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US-Wahlkampf
Latinos könnten zum Zünglein an der Waage werden

In Zukunft werden die USA stärker von Latinos geprägt sein. Sie sind die am schnellsten wachsende Wählergruppe. Bereits heute sind 27 Millionen wahlberechtigt. Donald Trump hat sie aber in seinem Wahlkampf pauschal verunglimpft. Deshalb hat er jetzt ein Problem: In ihrer Mehrheit stellen sich die Latinos in den Umfragen hinter Hillary Clinton.

Von Thilo Koessler | 05.11.2016
    In den USA geborene Kinder von Migranten protestieren gegen Donald Trump
    In den USA geborene Kinder von Migranten protestieren gegen Donald Trump (dpa / picture alliance / Felipe Chac)
    Eine Pressekonferenz von One-Arizona in Phoenix. Die Gruppe One-Arizona ist ein Zusammenschluss von Zuwanderern aus den lateinamerikanischen Staaten und Latino-Menschenrechtsgruppen. Die Organisation berichtet über ihre Bemühungen, junge Hispanics anzusprechen, die bei diesen Wahlen zum ersten Mal an die Urnen dürfen.
    Sie haben Tausende von Besuchen an den Haustüren der Latino-Community absolviert. Sie haben Tausende von Telefonaten geführt – es ist ihnen gelungen, mit ihrer Initiative 150.000 Jung- und Erstwähler anzusprechen, die sich als Wähler registrieren ließen. Samantha Pstross von One Arizona sagt: Die Wählergruppe der Latinos wächst am schnellsten. Aber sie spielt im demokratischen Bewusstsein der Amerikaner praktisch immer noch keine Rolle.
    Dabei werden die Stimmen der Latino-Community demografisch immer wichtiger in den USA – und wenige Tage vor der Wahl wächst die Nervosität im republikanischen Lager. Die Republikaner mussten feststellen, dass sie eine wichtige Wählergruppe sträflich vernachlässigt haben. Von den 27 Millionen wahlberechtigten Latinos werden Umfragen zufolge die wenigsten Donald Trump wählen – dass er sie im Wahlkampf so brüsk vor den Kopf stieß, erweist sich vor diesem Hintergrund als strategischer Fehler mit möglicherweise weitreichenden Folgen.
    Trump hat die Latinos systematisch brüskiert
    Donald Trump hatte sie pauschal als Vergewaltiger, Verbrecher und Mörder verunglimpft, ihnen eine undurchdringliche Mauer zwischen Mexiko und den US-amerikanischen Grenzstaaten angedroht und darüber hinaus angekündigt, 11,5 Millionen illegal Eingewanderter kurzerhand abzuschieben.
    Donald Trump sieht sich nun mit Umfragewerten konfrontiert, die ihm Sorgen bereiten müssen. In Florida liegt Hillary Clinton bei den Latinos mit 30 Prozent in Führung – in Arizona sogar mit 60 Prozent. Selbst bei den konservativen kubanischen Amerikanern, die stets als sichere Bank für die Republikaner galten, droht Trump diesen Umfragen zufolge ein Desaster: Clinton liegt mit knapp 50 Prozent vorne. Dabei müsste Donald Trump eigentlich die Hälfte der Latino-Wähler hinter sich bringen, um die Wahlen gewinnen zu können, sagt Josef Garcia vom Latino Public Policy Center des Morrison Institute an der Arizona State University in Phoenix.
    Latinos und Menschenrechtsaktivisten protestieren gegen Donald Trump (2015)
    Latinos und Menschenrechtsaktivisten protestieren gegen Donald Trump (2015) (AFP / Robyn beck)
    Allerdings stehen alle diese Umfragewerte unter einem wichtigen Vorbehalt: Noch ist nicht ausgemacht, dass die wahlberechtigten Hispanics auch wirklich zur Wahl gehen – ihre Wahlbeteiligung liegt stets weit unter dem US-amerikanischen Durchschnitt. Der Grund: Junge Wähler, arme Wähler und Wähler mit niedrigem Bildungsniveau gelten als schwer mobilisierbar – und alle drei Faktoren treffen auf die Latinos zu, sagt Josef Garcia.
    "Minderheiten werden demografisch immer wichtiger"
    Kein Wunder also, dass die Demokraten sich mit derart hohem Einsatz um die Wählergruppe der Hispanics bemühen. Sie sind ein wichtiger Teil der demografischen Entwicklung, die den Demokraten langfristig in die Hände spielt. Die Minderheiten werden demografisch immer wichtiger – und sie gelten bis dato vor allem als demokratisches Wählerreservoir. Bereits bei diesen Wahlen könnten die Latinos in Florida oder Arizona zum Zünglein an der Waage werden. Und in wenigen Jahren werden sie die gesamte politische Landschaft in den USA verändern. Was das für Arizona bedeutet, beschreibt Josef Garcia so:
    "Bis zum Jahr 2030 dürfte sich Arizona zu einem tiefblauen, demokratischen und progressiven Staat entwickeln und kein roter, republikanischer Staat mehr sein."
    Bereits nach der letzten Präsidentschaftswahl im Jahr 2012 hieß es in einer Analyse der Republikaner, die Grand Old Party müsse sich künftig mehr um die Wählergruppen aus den Minderheitskulturen bemühen. Donald Trump hat diesen Rat in den Wind geschlagen.