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USA
Washington Post auf Erfolgskurs

Amerikanische Tageszeitungen haben in den vergangenen Jahren noch mehr Federn lassen müssen, als die deutschen Blätter. Gleich eine ganze Reihe von Zeitungen ist eingestellt worden. Vor zwei Jahren wurde die angeschlagene Washington Post für 250 Millionen Dollar an den Internetunternehmer Jeff Bezos verkauft worden, der mit dem Buchversand Amazon bekannt wurde. Jetzt geht es wieder aufwärts.

Von Michael Meyer | 10.10.2015
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    Journalisten von der Washington Post (Bild: dpa/Marlon Correa) (dpa/Marlon Correa)
    An die Enthüllungen der beiden Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward zur Watergate-Affäre vor über vierzig Jahren wird noch heute bei der Washington Post erinnert: Im legendären Newsroom, in dem auch 1976 der Spielfilm gedreht wurde, hängen Tafeln, die auf den Scoop von damals hinweisen. Die Redaktion der Post arbeitet jedoch nur noch bis Ende des Jahres in den alten Räumen, die deutlich Patina angesetzt haben, Ende des Jahres zieht die Post in ein neues Gebäude um.
    Seit einem Jahr stellt die Post wieder neue Mitarbeiter ein, die für die Website arbeiten, die Rede ist von 100 neuen Stellen. Auch hat man seit kurzem einen Stab von zwei Dutzend Video-Reportern, die Filme erstellen sollen, erklärt Jackie Kucinich, die stellvertretende Leiterin der Video-Redaktion:
    "Ein Drittel unserer Redakteure können sofort rausgehen und dort drehen, die anderen zwei Drittel gehen je nach Bedarf raus, arbeiten aber oft auch hier im Haus, je nach Geschichte. Wir haben aber auch viele Agenturbilder, die wir verwenden können, von Reuters, Associated Press und so weiter und wir verwenden diese Bilder dann, schneiden sie, ergänzen sie, das machen dann unsere Leute hier im Haus."
    Bei "Post-TV" sieht man dann unter anderem Kurzsendungen wie "In Play", eine Hintergrundsendung zu Politikthemen in Washington oder "On Background", eine interaktive Politiksendung. Mehr Videos zu produzieren, ist sicher auch eine Antwort auf die "New York Times", die jeden Tag mit einem großen Aufwand drei bis vier neue Kurzreportagen ins Netz stellt – inhaltlich und vom Design her sind das oft kleine Kunstwerke. Aber auch die Post hat viel Geld in die Hand genommen, um ihre Internetseite aufzufrischen. Vermehrt sieht man auf der Seite Multimedia-Geschichten, Videoreportagen, Grafiken und anderes. All das, so sagt Post-Geschäftsführer Stephen Hills, sei auch darauf zurückzuführen, dass der neue Eigentümer Jeff Bezos mehr in technische Entwicklungen investieren wollte:
    "Wir haben dadurch in diesem Jahr mehr Leser im Netz dazugewonnen, als jedes andere Nachrichtenunternehmen in den USA, und wir wurden zur innovativsten Medienmarke des Jahres gewählt, wir sind sehr froh über den Erfolg, den wir jetzt haben."
    54 Millionen US-Nutzer jeden Monat
    Die Zahlen der Website sind beeindruckend, 54 Millionen US-Nutzer jeden Monat, hinzukommen noch mal 21 Millionen Leser im Ausland. Für Erstaunen hat gesorgt, dass die Post ihr Abo im Paket bei "amazon prime" fast schon verschleudert, für 4 Dollar im Monat – und beim neugestarteten Dienst "Instant Articles" von facebook sind sogar fast alle Texte gratis verfügbar. Das reguläre Digital-Abo ist mit 10 Dollar im Monat deutlich teurer. Warum diese Billig - Strategie, wenn es doch um mehr Einnahmen gehen soll? Stephen Hills:
    "Unsere Philosophie besteht aus zwei Dingen: Erstens wollen wir unsere Inhalte an so viele Menschen wie möglich bringen. Wir haben gemerkt: Wenn Leser unsere Texte sehen, dann mögen sie sie auch. Wir investieren auch deswegen so stark ins Netz, ins Design usw., weil wir glauben, dass Leute dann irgendwann auch zu Abonnenten werden. Was den Preis angeht: Wir wollen ihn so niedrig halten, dass die Leser kaum nein dazu sagen können. Das ist auch die Philosophie von Jeff Bezos: Lasst uns so viele Nutzer wie möglich anlocken, und langfristig wird sich das dann für unser Geschäft auszahlen."
    Man muss aber ergänzen, dass amazon sich schwertut, profitabel zu arbeiten, die Strategie der günstigen Preise ist offenkundig eine schwierige und langwierige.
    Journalistisch hat die Post, seitdem sie vor zwei Jahren von Jeff Bezos aufgekauft wurde, in keiner Weise nachgelassen, allerdings war vor einigen Wochen auffällig, dass nicht die Post, sondern die New York Times eine lange Geschichte über die inner-betrieblichen Zustände bei amazon brachte. Angst, übergroße Erwartungen, starke Konkurrenz und rücksichtsloser Umgang mit Mitarbeitern beherrschten das Klima bei amazon, schrieb die Times. Solch einen Artikel würde man heute wohl kaum noch bei der Post lesen.
    Und dennoch, so muss man feststellen, hat Jeff Bezos kräftig in die Zeitung investiert, was sich ganz offenbar in diesem Jahr ausgezahlt hat. Geschäftsführer Stephen Hills meint ohnehin, dass Investitionen ins Digitale für Zeitungen unerlässlich sind:
    "Wenn Sie nicht investieren, und versuchen, so viel Geld zu verdienen wie früher, das wird kein Weg zu langfristigem Erfolg sein. Um den zu haben, muss man investieren, und vielleicht nicht jedes Jahr Gewinne schreiben, aber langfristig wird sich das auszahlen. Wir sind im Digitalen noch in einer frühen Phase, in der sich entscheidet, ob man Leser gewinnt oder verliert, und daher muss man aggressiv ins Digitale investieren."