wer in Kalifornien beispielsweise dreimal bei einem Drogendelikt erwischt wird, und seien es nur wenige Gramm Marihuana, den muss der Richter qua Gesetz lebenslang ins Gefängnis schicken.
    Die Kritiker dieser Gesetzesrealität weisen darauf hin, dass der Konsum von Kokain, der In-Droge der 70er und 80er nicht zu einer solchen Gesetzeswelle geführt habe - diese Droge sei von der weißen Mittelklasse bevorzugt worden. Erst als Crack-Kokain in den amerikanischen Innenstädten und Slums ankam, die Droge der schwarzen und Latino-Unterschicht, habe die Politik zu drakonischen Strafen gegriffen.
    Der Besuch im El Reno-Gefängnis ist Teil einer Initiative Obamas zu einer breiten Strafrechtsreform, die auch von vielen Republikanern mittlerweile geteilt wird, so zum Beispiel vom Gouverneur und Präsidentschaftsaspiranten Chris Christie. Er will auch die Haftbedingungen ändern. "Wenn wir schon Leute ins Gefängnis stecken, dann müssen wir ihnen etwas sinnvolles zu tun geben, sie sollten nicht nur den ganzen Tag fernsehen. Wir sollten zum Beispiel darauf dringen, dass sie einen Highschool-Abschluss nachholen, damit ihre Chancen nach der Freilassung besser sind."
    Die Aussichten, dass der Kongress sich auf eine Strafrechtsreform einigt, sind so gut wie nie, in beiden Parteien gibt es viele Befürworter. Das Problem ist auch kaum noch zu übersehen. Die USA stellen fünf Prozent der Weltbevölkerung, aber 25 Prozent der Gefängnisinsassen. Seit 1980 hat sich die Zahl der Einsitzenden von 500.000 auf 2,2 Millionen mehr als vervierfacht. Und die unproportionale ethnische Zusammensetzung der Gefängnisbevölkerung wird zunehmend als eine tiefe gesellschaftliche Ungerechtigkeit empfunden.