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Vahrenholt: Mehr Ökostrom in 15 Jahren

Der Vorstandsvorsitzende des Windenergieherstellers , Fritz Vahrenholt, forderte Klarheit über die Deckung des zukünftigen Energiebedarfs in Deutschland. In zehn Jahren würden Windenergien die Energieversorgung verbilligen. Dies müsse auch die CDU im Falle eines Regierungswechsels erkennen. Es wäre aber durchaus sinnvoll, Atomkraftwerke noch so lange laufen zu lassen, bis sie von alternativen Energien abgelöst werden.

Von Klaus Remme |
    Remme: Eine Richtungswahl soll es werden, so will es die SPD Glauben machen mit Blick auf den 18. September, wenn wir denn aufgerufen werden, einen neuen Bundestag zu wählen. Und das gilt nicht nur für die Wirtschafts- und Sozialpolitik, es gilt möglicherweise auch für die Energiepolitik. Die Diskussion konzentriert sich zurzeit auf mögliche längere Restlaufzeiten für Atomkraftwerke. Gestern konnten wir Grundsatzreden beobachten, sowohl von Umweltminister Trittin als auch von der CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel. Am Telefon ist jetzt Fritz Vahrenholt, Vorstandsvorsitzender von "Repower-Systems", einem Unternehmen, das mit Windenergie das Geld verdient. Guten Morgen, Herr Vahrenholt.

    Vahrenholt: Guten Morgen.

    Remme: Herr Vahrenholt, Richtungswahl - gilt das Ihrer Meinung nach auch für die Energiepolitik?

    Vahrenholt: Ja, in gewisser Weise schon, weil auf dem Prüfstand zwei Dinge stehen. Zum einen die Frage, wie gehen wir mit der Kernenergie um, aber genauso wichtig auch, wie gehen wir mit den erneuerbaren Energien um. Und was wir insgesamt brauchen, egal welche Regierung es dann macht, ist ein langfristig angelegtes Energieprogramm. Denn die Preise für Öl und Gas werden dramatisch steigen. Schon in der Mitte des nächsten Jahrzehnts, also 2015, werden wir die maximale Ölförderung haben. Das heißt, wir werden nicht mehr in der Lage sein, den Bedarf an Öl zu decken, also müssen wir uns klar werden darüber, wie wir den Energiebedarf in Deutschland befriedigen werden. Aus diesem Grund, glaube ich, ist es Zeit, einen neuen Energiekonsens zu formulieren.

    Remme: Sie sind Vorstandsvorsitzender eines Unternehmens im Windenergiesektor. Können Sie schon absehen, was ein Regierungswechsel für Ihr Unternehmen bedeuten würde?

    Vahrenholt: Ich glaube, dass man beides zusammen sehen muss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man die Laufzeit von Kernkraftwerken verlängert, wofür es durchaus gute Gründe gibt, nämlich angesichts steigender Preise nicht den billigsten Energieträger im Augenblick abzustellen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man das macht und mehr Transporte nach Gorleben durchwinkt. Und auf der anderen Seite einer Zukunftsenergie der erneuerbaren Energien Platz zu machen, so wie das im Augenblick der eine oder andere sich das vorstellt. Denn Energiepolitik hat auch etwas mit Akzeptanz zu tun. Und ich glaube nicht, dass man so kurzsichtig sein kann, denn in zehn Jahren werden Windenergien in Deutschland zu Billigmachern des deutschen Energiemixes. Und deswegen muss man hier Augenmaß besitzen.

    Remme: Auf Länderebene, Herr Vahrenholt, müssen Sie ja längst mit CDU-Ministerpräsidenten klarkommen. Ist die Zusammenarbeit mit der CDU schwieriger, als mit SPD und Grünen?

    Vahrenholt: Sehen Sie, das ist das zweite Argument, dass ich glaube, dass das gar nicht so heiß gegessen wird, wie das der eine oder andere Heißsporn jetzt im Augenblick, insbesondere seitens der FDP, erspielt. Wir haben einen sehr guten Umgang im Augenblick mit der neuen Regierung in Schleswig-Holstein. Zu unserer Überraschung hat Minister Austermann, das ist der Wirtschaftsminister, oder her Carstensen uns gegenüber, "Repower-Systems", deutlich gemacht, dass sie uns sehr viel mehr unterstützen werden, als die Rot-Grüne Landesregierung. Vorher die Grünen haben uns ganz schön viele Schwierigkeiten gemacht bei der Aufstellung von Windkraftanlagen, von unseren großen Fünf-Megabyte-Offshore-Anlagen. Und da kriegen wir eine ganz andere Unterstützung. Also insofern bin ich da gar nicht so pessimistisch, denn es wird jede Regierung erkennen müssen, hier hängen 60.000 Arbeitsplätze dran. Und wir machen uns auf den Weg im Augenblick, auch die Weltmärkte zu erobern mit deutscher Ingenieurskunst. Da kann man keinen Fadenriss aufkommen lassen. Da muss man, glaube ich, diese Wahlkampfstimmung sich ein bisschen setzen lassen. Denn am Ende muss man auch von einer CDU-FDP-Regierung erwarten können, dass sie langfristig erkennt, wohin die Reise geht, und die Reise geht in Richtung erneuerbare Energien.

    Remme: Es bleibt aber dabei, dass der Strom, den Sie mit Wind produzieren, zurzeit noch nicht wettbewerbsfähig ist. Er wird subventioniert. Und wie lange brauchen Sie - aus unternehmerischer Sicht - diese Förderung noch?

    Vahrenholt: Wir brauchen noch etwa fünf bis acht Jahre. Jedes Jahr wird der Strom bei uns etwa vier Prozent billiger. Zwei Prozent müssen wir ja nach dem gegebenen Gesetz besser werden. Das tun wir auch. Die Flügel werden besser, die Maschinen werden effizienter. Unsere Ingenieure tun alles, um die Kosten zu senken. Und dann kommt die Inflationsrate noch drauf. Und wenn wir das noch fünf bis acht Jahre durchhalten, dann sind wir billiger, als Öl, Gas und Uran, denn die werden teurer. Ganz klar werden die teurer - und da spreche ich von einer Verdopplung in den nächsten zehn Jahren. Insofern wäre es absolut unklug, jetzt sozusagen hier die Axt an einen Baum zu setzen, von dem wir noch leben werden.

    Remme: 20 Prozent Ökostrom im Jahr 2020, die Union will dieses Rot-Grüne Fernziel aufgeben. War das jemals realistisch?

    Vahrenholt: Ich glaube, das ist realistisch. Das müssen wir auch erreichen. Alles andere wäre grob fahrlässig. Wir werden abhängig vom persischen Golf, wir werden abhängig vom Gas aus Russland. Und deswegen müssen wir alles daran setzen, eigenständige, heimische Energieträger zu entwickeln. Und wir haben übrigens noch einen. Wir haben die Braunkohle und wir müssen daran setzen, die Braunkohle kohlendioxidfrei zu machen. Dann werden wir auch ein bisschen unabhängiger von den Weltmarkteinflüssen. Ich glaube, jede Regierung, welcher Couleur auch immer, wird das erkennen und deswegen mache ich mir nicht ganz so viele Sorgen, wie das der eine oder andere tut.

    Remme: Herr Vahrenholt, Sie haben eben gesagt, es gibt gute Gründe dafür, die Restlaufzeit der AKWs zu verlängern. Ist das ein Plädoyer?

    Vahrenholt: Wir müssen uns ein bisschen Zeit kaufen. Das glaube ich auch schon vor dem Hintergrund, was ich gerade gesagt habe. Acht Jahre brauchen wir noch, fünf bis acht Jahre, bis wir billiger werden mit Offshore-Windenergie gegenüber den Klassikern. Und in dieser Zeit wäre es sehr unklug, wenn wir Gaskraftwerke, Kohlekraftwerke bauen würden en masse, sondern dann würde ich lieber die stehenden Kernkraftwerke noch fünf bis acht Jahre laufen zu lassen, um dann auch tatsächlich in erneuerbare Energien massiv investieren zu können. Und dass umfasst - um es noch einmal zu sagen - auch dann CO-2 freie Kohlekraftwerke. Also insofern ist das nicht ein Widerspruch. Aber wenn man das macht, dann wird jedes Jahr etwa drei bis vier Milliarden an Einsparungen, an Kostenvergünstigungen bei den Energiekonzernen ankommen, denn die Kernkraftwerke müssen ja nicht ersetzt werden. Und das muss weitergegeben werden an den Kunden. Das muss aber auch weitergegeben werden für ein massives Forschungsprogramm in den Erneuerbaren Energien und für die Förderung derselben.

    Remme: Der Vorstandsvorsitzende von "Repower-Systems", Fritz Vahrenholt, war das. Vielen Dank für das Gespräch.