Freitag, 19. April 2024

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USA verlässt UNO-Menschenrechtsrat
"Trump ist Menschenrechtspolitik nicht wichtig"

An der Arbeit des UNO-Menschenrechtsrats gebe es zwar Kritikpunkte, sagte die Politologin Katrin Kinzelbach im Dlf. Aus Sicht von Aktivisten sei der Rat aber eine wichtige Plattform, um Menschenrechtsverletzungen internationale Aufmerksamkeit zu geben. Der Rückzug der USA stärke deshalb autokratische Staaten.

Katrin Kinzelbach im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 20.06.2018
    US-Präsident Donald Trump bei einer Zeremonie in Washington, die Billy Graham ehrt
    Auf Veranlassung von Präsident Donald Trump haben die USA den Menschenrechtsrat verlassen. "Man muss feststellen, dass hier ein zerstörerischer Trieb am Werke ist", sagte Katrin Kinzelbach vom Global Public Policy Institute (dpa / picture alliance / Shawn Thew)
    Tobias Armbrüster: Der Menschenrechtsausschuss, der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, das ist ein Gremium, das immer wieder für Diskussionen sorgt, ein Gremium, das die Lage der Menschenrechte rund um die Welt im Auge haben soll, aber in diesem Ausschuss, da sitzen eben auch jede Menge Vertreter aus Ländern, die sich herzlich wenig um Menschenrechte scheren: Venezuela, Saudi Arabien, auch China. US-Präsident Trump hat nun in der vergangenen Nacht angekündigt, dass sich die USA aus diesem Gremium verabschieden werden.
    Am Telefon ist die Politikwissenschaftlerin Katrin Kinzelbach vom Global Public Policy Institute, das ist eine Denkfabrik in Berlin, die sich auch mit der Rolle der Vereinten Nationen beschäftigt. Schönen guten Tag, Frau Kinzelbach!
    Katrin Kinzelbach: Guten Tag!
    Armbrüster: Kann man den USA bei dieser Entscheidung wirklich einen Vorwurf machen?
    Kinzelbach: Ja, auf jeden Fall. Die Trump-Regierung zeigt ja nicht zum ersten Mal, dass sie an internationaler Zusammenarbeit wenig Interesse hat, sondern Alleingänge bevorzugt. Ich interpretiere diese Entscheidung, den Menschenrechtsrat zu verlassen, auch als eine Entscheidung der Aufkündigung internationaler Zusammenarbeit. Natürlich gibt es legitime Kritikpunkte an der Arbeit des Menschenrechtsrates, aber wenn man sich den Zeitpunkt anguckt und auch die Art und Weise, wie die USA den Menschenrechtsrat verlassen, dann muss man, glaube ich, feststellen, dass hier ein zerstörerischer Trieb am Werke ist, der dem Menschenrechtsrat und der Arbeit der Vereinten Nationen zum Bereich Menschenrechte überhaupt nicht helfen wird.
    Die Politikwissenschaftlerin und stellvertretende Leiterin des Global Public Policy Institute in Berlin, Katrin Kinzelbach.
    Die Politikwissenschaftlerin und stellvertretende Leiterin des Global Public Policy Institute in Berlin, Katrin Kinzelbach. (Groupshow)
    Armbrüster: Aber ist dieser Rat, hat der sich nicht tatsächlich glaubwürdig gemacht, dadurch, dass er auch auf die Zusammenarbeit setzt eben mit Ländern wie Saudi Arabien, Venezuela oder auch China, in denen ja wirklich die Menschenrechte keine allzu große Rolle spielen?
    Kinzelbach: Das ist eine lange Diskussion und auch eine sehr wichtige Diskussion: Welche Staaten sollten denn im Menschenrechtsrat vertreten sein? Hat ein Land wie China zum Beispiel die nötige Legitimität, sich für Menschenrechte einzusetzen? Ich persönlich halte das auch für sehr problematisch, dass China und andere Länder, wie Venezuela, Iran, Saudi-Arabien, einen Sitz im Menschenrechtsrat haben. Allerdings ist das ein Rat, ein Gremium, in einer multilateralen Organisation, es sitzen dort Staatenvertreter, nicht unabhängige Menschenrechtsexperten, insofern ist es immer auch ein politisches Gremium gewesen und wird es auch immer sein, solange sich die Staatengemeinschaft nicht entschließt, dort unabhängige Experten hinzusetzen.
    Insofern ist die Frage, wie gehen wir mit dieser Realität um, wie können wir dieses Gremium auf eine Art und Weise stärken, dass die Menschenrechte dabei nicht geschwächt, sondern stärker herauskommen. Die Art und Weise, wie die Trump-Regierung hier vorgeht, ist zerstörerisch und lässt vor allen Dingen Spielern wie China viel mehr Raum im Rat, als wenn die USA noch drin bleiben würden.
    "Wir verlieren eine demokratische Stimme im Rat"
    Armbrüster: Inwiefern hat China jetzt mehr Raum?
    Kinzelbach: Na ja, im Rat gibt es immer Bewegungen, sich natürlich mit anderen Ländern zusammenzutun. Diese Resolutionen, die zum Beispiel der Rat verabschieden kann, die müssen ja durch eine Abstimmung gehen, und dabei sind die Vertreter, die im Rat sitzen, natürlich vorrangig dabei beschäftigt, sich mit anderen Ländern zusammenzutun. Die USA werden, auch ausgetreten, ein Rederecht behalten, aber sie verlieren ein Stimmrecht. Insofern, solange wie sich jetzt die USA noch als Demokratie zählen und haben, verlieren wir eine demokratische Stimme im Rat, und ich denke, das ist problematisch.
    Zudem gibt die Regierung einen Vorwand, neue Verhandlungen zu führen darüber, wie der Menschenrechtsrat strukturiert sein soll, wie die Verfahrensregeln aussehen sollen, und da glaube ich nicht, dass Länder wie China sich jetzt noch dieselben Einschränkungen auferlegen werden, wie sie das zum letzten Mal getan haben, als der Rat gegründet wurde, nämlich 2006. Da haben wir noch eine ganz andere geopolitische Lage gehabt. Heute haben diese autoritären Staaten viel mehr Einfluss in der UNO, und entsprechend wird ein neuverhandelter Rat auch ihren Vorstellungen mehr entsprechen als der bisherige Rat.
    Armbrüster: Aber wie viel Einfluss hat denn dieser Rat überhaupt? Ich meine, ist das nicht eigentlich nur eine Menge Papier, die da produziert wird?
    Kinzelbach: Das sagen die Zyniker, und natürlich ist der Rat auch nicht in der Lage, Regierungen zu zwingen, Reformen durchzusetzen, aber er ist ein wichtiges Gremium, um die Fragen von Menschenrechtsverletzungen auf die internationale Bühne zu heben. Aktivisten finden den Rat sehr wichtig, weil sie dort auch Rederecht haben und ihre Probleme darstellen können, und natürlich ermöglicht dieser Rat eines, nämlich internationale Aufmerksamkeit. Ich denke, dass die Aussagen der US-Regierung über Einmischung in ihre eigenen inneren Angelegenheiten, zum Beispiel im Bereich Grenzschutz, auch mit ein Grund sein könnte, warum sie diesen Rat schwächen möchten.
    Armbrüster: Frau Kinzelbach, können Sie uns vielleicht ein Beispiel nennen, wo dieser Menschenrechtsrat tatsächlich schon mal Wirkung gezeigt hat, wo sich möglicherweise ein Diktator an das gehalten hat, was der Rat gesagt hat, wo es konkrete Änderungen gegeben hat?
    Kinzelbach: Also keiner in der Menschenrechtsbewegung glaubt, dass ein Diktator wegen einer Resolution fällt. Diese Macht hat der Menschenrechtsrat nicht. Der Menschenrechtsrat hat aber die Macht, Probleme anzusprechen, zu dokumentieren, Legitimität für Oppositionelle zu schaffen. Das ist vielleicht ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es ist ein großer Unterschied, ob man ein Gremium hat, an dem man sich international wenden kann oder, ob Aktivisten nur in einem nationalen Zusammenspiel, in einer nationalen politischen Auseinandersetzung gegen Unterdrückung kämpfen müssen.
    Empfehlungen des Rates führen oft zu Gesetzesänderungen
    Zusätzlich muss man auch wissen, dass natürlich viele Länder im Menschenrechtsrat sitzen, die also nicht von Diktatoren regiert werden und wo es viele Beispiele gibt, dass zum Beispiel Gesetzesreformen stattfinden nach dem UPR-Prozess oder wenn Vertragsorgane des Menschenrechtsrates ganz konkrete Empfehlungen geben über Gesetzesänderungen. Auch Deutschland zum Beispiel prüft solche Empfehlungen sehr genau, und natürlich werden da auch Empfehlungen umgesetzt. Die Diktaturen sind natürlich die allerschwierigste Ausgangslage, und da wird eine Resolution alleine keine Veränderung bringen. Das glaubt aber auch niemand in der Menschenrechtsbewegung.
    Armbrüster: Könnte es denn jetzt sein, dass diese Entscheidung der USA, sich da zu verabschieden, dass das so eine Art Warnschuss ist, dass sich die übriggebliebenen Mitglieder jetzt überlegen, wie sie diesen Rat möglicherweise reformieren können?
    Kinzelbach: Also es ist ja keine Überraschung, dass die USA das machen. Also im letzten Jahr wurde das schon angekündigt und mehrmals diskutiert in Genf. Es gab auch Versuche, da die Kritikpunkte der USA aufzunehmen und neu zu verhandeln, aber, wie ich schon eben sagte, das ginge nur, wenn man das gesamte Regelwerk des Rates aufmacht. Viele Staatenvertreter, die noch in Erinnerung haben, wie die Verhandlungen gelaufen sind 2006, als der Menschenrechtsrat gegründet wurde, sind nun sehr besorgt, dass aufgrund der neuen geopolitischen Lage eine komplette Öffnung des Vertragswerkes dazu führen könnte, dass ganz grundlegende Elemente des Menschenrechtsrates, zum Beispiel die länderspezifischen Resolutionen - also die länderspezifische Kritik an Menschenrechtsverletzungen - komplett abgeschafft würden, weil dafür einfach keine politischen Mehrheiten momentan zu finden sind in der Staatengemeinschaft.
    Insofern glaube ich, das ist eine Illusion, und ich glaube auch nicht daran, dass die USA ernsthaft versuchen wollen, den Rat zu stärken. Dann hätten sie sich nämlich abgesprochen, sie hätten sich Verbündete gesucht und nicht wie ein Bulldozer versucht, diesen Rat zu zerstören. Sie haben ja auch eben erwähnt, die Trump-Regierung hat im Fall wie zum Beispiel Nordkorea jetzt keine weiße Weste, was Menschenrechtspolitik angeht. Sie ist sehr bereit, Menschenrechtsverletzungen unter den Tisch zu kehren, und zum Beispiel hat auch das amerikanische Außenministerium erstmals den höchsten Posten für Menschenrechtspolitik nicht besetzt. Das heißt, die Trump-Regierung hat mehrmals eigentlich Signale gesetzt, dass ihnen die internationale Menschenrechtspolitik nicht wichtig ist.
    Armbrüster: Live hier bei uns in den "Informationen am Mittag" war das die Politikwissenschaftlerin und UNO-Expertin Katrin Kinzelbach, und wir sprachen mit ihr über die Entscheidung der USA, aus dem Menschenrechtsrat der UNO auszusteigen. Vielen Dank, Frau Kinzelbach, für das Gespräch!
    Kinzelbach: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.