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USA-Experte zur Haushaltssperre
"Der unmittelbare Einfluss des Shutdowns ist nicht groß"

Momentan seien die praktischen Folgen des Shutdowns in den USA nicht so dramatisch, sagte der Politikwissenschaftler Christian Lammert im Dlf. Wichtiger sei, dass der Shutdown ein Signal dafür sei, dass man in Washington zurzeit keine Politik mehr machen könne - und das mache die Finanzmärkte noch nervöser.

Christian Lammert im Gespräch mit Peter Sawicki | 22.12.2018
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    Trump habe bislang nicht geliefert, so der Politikwissenschaftler Christian Lammert. „Die konservativen Medien strafen ihn dafür ab und sagen, er wäre schwach. Das trifft ihn, er muss jetzt liefern“ (imago/Rn Sachs)
    Peter Sawicki: Rückzug aus Syrien, Teilabzug aus Afghanistan und Kompromisslosigkeit in der Heimat – das Ganze für die Mauer zu Mexiko. Und währenddessen reicht der Verteidigungsminister James Mattis seine Kündigung ein. Wohin steuern die USA in 2019 und darüber hinaus? Das fragen wir jetzt Professor Christian Lammert. Er ist Politikwissenschaftler am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin. Guten Tag, Herr Lammert!
    Christian Lammert: Guten Tag!
    Sawicki: Ist der Shutdown ein Vorgeschmack auf die kommenden mindestens zwei Jahre?
    Lammert: Ja, man kann den Eindruck gewinnen, dass jetzt nach gut zwei Jahren im Amt schon wieder der Wahlkampf anfängt für 2020. Die Parteien positionieren sich und sie testen aus, was der Wähler noch akzeptiert oder nicht. Trump versucht, seine Basis anzusprechen, die Demokraten versuchen, nach zwei Jahren in der Opposition auch wieder ein bisschen aktiver zu werden, und das führt momentan zu diesem Chaos, was wir rund um das Weiße Haus sehen.
    Sawicki: Sind Sie davon überrascht?
    Lammert: Ja, ich war schon ein bisschen überrascht, weil gerade der Abzug auch aus Syrien und Afghanistan war nicht absehbar. Ich meine, schon selbst unter Präsident Obama waren schon immer Anstrengungen da, weil die amerikanische Gesellschaft kriegsmüde war. Man hat das alles schon ein bisschen reduziert, man musste es reduzieren, aber die Nachrichten, die man in den letzten Wochen gehört hatte aus der Administration raus, war eigentlich, wir machen weiter, wir müssen es noch stabilisieren. Und dann diese plötzliche Kehrtwende aus dem Oval Office, das kam dann wirklich aus dem engsten Kreis und hat dann auch die Reaktionen hervorgebracht mit dem Rücktritt des Verteidigungsministers. Da sieht man, dass sein Sicherheitsapparat überhaupt nicht informiert war.
    "Ein Signal, dass man keine Politik mehr machen kann in Washington"
    Sawicki: Lassen Sie uns zunächst mal auf die Innenpolitik blicken. Was bedeutet der Shutdown jetzt gerade praktisch?
    Lammert: Ja, praktisch ist das momentan überhaupt nicht so dramatisch. Erstens heißt ja nicht Shutdown, dass alles geschlossen wird – das wurde ja schon in dem Bericht angesprochen. Es sind nur einige Ministerien davon betroffen, also viele Sozialprogramme wie die Rentenversicherung, das läuft weiter, auch die Veteranenunterstützung läuft weiter. Selbst die Grenzsicherung wird weiterlaufen, auch wenn die Leute keine Gehälter kriegen momentan, aber wir haben Weihnachten, es ist sowieso vieles geschlossen in den nächsten Tagen, das gibt den Politikern den nötigen Spielraum, um hier was zu machen. Also der unmittelbare Einfluss dieses Shutdown ist nicht groß, er ist aber wichtig, wenn man sich anguckt, dass die Wirtschaft momentan so ein bisschen an Fahrt verliert, dass die Aktienmärkte unsicherer werden. Da ist so ein Shutdown ein Signal dafür, dass man keine Politik mehr machen kann in Washington, und das wird die Finanzmärkte noch viel nervöser machen.
    Sawicki: Ja, und Trump hat auf Twitter in diesen Tagen auch gesagt, er könnte sich vorstellen, dass dieser Shutdown "sehr lange anhalten" wird, Zitat Trump. Wie lange könnte er sich erlauben, den in die Länge zu ziehen?
    Lammert: Ja, das ist die große Frage, inwieweit beide politische Seiten wirklich gewillt sind, das hier jetzt sozusagen zur zentralen Frage zu erklären, und das scheint bei Trump wirklich ein Überlebenskampf momentan zu sein. Der Bau der Mauer zu Mexiko war das das zentrale Versprechen seines Wahlkampfs. Er hat bislang nicht geliefert, die konservativen Medien strafen ihn dafür ab und sagen, er wäre schwach, er wäre ein Feigling, er könnte keine Deals machen. Das trifft ihn, er muss jetzt liefern, sonst geht im selbst seine kleiner werdende Unterstützung in seiner Basis verloren, und das wären fatale Aussichten für die Wahlen 2020. Deswegen glaube ich, er wird es ausreizen, und die Demokraten werden auch nicht zwinkern. Sie sind momentan gestärkt aus den Zwischenwahlen, das merkt man in der Rhetorik, das merkt man im Auftreten, ab dem 3. Januar haben sie eine klare Mehrheit im Repräsentantenhaus. Die Frage wird sein, wer erfolgreicher ist, diesen Shutdown dem anderen zuzuweisen, wenn die Bevölkerung dann müde wird und sagt, jetzt einigt euch mal, wer dann der Verantwortliche ist in der öffentlichen Diskussion.
    Sawicki: Ja, wir haben ja gerade auch die Demokraten gehört in dem Bericht, und die sagen kategorisch, es wird keine Mauer beziehungsweise kein Geld für die Mauer an der Grenze zu Mexiko geben. Also wo ist da überhaupt eine Lösung denkbar?
    Lammert: Die Lösung ist ja eigentlich schon da. Es gibt ja überparteiliche Einigkeit darin, dass man in die Grenzsicherung investieren kann, die Frage ist, wie das aussieht.
    "Trumps Basis will die Mauer"
    Sawicki: Wie man es benennt, also die Etikettierung.
    Lammert: Wie man es benennt, ja, und auch, welche Maßnahmen man da nimmt. Da gibt es viel bessere Varianten, glaube ich, die auch nicht so teuer sind, wie eine Mauer zu bauen. Trump hat sich selber so ein bisschen in die Ecke manövriert, dass er darauf besteht, dass es "die Mauer" gibt, weil das wirklich der zentrale Begriff auch in seinem Wahlkampf war und auch in seinen ersten zwei Jahren: Die Mauer kommt. Er hat in der letzten Woche schon mal ein bisschen Konzessionsbereitschaft gezeigt und hat gesagt, das könnten auch andere Sicherungsmechanismen sein, aber das will seine Basis nicht. Seine Basis will "die Mauer", und das macht es für ihn momentan so schwierig, überhaupt in eine Verhandlungsposition zu gehen. Die Lösung ist da, auch die Demokraten sind gewillt, weil die Bevölkerung das in den USA will, mehr Geld in Grenzsicherungen zu geben, aber nicht die Mauer. Das ist ein No-Go für die Demokraten, und darauf werden sie bestehen, weil sie wissen, dass Trump darunter leidet.
    "Leiden werden die Afghanen und in Syrien vor allem die Kurden"
    Sawicki: Wer wird denn im Hinblick auf die Außenpolitik jetzt und Sicherheitspolitik leiden nach dem Rücktritt von James Mattis?
    Lammert: Na ja, leiden werden auf alle Fälle die Afghanen, und auch in Syrien werden vor allem die Kurden leiden. Das wird massive Konsequenzen haben. Die Türkei hat schon angekündigt, sie werden eine Offensive starten, um die kurdischen Streitkräfte in Syrien anzugreifen. Die Taliban jubeln, ich glaube auch, die Terroristen, der IS jubelt momentan, weil es weniger Widerstand gibt, und die große Frage ist, wer jetzt diese Lücke um den Präsidenten ausfüllen kann. Mattis als Verteidigungsminister ist zurückgetreten, John Kelly, der Stabschef wird auch sein Amt aufgeben, und es ist noch nicht absehbar, was die neuen Leute … Einen neuen Stabschef haben wir schon, Mulvaney, da weiß man nicht genau, für was er steht als Stabschef, Verteidigungsminister ist noch überhaupt nicht klar. Also dieses Vakuum, wie das jetzt gefüllt werden soll, ist noch völlig unklar, und das wird auch [...]
    Sawicki: Auch was die Politik angeht?
    Lammert: Auch was die Politik angeht, ob es wieder gelingt, dass man gemäßigte Kräfte einsetzt, die Trump so ein bisschen kontrollieren, andere Positionen auch in diesen Sicherheitsapparat reinbringen, oder ob er jetzt wirklich versucht, seine Basis zu bedienen und nur noch Hardliner in diese Positionen zu setzen. Das wird schwierig, weil er da natürlich auch bei vielen Positionen die Unterstützung des Senats braucht, und da bröckelt auch selbst unter einigen Republikanern die Unterstützung langsam weg.
    Sawicki: Das heißt, Trump könnte jetzt nicht ohne Weiteres seinen Kandidaten, wer auch immer das sein dürfte, durchsetzen ohne Weiteres?
    Lammert: Mit dem Stabschef konnte er das machen, da braucht er keine Zustimmung vom Senat, aber alle Kabinettsposten müssen vom Senat bestätigt werden. Wir sehen das Problem momentan schon beim Posten des Justizministers, da wurde jemand übergangsweise eingesetzt, aber eine langfristige Lösung ist auch noch nicht abzusehen, weil da auch der Senat zustimmen müsste, und das wäre beim Verteidigungsminister auch der Fall.
    Sawicki: Bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk Christian Lammert, USA-Experte an der Freien Universität Berlin. Vielen Dank für Ihre Zeit!
    Lammert: Sehr gerne doch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.