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US-Strafzölle
"Damit ist die Kriegserklärung da"

Der Europa-Abgeordnete Bernd Lange hat US-Präsident Donald Trump vorgeworfen, mit den angekündigten Strafzöllen auf Stahlimporte einen Handelskrieg zu provozieren. Das sei "nationaler, nationalistischer Protektionismus hoch drei", sagte der SPD-Politiker im Dlf. Langfristig schade Trump damit der US-Ökonomie.

Bernd Lange im Gespräch mit Sarah Zerback |
    Der SPD-Europaabgeordnete und Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, Bernd Lange.
    Der SPD-Politiker und Handels-Experte Bernd Lange hat im Dlf US-Präsident Donald Trump wegen der angekündigten Strafzölle scharf kritisiert (imago / Reiner Zensen)
    Sarah Zerback: Gedroht hatte er damit schon lange. Jetzt hat er seine Drohung wahr gemacht. US-Präsident Donald Trump hat Strafzölle auf Aluminium- und Stahlimporte in die USA angekündigt. Wenn sich US-Firmen die Werkstoffe künftig aus dem Ausland liefern lassen, dann kommt sie das teuer zu stehen: zehn bis 15 Prozent teurer, um genau zu sein.
    Ein Schritt, der nicht ganz überraschend kommt, vor dem viele Vertreter der europäischen Politik und Industrie gewarnt haben, weil er eine Kettenreaktion aus anderen Ländern provozieren könnte. Darüber kann ich jetzt sprechen mit Bernd Lange, dem SPD-Europaabgeordneten und Vorsitzenden des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments. Guten Morgen, Herr Lange.
    Bernd Lange: Guten Morgen!
    Zerback: Ich starte mal ein bisschen provokativ, Herr Lange. Donald Trump will die heimische Industrie vor Billigimporten schützen, neue Arbeitsplätze im eigenen Land schaffen, "America first" eben. Ist das nicht verständlich?
    Lange: Nein, überhaupt nicht. Das geht an der Realität der globalen Wirtschaftsbeziehungen vorbei und wird letztendlich dazu führen, dass die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der US-Stahlindustrie weiter nach unten geht. Das ist ja ein Hauptgrund dafür, dass auch Stahl aus anderen Ländern nachgefragt wird. Da wird er langfristig sich ins eigene Knie schießen, um das so salopp auszudrücken, und provoziert gleichzeitig einen Handelskrieg, weil er internationales Handelsrecht bricht.
    "Langfristig wird die Ökonomie einen Schaden erleiden"
    Zerback: Bleiben wir ganz kurz bei Ihrem ersten Argument. Warum schießt er sich, wie Sie sagen, ins eigene Knie? Beide Industrien sind in den USA ja tatsächlich nicht ausgelastet. Es mussten viele Stahlwerke in den letzten Jahrzehnten schließen. Beschäftigte wurden entlassen. Was wäre denn dann eine geeignetere Maßnahme gewesen?
    Lange: Wir haben ähnliche Strukturwandel natürlich auch in Europa festzustellen. Wir haben das aber sozialverträglich gelöst. Und vor allen Dingen: Wir haben stark in Innovationen hineininvestiert. Deswegen ist die Produktivität deutlich höher und die Qualitäten sind besser, und das ist für zum Beispiel die Automobilindustrie ein entscheidendes Argument. Solche Industriepolitik hat es in den Vereinigten Staaten nicht gegeben. Wenn er jetzt abschottet, wird das dazu führen, dass die Preise in die Höhe gehen, und das wird dann auch auf die Stahl verarbeitenden Produkte sich auswirken. Das ist in der Tat nur kurzfristig ein Schutz für die Stahlwerke, aber langfristig wird die Ökonomie einen Schaden erleiden.
    "Das können wir uns natürlich nicht gefallen lassen"
    Zerback: Ein zweites Argument, das Sie angebracht haben, ist die Konsequenz auf dem internationalen Markt. Eine Reaktion, die kam ja gestern auf dem Fuße. Da hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker reagiert und wortwörtlich Vergeltungsmaßnahmen angekündigt. Was meint er damit? Sind das Strafzölle gegen die USA als Retourkutsche?
    Lange: Ja, in der Tat. Wir haben ja die internationale Vereinbarung, die Welthandelsorganisation. Da haben wir uns verpflichtet, bestimmte Maximal-Zollsätze einzuhalten, haben nur die Möglichkeit, wenn nachgewiesen wird, dass ein anderer Partner Dumping-Praktiken an den Tag legt, dass man dann reagieren kann. Aber Herr Trump will ja nun 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium generell legen, und damit bricht er dieses WTO-Recht, und das können wir uns natürlich nicht gefallen lassen, weil das unterläuft in der Tat die internationale Handelsorganisation.
    Zerback: Entschuldigung, wenn ich Sie da unterbreche, Herr Lange. Und deswegen nehmen Sie sich jetzt das Recht raus, das Recht zu brechen?
    Lange: Ja, das haben wir auch. Nach dem WTO-Recht haben wir das Recht, jetzt zu sagen, …
    "Wir werden auch Strafzölle auf US-Produkte setzen"
    Zerback: Also Abschottung mit Abschottung bekämpfen?
    Lange: Das ist nicht eine Abschottung, aber eine Gegenmaßnahme, weil wir uns das in der Tat nicht gefallen lassen können, ökonomisch nicht, aber vor allen Dingen politisch, weil wir wollen ein internationales Recht etablieren und nicht das Recht des Stärkeren. Deswegen müssen wir Gegenmaßnahmen treffen. Das heißt, wir werden auch Strafzölle auf US-Produkte setzen und dann natürlich zur WTO gehen und das Recht einklagen.
    Zerback: Und diplomatische Mittel, miteinander reden, diese Mittel sind erschöpft?
    Lange: Sehr. Ich habe es ja selbst erlebt. Da ist eine merkantile Handelspolitik von vor 200 Jahren leitend in deren Köpfen, und da sind eigentlich keine Gesprächsmöglichkeiten im Moment.
    "Das ist eine neue Qualität in der Auseinandersetzung"
    Zerback: Angefangen hat das Ganze ja bereits im Januar. Es ist schwer, da einen Startpunkt auszumachen. Da gab es Einfuhrzölle auf Waschmaschinen und Solaranlagen. Jetzt Aluminium und Stahl. Was ist da der Unterschied? Warum ist jetzt das Fass zum Überlaufen gekommen?
    Lange: Ja, weil er hier generell nicht einzelne Produkte – auch da kann man noch mal drüber nachdenken, ob das nun wirklich mit WTO-Regeln übereinstimmt. Er hat sie zum Beispiel auf spanische Oliven gesetzt. Normalerweise geht es um einzelne Produzenten und deren Praktiken und das muss man mal wirklich aufdröseln. Aber hier schießt er ja quer auf alle Länder und alle Produkte, und das ist eindeutig eine neue Qualität in der Auseinandersetzung. Deswegen darf man das nicht durchgehen lassen.
    Zerback: Und muss man sich da auch fragen, was kommt danach? Auf was erhebt er danach Strafzölle?
    Lange: In der Tat! Er hat ja als Grundlage ein Gesetz aus dem Kalten Krieg genommen, was besagt, wenn es die nationale Sicherheit betrifft, kann man internationales Recht brechen. Die Definition, dass Stahlproduktion was mit der nationalen Sicherheit zu tun hat, ist schon sehr weit hergeholt. Er kann natürlich jetzt bei Computer-Herstellern oder bei anderen Produkten, die er meint zu schützen, genauso dann letztendlich diese Praktiken an den Tag legen. Das ist ein Fass ohne Boden.
    Zerback: Jetzt geht es ihm ums Kriegsgerät. Das hat er wortwörtlich noch mal gesagt.
    Lange: Genau.
    "Das ist wirklich eine absurde Argumentationslinie"
    Zerback: Weitere Einzelheiten – wir kennen ja noch nicht alle Details -, die will Donald Trump nächste Woche bekannt geben. Aber es sieht ja tatsächlich danach aus, dass er ernst macht und einen generellen Zoll auf Einfuhren aus allen Ländern einführen will. Da gab es ja verschiedene Varianten, die auch sein Wirtschaftsminister mal anheimgestellt hatte. Aus Deutschland gehen ja etwa sieben Prozent aller Stahlexporte in die USA. Können Sie beziffern, wie schmerzhaft das Deutschland tatsächlich treffen würde?
    Lange: Es ist von den Stahlproduzenten unterschiedlich. Salzgitter aus meinem Bereich hier hat sich ja schon zurückgezogen, weil schon im letzten Jahr auf einzelne Stahlsorten 22,9 Prozent Strafzoll gesetzt worden sind. Das war für Salzgitter fünf Prozent, die haben relativ wenig, aber bei Thyssen ist das dann schon noch relevanter und für einige Spezialstähle von Georgsmarienhütte auch. Das ist eine relevante Größe. Ich glaube, wir sind der zehntgrößte Exporteur in die USA. Kanada, Brasilien machen mehr. Aber vor allen Dingen das größte Aberwitzige ist doch: Er argumentiert immer mit Stahl aus China, und die sind vom Volumen her hinter Deutschland. Das ist wirklich eine absurde Argumentationslinie und er riskiert in der Tat damit, dass wir und damit auch die Menschen, die in der Stahlindustrie beschäftigt sind, darunter leiden werden.
    Zerback: Er provoziert das vielleicht sogar bewusst, weil er sagt ja, Deutschland produziert eh zu viel davon, genauso wie er ja den deutschen Außenhandelsüberschuss massiv kritisiert.
    Lange: Genau, was natürlich auch mit Produktivität und Qualität zu tun hat in der Tat.
    "Marktdruck in Europa wird sich verstärken"
    Zerback: China haben Sie jetzt angesprochen. Ist da zu befürchten, dass die in der Eskalationsspirale sogar noch einen draufsetzen? Sie haben schon angekündigt, aus Europa werden scharfe Maßnahmen erwartet. Wie wird China reagieren?
    Lange: Ich gehe davon aus, dass die auch Gegenmaßnahmen ergreifen. China ist ja nun auch der WTO jetzt beigetreten und hat die vollen Rechte und die werden die auch genauso nutzen. Das finde ich auch völlig legitim.
    Das größere Problem neben dieser Frage, wie die Eskalationsstufe sich weiterentwickelt, ist natürlich das: Wenn die Exporte in die USA zurückgehen und wir insgesamt eine Überproduktion im Stahlsektor global haben, wo geht das dann hin. Damit wird der Marktdruck, glaube ich, in Europa noch mal sich verstärken. Also das ist nicht nur eine direkte Richtung in den USA, die da ein Problem hervorruft, sondern diese indirekten Ströme, die werden den Wettbewerbsdruck hier in Europa weiter verstärken.
    Zerback: … durch die Überproduktion.
    Lange: Ja.
    Zerback: Dann noch mal direkt gefragt. Hat Donald Trump damit der Welt jetzt tatsächlich den Handelskrieg erklärt, vor dem so lange gewarnt wurde?
    Lange: Das ist in der Tat nationaler, nationalistischer Protektionismus hoch drei und damit ist in der Tat die Kriegserklärung da. Deswegen brauchen wir eine klare, eindeutige, gemeinsame europäische Haltung, damit wir wirklich klarmachen, wir wollen die Geltung des Rechts und das Recht des Stärkeren muss eingegrenzt werden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.