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USA
Supreme Court kippt Abtreibungsgesetz in Texas

Mit diesem Urteil des Obersten Gerichtshofes haben die Verfechter des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in den USA einen wichtigen Sieg errungen: Das Gericht erklärte die strengen rechtlichen Auflagen des Staates Texas bei der Durchführung von Abtreibungen für verfassungswidrig. Hillary Clinton begrüßte den Richterspruch als Sieg für die Frauen in Texas und ganz Amerika.

Von Thilo Kößler | 28.06.2016
    Aktivisten beider Lager demonstrieren vor dem Gebäude des Supreme Courts in Washington, D.C.
    Aktivisten vor dem Gebäude des Supreme Courts in Washington, D.C freuen sich über die Entscheidung. (AFP / Mandel Ngan)
    Es dürfte das wichtigste Urteil zum amerikanischen Abtreibungsrecht in den letzten zwei Jahrzehnten sein. Mit fünf zu drei Stimmen entschied der Oberste Gerichtshof, dass die strengen rechtlichen Auflagen des Staates Texas für Abtreibungen verfassungswidrig sind und deshalb geändert werden müssen – das Urteil des Obersten Gerichtshofes gilt als bahnbrechender Erfolg für die Verfechter des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in den USA. Und es gilt nun auch als wegweisend für alle Bundesstaaten, die ähnlich wie Texas versucht haben, die einschlägige Gesetzgebung durch die Einführung immer strengerer medizinischer Standards zu unterlaufen.
    Texas habe mit seinem Gesetz für unzumutbare Belastungen für Frauen gesorgt – und verzweifelte Frauen in die Notlage gebracht, auf illegale Praktiken zurückgreifen zu müssen, begründeten die Richter ihr Urteil. Sie folgten damit der Argumentation der Klägerin Amy Hagstrom Miller, die die Gesundheitsinitiative für Frauen "Whole Womens Health" gegründet hat. Dieses Gesetz habe dazu geführt, dass Frauen lange Wege in Kauf nehmen müssen und erst später abtreiben können. Sie hätten Frauen dazu gezwungen, zu anderen Mitteln zu greifen.
    Bisheriges Gesetz erschwert Frauen die Abtreibung
    Im Zentrum der Kritik standen die verschärften Zulassungsregeln für alle Ärzte und Einrichtungen, die nach geltendem Recht Schwangerschaftsabbrüche vornehmen dürfen. Ärzte müssen nach den texanischen Bestimmungen aus dem Jahr 2003 Belegbetten an einem Krankenhaus haben, das nicht weiter als 30 Meilen von ihrer Praxis entfernt liegt. Ambulante Kliniken und Praxen müssen zudem baulich und medizintechnisch wie vollständige Krankenhäuser ausgestattet sein. Angeblich, um die Frauen zu schützen – tatsächlich, um es ihnen auf diese Weise zu erschweren, Abtreibungen vorzunehmen, so Amy Hagstrom Miller. Das Gesetz sei grausam und hart – und es trage nicht dazu bei, die Gesundheitsfürsorge für Frauen zu verbessern.
    Die strengen Auflagen des Staates Texas brachten die medizinischen Einrichtungen derart in Schwierigkeiten, dass die Hälfte von ihnen schließen musste. In Texas gibt es nur noch 20 Zentren, an denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden können. Das Oberste US-Gericht erklärte diese Auflagen nun für medizinisch unnötig. Sie begrenzten das verfassungsmäßige Recht der Frauen auf Abtreibung, heißt es in der Begründung des Urteils, das überraschenderweise auch von einem konservativen Bundesrichter mit getragen wurde – sonst hätte das Verfahren mit einem Patt geendet.
    Tiefe Spaltung in der Frage des Abtreibungsrechts
    Schon die ersten Reaktionen auf dieses Urteil dokumentieren die tiefe Spaltung, die in der Frage des Abtreibungsrechts durch die amerikanische Gesellschaft geht – Republikaner und einflussreiche Kreise der christlichen Rechten würden das Abtreibungsrecht am liebsten über Bord werfen. Dass dieses bahnbrechende Urteil just in die Zeit des Wahlkampfes fällt, dürfte die politische Auseinandersetzung zwischen den beiden Parteien noch einmal befeuern: der Republikaner Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses, ließ über Twitter wissen, dass er das Urteil zutiefst bedauere. Die Republikaner würden aber weiterhin für den umfassenden Schutz des ungeborenen Lebens kämpfen. Anders die demokratische Spitzenkandidatin in spe, Hillary Clinton: Sie ließ in einem persönlichen Tweet wissen, dass dieses Urteil ein Sieg für die Frauen in Texas und in ganz Amerika sei. Frauen dürften nicht dafür bestraft werden, dass sie ihre Grundrechte wahrnehmen.