Archiv

Usbekistan vor der Präsidentschaftswahl
Investitionen fördern, Freiheiten beschränken

Am 24. Oktober wählt Usbekistan einen neuen Präsidenten. Dieser wird vermutlich der alte sein – Shavkat Mirziyoyev. In dem zentralasiatischen Land hat er in den vergangenen Jahren einige Reformen angestoßen und gilt als populär. Doch Menschenrechtsaktivisten zeichnen ein nicht ganz so positives Bild.

Von Edda Schlager |
Ein Blick auf die Hauptstadt Usbekistans, Taschkent
Taschkent ist die Hauptstadt Usbekistans (picture alliance / prisma | Raga Jose Fuste)
Fast auf den Tag genau vor drei Monaten startete der Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen in Usbekistan. In sperriger Juristensprache erklärte der Vorsitzende der zentralen Wahlkommission Usbekistans, Zainiddin Nizamhojaev, die Wahlkampagne in der usbekischen Hauptstadt Taschkent für eröffnet.
"Gemäß den Artikeln 90 und 117 der Verfassung der Republik Usbekistan wurde beschlossen, die Kampagne zur Wahl des Staatsoberhauptes, die für den 24. Oktober geplant ist, ab 23. Juli zu beginnen."
Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev hebt die Hand zum Gruß
Seine Wiederwahl gilt als sicher: Präsident Shavkat Mirziyoyev (picture alliance / AA | Presidency of Uzbekistan / Handout)
Neben dem bisherigen Präsidenten, dem 64-jährigen Shavkat Mirziyoyev, treten vier Kandidaten an, darunter eine Frau. Sie repräsentieren die fünf im usbekischen Parlament vertretenen Parteien. Bewerber außerhalb des offiziellen Parteienspektrums gibt es nicht. Denn Oppositionsparteien dürfen sich nicht registrieren und sind somit nicht zugelassen.

Wiederwahl Mirziyoyevs ist wahrscheinlich

Für den usbekischen Menschenrechtsanwalt Shukhrat Ganiyev besteht kein Zweifel, dass Shavkat Mirziyoyev erneut Präsident wird.
"Hier braucht ein Staatschef keine Angst zu haben, dass ihn zu wenige wählen. Vielleicht bekommt er nicht 92 Prozent, wie man bei uns gewohnt ist, vielleicht werden es 62 oder 72 Prozent sein. Aber die bekommt er, da bin ich ganz sicher."
Shavkat Mirziyoyev war im Dezember 2016 zum Präsidenten gewählt worden, nachdem Langzeitdiktator Islam Karimow überraschend gestorben war. 25 Jahre lang hatte Karimow Usbekistan mit Repression und Folter politisch und wirtschaftlich abgeschottet.
Shavkat Mirziyoyev steht an einem Rednerpult, im Hintergrund mehrere Landesflaggen.
Usbekistan unter Präsident Mirziyoyev - Öffnung für Touristen und Kapital
Auch Deutsche können nun ohne Visum nach Usbekistan reisen. Auffällig schnell öffnet sich das bevölkerungsreichste Land Zentralasiens unter Shavkat Mirziyoyev.
Mirziyoyev, der unter Karimov 13 Jahre als Premierminister gedient hatte, wollte das schlechte Image des Landes aufpolieren. Währungsreform, Steuerreform, Amnestien für hunderte politische Gefangene sind nur einige seiner Initiativen der vergangenen fünf Jahre. Es gibt zwar kritische Stimmen, doch auch außenpolitisch steigt Mirziyoyevs Ansehen.
Im Umgang mit der Krise in Afghanistan, dem südlichen Nachbarland Usbekistans, ist er derzeit einer der gefragtesten Gesprächspartner für Deutschland, die EU und die USA. Bei der 76. Sitzung der UN-Generalversammlung im September machte er klar, dass er - anders als der Großteil der internationalen Gemeinschaft - mit den Taliban reden wolle.
"Vor kurzem haben wir die usbekisch-afghanische Grenze wieder geöffnet und mit der Lieferung von Grundbedarfsgütern, Erdölprodukten und Strom begonnen. In diesen schwierigen Zeiten ist es unmöglich, Afghanistan zu isolieren und es mit seinen Problemen allein zu lassen."

Ansatz für mehr Zusammenarbeit der Länder Zentralasiens

Mirziyoyev sieht Afghanistan als festen Bestandteil der Region – und folgt damit konsequent seinem seit längerem verfochtenen Ansatz für mehr regionale Zusammenarbeit innerhalb Zentralasiens. Seit seinem Amtsantritt 2016 bemüht er sich, die Länder Zentralasiens politisch und wirtschaftlich enger zu verzahnen und machte sich so bei den Nachbarn einen Namen als Krisenmoderator. Obwohl er innenpolitisch weiter mit harter Hand regiert, ist er bei vielen ausgesprochen populär.
Das Bild zeigt einen alten Fischerkahn in einem Dorf
Viele Häuser in Muynak haben keinen Wasseranschluss (picture alliance / blickwinkel/G. Pohl | G. Pohl)
Muynak, eine Kleinstadt in der Region Karakalpakistan im Nordwesten Usbekistans. Früh am Morgen sammeln sich Frauen in bunten Kleidern und Kopftüchern um ein zwei Meter tiefes Loch mitten auf der unbefestigten Dorfstraße, einer staubigen Sandpiste. Sie haben schwere Milchkannen und Eimer dabei, einige kleine Wagen. "Die kommen jetzt alle für das Wasser, und wir warten. Manchmal gibt es auch keins", sagt eine.
Morgens um sieben, manchmal auch später, wird Wasser am öffentlichen Wasserhahn freigegeben. Dann füllen die Frauen ihre Kannen und Eimer, und schleppen sie nach Hause. Die 30 oder 40 Liter müssen dem Haushalt für einen Tag reichen. Denn viele der Häuser in Muynak haben keinen Wasseranschluss.
Eine der Frauen trägt Jeans und ein gestreiftes T-Shirt. Sie ist geschminkt, trägt die dichten schwarzen Haare zu einem modernen Bob geföhnt.
"Ich habe euch doch gesagt, ihr müsst das nicht machen. Nehmt euch einen Kredit und lasst euch einen Wasseranschluss legen. Niemand braucht sich heutzutage noch so zu schinden hier."

Viele Häuser in Muynak ohne Wasseranschluss

Dilfuza Kutlymuratova ist nicht aus Muynak, sie ist aus der Gebietshauptstadt Nukus hierher gezogen. Bis vor wenigen Jahren war sie dort Berufsschullehrerin. Jetzt betreibt sie in Muynak ein Hotel, nur wenige Meter von der Wasserstelle entfernt. Möglich wurde das durch eine Wirtschaftsinitiative, die Präsident Mirziyoyev der Region Karakalpakistan, einer der ärmsten des Landes, verordnet hat.
Aufbruch in Usbekistan - Bereit für Reformen?
Früher war Usbekistan abgeschottet und wurde repressiv regiert. Ist diese Gesellschaft mit ihrem stark patriarchalen Wertesystem bereit für Veränderung? Ja – glaubt zumindest der Präsident des Landes, Shavkat Mirziyoyev.
"Als der Präsident die Reformen begonnen hat, hat er sehr viele Berufsschulen schließen lassen, und ich wurde arbeitslos. Ich wusste nicht, was ich machen soll. Aber hierher haben sie Kredite gegeben, und ich dachte, warum soll ich es nicht versuchen.
Das Gebäude war heruntergekommen, aber wir haben hier gelebt, ich mit drei Kindern, und den Bauarbeitern, und Touristen waren auch schon da."
Die Touristen-Attraktion in Muynak ist der Aralsee, den es nicht mehr gibt. Muynak war früher eine florierende Hafenstadt. Doch durch intensive Bewässerung floss immer weniger Wasser in den Aralsee, so dass er in den vergangenen 70 Jahren nahezu austrocknete. Die Überbleibsel wollen sich zunehmend auch internationale Touristen ansehen.
Um noch mehr anzulocken, organisiert Kutlymuratova jetzt jedes Jahr ein Musikfestival hier in der Wüste. Sie ist überzeugt, Usbekistan bietet derzeit viele Chancen, vor allen hier in Karakalpakistan. Denn der Präsident habe ein besonderes Augenmerk auf die Region gelegt, weil sie durch die Umweltkatastrophe so schlecht dastehe.
(151211) -- TASHKENT, Dec. 11, 2015 () -- Photo taken on Dec. 7, 2015 shows abandoned ships at Moynak in the Aral Sea, Uzbekistan. Once the world's fourth largest lake, the Aral Sea lies between Kazakhstan and Uzbekistan, fed mainly by Amu Darya and Syr Darya. The sea has shrunk more than 90 percent as the rivers that feed it were largely diverted by the former Soviet Union irrigation projects to boost cotton production in the arid region. (Xinhua/Sadat) (zjy)
Der Aralsee ist nahezu ausgetrocknet (picture alliance / Photoshot)
"Die Infrastruktur hier ist zerstört, die Leute sind weggegangen. Es gab nicht mal ordentliches Trinkwasser. Die Leute haben irgendwie überlebt. Die, die Geld hatten, sind nach Nukus gegangen oder nach Kasachstan. Die, die geblieben sind, haben es gerade so geschafft. Der Präsident hat seine Reformen hier in Muynak begonnen. Und das hat sich wirklich positiv ausgewirkt. Geschäftsleute, Bauunternehmen, Exporteure, Investoren sind hergekommen, die öffnen hier ihre Filialen."

Investitionen in ärmere Regionen zahlen sich aus

Den ärmeren Regionen mehr Aufmerksamkeit und Investitionen zu widmen – und so die Unzufriedenheit der Menschen aufzufangen, das ist eine Strategie, die Mirziyoyev in seiner Amtszeit verfolgt. 2017 hat er zudem das Ministerium für innovative Entwicklung gründen lassen. Minister Ibrohim Abdurahmonov erklärt den Ansatz für Karakalpakistan.
Das Bild zeigt ein Leuchtturm-Café im trockenen Aralsee
In die Region Karakalpakistan flossen in den vergangenen Jahren Fördergelder (picture alliance / imageBROKER | Petr Svarc)
"Karakalpakistan ist bei uns die nördlichste Region und sie haben lange unter dem Verschwinden des Aralsees gelitten. Und deshalb werden jetzt auf Initiative des Präsidenten große Anstrengungen in Karakalpakistan betrieben. Wir wollen die Katastrophe in Möglichkeiten umwandeln, dafür braucht es Innovationen und Technologien. Deshalb hat unser Ministerium genau in Muynak ein Innovationszentrum geschaffen. Und Nukus ist für uns eine Region für Innovationen."
Innovationen, Wettbewerb – das alles klingt nach moderner Wirtschaftspolitik und Offenheit, kommt in Usbekistan oft aber noch sehr technokratisch daher. Der Staat will auch in der Wirtschaft die Kontrolle behalten. Nachdem Mirziyoyev im Jahr 2017 den Devisenhandel liberalisiert hatte, brach die Wirtschaftsleistung zunächst ein, wuchs dann aber stetig, wenn auch auf geringerem Niveau.
Die Corona-Krise hat auch Usbekistans Wirtschaft zurückgeworfen, doch langsam erholt sie sich. In diesem Jahr stieg das Wirtschaftswachstum um fünf Prozent im Vergleich zum Pandemiejahr 2020. Kommendes Jahr werden knapp sechs Prozent erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt lag 2020 bei 57,6 Milliarden US-Dollar. Usbekistan setzt vor allem auf ausländische Investoren. Doch für die bleibt das Land eine Herausforderung.
Stadtpark in Taschkent, Usbekistan, Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag. Am 1.9.2011 ist das Land seit 20 Jahren unabhängig von der eh. Sowjetunion.
Usbekistan - Investoren dringend gesucht
Usbekistan lockt mit Rohstoffreichtum und niedrigen Lohnkosten. Europäische Unternehmer, auch deutsche, die in dem Land investieren oder an Joint Ventures beteiligt sind, sind bislang noch in der Minderheit.
Ortswechsel in die usbekische Hauptstadt Taschkent. Das Flaschenwerk Campalia in einem Industriegebiet. Bei 1.600 Grad werden hier Quarzsand und andere Rohstoffe eingeschmolzen, um Glas zu produzieren und in Flaschenform zu pressen. 500.000 Getränkeflaschen werden pro Tag produziert. Die Kosten für eine Tonne Glas sind in den vergangenen zwei Jahren von 90 auf 120 US-Dollar gestiegen. Deshalb nutzt das Werk auch Recycling-Glas, wie Chefingenieur Denis Kuschnir erklärt.
"Sehen Sie, was da für ein Berg liegt? Das bringen sie uns. Das ist kein Müll, das ist Glas, was ins Recycling geht. Das bringen Sammler zu uns, die das auf der Straße gesammelt haben. Alle Glaswerke machen das so. Erstens schont das die Umwelt, wir können das wiederverwenden, und es lässt uns Kosten sparen – das sind drei Gründe, die dafür sprechen."

Glas-Recycling könnte Zukunftsmarkt sein

Der deutsche Unternehmer Günter Philipp ist davon überzeugt, dass Glas-Recycling ein Zukunftsmarkt in Usbekistan ist. Er hat Anfang der 2000er Jahre das Flaschenwerk Campalia aufgebaut, kennt die Branche in Usbekistan gut.
"Der Wert des Glases, das in Usbekistan produziert und nur einmal genutzt wird, liegt zwischen 70 und 100 Millionen Dollar. Der größte Teil geht auf den Müll. Es gibt kein Recyclingsystem. Es wird ein Teil gesammelt, der wieder abgefüllt wird, ein Teil geht in den Export. Ein Teil landet auch im Müll. Wenn sie durch Taschkent gehen, überall finden Sie Glasflaschen."
Mit 35 Millionen Einwohnern ist das Land ein riesiger Konsumentenmarkt, dessen Kundenbedürfnisse wachsen. Auch durch die Politik von Präsident Mirziyoyev.
Eine Reinigungskraft mit Schutzanzug  desinfiziert ein Wahllokal in Usbekistan
Am 24. Oktober wählt Usbekistan einen neuen Präsidenten (picture alliance/dpa/TASS | Vladimir Smirnov)
"Ich gehe mal jetzt davon aus, dass die politische Situation viel besser ist, als vor zwei Jahren. Mit dem neuen Präsidenten ist ein neuer Aufschwung gekommen, das heißt, man hat wieder Vertrauen in das Land. Es wird viel investiert, die Agrarwirtschaft wird vorangetrieben, es wird mehr auf Nachhaltigkeit geachtet, man will energieeffizienter werden, man will grüner werden."

Bürokratie schreckt Investoren ab

Philipp würde in Usbekistan gerne einen komplett neuen Sektor für Glasrecycling aufbauen. Die Kontakte und nötigen Partner hat er, auch das Campalia-Glaswerk in Taschkent könnte finanziell profitieren. Derzeit beendet der Deutsche eine Machbarkeitsstudie, die ihn rund 20.000 Euro gekostet hat, sagt er.
Doch mittlerweile glaubt Philipp, dass die staatlichen Behörden in Usbekistan noch nicht so weit seien. Man wolle den Markt noch mehr regulieren, habe es aus den Ministerien geheißen, in denen er vorstellig wurde. Bevor er ein zu großes unternehmerisches Risiko eingehe, so Philipp, wird er das Projekt unter den derzeitigen Bedingungen wohl eher absagen. Nicht nur der staatliche Einfluss und die Bürokratie halten internationale Investoren vom Engagement in Usbekistan ab. Auch die Gerichtsbarkeit, so der usbekische Rechtsanwalt Sergey Mayorov, sei unberechenbar. Rechtstaatlichkeit gebe es praktisch nicht.
"Warum kommen denn keine Investoren zu uns? Weil die Gerichte hier die Interessen von Investoren und Unternehmern nicht schützen. Die Richter entscheiden in den meisten Fällen im Interesse des Staates oder derjenigen, die sie angeheuert haben."
Mayorov ist einer der international bekanntesten Rechtsanwälte in Usbekistan. Weil er sich nicht scheut, die Regierung zu kritisieren, und immer wieder prominente Fälle vertritt, bei denen es um eklatante Menschenrechtsverletzungen geht. Derzeit ist er Anwalt des Bloggers und LGBT-Aktivisten Miraziz Bazarov. Der 29-jährige war Ende März in Taschkent brutal überfallen worden, als er öffentlich auf die Rechte von Homosexuellen aufmerksam machte.

Homosexualität steht in Usbekistan unter Strafe

"Nachdem sie ihn zusammengeschlagen hatten, lag er einen Monat im Krankenhaus. Rund um die Uhr standen zwei Vertreter des Innenministeriums vor seiner Tür, angeblich zu seiner Sicherheit, damit die Angreifer ihn nicht noch mal attackieren könnten. Aber das sind natürlich Märchen. Es ging darum, zu verhindern, dass er ins Internet kommt, jemandem von dem Vorfall erzählt. Nur ich durfte zu ihm und seine Mutter. Aber sie hat natürlich nicht die Möglichkeiten wie ich. Und ich habe wirklich der ganzen Welt von der Ungesetzlichkeit dieser Maßnahme durch die Regierung erzählt."
Homosexualität steht in Usbekistan unter Strafe. Den Protest dagegen verstehe die Regierung als Kritik und als Angriff auf traditionelle Werte in Usbekistan. Das wolle man unterbinden, so Mayorov. Seit Bazarov aus dem Krankenhaus entlassen wurde, steht er unter Hausarrest, mittlerweile seit fast sechs Monaten. Er darf niemanden außer seiner Familie und dem Anwalt sehen. Vorgeworfen werden Bazarov Verleumdung und moralische Verwerflichkeit. Dass er so lange festgehalten werde, sei eine grobe Verletzung usbekischen Rechts, so Mayorov. Selbst die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte die usbekische Regierung auf, Bazarov freizulassen.
"Dass sie ihn einsperren, ist praktisch ein Angriff auf die Redefreiheit, ganz klar. Und an diesem Beispiel gibt die Regierung eine deutliche Botschaft – wenn du dich so verhältst wie Bazarov, sperren wir dich auch ein."
Auch die polnische Journalistin und Usbekistan-Kennerin Agnieszka Pikulicka sieht nach der anfänglichen Euphorie, die Präsident Mirziyoyev in den ersten Jahren seiner Amtszeit verbreitet hat, eine Tendenz zu erneut stärker werdender staatlicher Kontrolle. Der Bazarov-Fall, über den sie in internationalen Medien berichtet hatte, war für sie eine Zäsur.
"Bis dahin hatten wir gedacht, die liberale Gemeinschaft wächst, Menschen werden sich ihrer Rechte bewusst und wir hatten unseren eigenen Raum innerhalb Usbekistans, um Kunst zu genießen, einen eigenen Lifestyle, Dinge, die wir mögen. Aber als das passierte, merkten wir – Usbekistan ändert sich nicht. Das, was wir gesehen hatten, war eine große Lüge – für ausländische Regierungen, für Investitionen."
SAMARKAND, UZBEKISTAN - OCTOBER 20, 2021: Women walking in a street. Vladimir Smirnov/TASS
Die Reformen des Präsidenten werden von der Gesellschaft oft als positiv wahrgenommen (picture alliance/dpa/TASS | Vladimir Smirnov)
Pikulicka lebt seit drei Jahren in Usbekistan, ist eine der wenigen westlichen Journalistinnen, die von hier berichten. Anfang des Jahres wurde ihr vom Außenministerium die Verlängerung ihrer Akkreditierung verweigert. Weil sie auch als Dozentin an einer Universität arbeitet, darf sie bleiben. Von den Behörden wurde sie immer wieder eingeschüchtert und aufgefordert, positiv über Usbekistan zu berichten. Sie sehe viele positive Veränderungen in der usbekischen Gesellschaft, sagt sie, die seien nicht zurückzudrehen. Aber der Regierungsapparat sei noch immer so repressiv wie früher.

Journalistin: Regierungsapparat noch immer repressiv

"Leute, die glaubten, dass es eine große Veränderung geben wird in Usbekistan, waren naiv. Eine Veränderung ist nicht möglich, wenn die Leute, die bei der Regierung und den Sicherheitskräften arbeiten, die gleichen sind. Man kann den Chef des Geheimdienstes auswechseln, aber nicht die Praktiken. Und das sind exakt die gleichen. Und wir haben gesehen, Folterungen gehen weiter, Einschüchterungen von Regierungskritikern gehen weiter. Es hat nicht mehr das Ausmaß wie früher. Aber das hat nie aufgehört."
Der usbekische Menschenrechtler Shukhrat Ganiyev legt Wert auf ein differenziertes Bild von Mirziyoyevs bisheriger Arbeit. Auch die durchaus sichtbaren positiven Veränderungen müsse man anerkennen.
"Über Usbekistan kann man nicht sagen, es ist entweder schwarz oder weiß. In manchen Punkten haben wir enorme Fortschritte gemacht, in anderen Rückschritte, teils treten wir auf der Stelle. Über Karimov konnte man leicht urteilen, ja, das war die volle Repression, Gläubige wurden verhaftet, auch das stimmt, der Geheimdienst überschritt rote Linien, auch richtig. Aber jetzt kann man das so nicht mehr sagen. Weil man tatsächlich ein Mosaik an Veränderungen sieht."
In seiner nun voraussichtlich anstehenden zweiten Amtszeit wird Shavkat Mirziyoyev zeigen müssen, ob er nur Wert auf wirtschaftliche Entwicklung legt, oder ob er auch demokratischen Werten Raum gibt.