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US-Universitäten
Chinesischstämmige Forscher unter Druck

Wissenschaftler mit chinesischen Wurzel geraten in den USA unter Druck. Sie werden verdächtigt, Ergebnisse aus Forschung und Technik nach China zu transferieren. Einige Forscher wurden entlassen, gegen andere ermittelt das FBI. Kritiker sehen darin totalitäre Methoden - in einem demokratischen Staat.

Von Thomas Reintjes | 12.07.2019
Christopher Wray, Direktor des Federal Bureau of Investigation (FBI), spricht an einem Rednerpult vor us-amerikanischen Nationalflaggen.
FBI-Direktor Christopher Wray will die USA gegen Wissenschaftsspionage und -diebstahl aus China schützen (picture alliance / Kevin Dietsch)
Viele US-Forscher mit chinesischen Wurzeln sehen sich unter Generalverdacht. Kurz gefasst lautet der Vorwurf, sie würden sich aus China bezahlen lassen und dafür vertrauliche Informationen, geistiges Eigentum nach China transferieren.
"Ich bekomme viele E-Mails von anderen asiatisch-stämmigen Amerikanern, hauptsächlich chinesisch-stämmigen, dass sie sich bedroht und verdächtigt fühlen. Unschuldig stehen sie unter starkem Verdacht, beobachtet als wären sie Bürger dritter Klasse in einem totalitären Regime."
Dekan untersagt China-Reise
Woos Stimme klingt bedächtig und ruhig, aber seine Worte stecken voller Wut und Sorge. Woo ist 81 Jahre alt und emeritierter Physik-Professor. Und er ist Vorsitzender der größten asiatisch-amerikanischen politischen Organisation in den USA, der 80-20 Educational Foundation. Woo berichtet von einem Professor, dem eine geplante Chinareise kurzfristig vom Dekan untersagt wurde. Ein anderer wurde dazu gedrängt, bis dato geförderte Verbindungen mit Top-Universitäten in China zu beenden. Ansonsten drohe ihm dasselbe Schicksal wie den Professoren an der Emory University. Dort waren Mitte Mai zwei renommierte Neurowissenschaftler entlassen worden, das Ehepaar Xiao-Jiang Li und Shihua Li, beide US-Bürger.
"Wenn es belastbare Beweise gibt und der Verstoß grob genug ist, dann sollten sie bestraft oder sogar gefeuert werden, aber ich weiß nicht, wie ernst es ist. Die beiden Professoren haben kein ordentliches Verfahren bekommen. Dann wüssten wir, wie ernst es ist oder ob hier vielleicht jemand aus einer Mücke einen Elefanten macht."
Das FBI will "gesamtgesellschaftliches" Vorgehen
Dieser jemand, dem Woo unterstellt, das Thema aufzublasen, ist der Chef der Bundespolizei FBI, Christopher Wray. FBI-Mitarbeiter haben in den vergangenen Monaten viele amerikanische Universitäten besucht und das Führungspersonal für das Thema Diebstahl geistigen Eigentums sensibilisiert. Im April sagte Wray bei einer Veranstaltung des Council on Foreign Relations:
"China ist Pionier darin, mit einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz Innovationen zu stehlen, wo es nur kann, von Unternehmen, Universitäten und Organisationen. Dafür nutzen sie chinesische Geheimdienste, staatliche Unternehmen, scheinbar private Unternehmen, Master-Studenten und Forscher, die alle im Auftrag Chinas arbeiten."
Wray listet auf, welche Spezialeinheiten beim FBI gegen diese Bedrohung vorgehen, kommt aber zu dem Schluss, dass sie es alleine nicht schaffen könnten. So wie China mit einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz spioniere, müssten auch die Gegenmaßnahmen gesamtgesellschaftlich organisiert sein.
Renommierte Forscher mussten Unis verlassen
Das ist es, was nach Ansicht von SB Woo dazu beigetragen hat, dass chinesisch-amerikanische Wissenschaftler sich eingeschüchtert fühlen. Er findet es gefährlich, dass Wray auf chinesische Methoden setzt.
"Wenn man in einem demokratischen Staat wie den USA von einer totalitären Prämisse ausgeht, führt das zu großen Problemen."
Einige Universitäten sahen sich inzwischen genötigt klarzustellen, dass sie von Generalverdacht nichts hielten. Verdächtigungen allein auf Grundlage von Herkunft könnten zu furchtbarem Unrecht führen, schrieb die Kanzlerin der Universität von Berkeley in Kalifornien.
Einer der Fälle, die am meisten Aufsehen erregt haben, ist der von Xifeng Wu. Sie war Direktorin am Krebsforschungszentrum MD Anderson der Universität von Texas. Im Januar gab sie den Posten auf, nachdem FBI und NIH gegen sie ermittelt hatten. Auch drei andere chinesisch-amerikanische Forscher mussten das Krebsforschungszentrum verlassen. Welche Verstöße ihnen tatsächlich nachgewiesen wurden, ist nicht bekannt.
Hinweise aus der IT auf großen Datentransfer
Das Krebsforschungszentrum muss sich sicher gewesen sein, dass der Verdacht gegen sie begründet war, glaubt Oliver Bögler, ein ehemaliger MD-Anderson-Forscher. Einer der ersten Hinweise sei damals aus der IT-Abteilung gekommen, die einen großen Datentransfer auf einen ausländischen Server bemerkt habe. Er glaubt nicht, dass chinesisch-amerikanische Forscher unter Generalverdacht stehen. Die Forschung in den USA sei auf diese Wissenschaftler angewiesen.
"China ist eine wichtige Komponente in der amerikanischen Wissenschaft, weil in China mit die beste Forschung gemacht wird. Dementsprechend sind manche von ihnen [in den USA] auf der akademischen Karriereleiter aufgestiegen und haben Leitungspositionen. Wenn man alle chinesisch-stämmigen Forscher aus der amerikanischen Wissenschaft entfernen würde, wäre das verheerend. Das darf nicht passieren, aber ich sehe auch keine Hinweise, dass das die Absicht ist."
Dennoch: Das FBI ermittelt offenbar an mehreren Universitäten wegen Wissensdiebstahl und befragt Forscher nach ihrer Loyalität. Die NIH wollen rund 180 Verdachtsfälle an mehr als 60 Institutionen ausgemacht haben. Der Vorwurf lautet: Verschleiern von Beziehungen nach China in Forschungsanträgen. Mancher Betroffene räumt Formfehler ein, sieht die angeblich kritischen Kooperationen jedoch als gängige Praxis, mit gemeinsamen Publikationen in für jedermann zugänglichen Journalen. Bei den Rektoren und Dekanen wiederum steigt die Nervosität: Sie gucken bei chinesisch-stämmigen Wissenschaftlern genauer hin. Zusammen mit den Aussagen des FBI-Direktors und den seit einem Jahr verschärften Visums-Regularien für chinesische Studenten gibt das Anlass zur Sorge.