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Die uralten Tempel von Malta

Es sind die ältesten freistehenden Sakralbauten des Mittelmeerraums: die Tempelanlagen auf den Inseln Malta und Gozo. Vor rund 5000 Jahren wurden sie erbaut. Aber von wem? Noch immer sind nicht alle Geheimnisse gelüftet.

Von Jan-Christoph Kitzler | 26.12.2017
    Blick auf die megalithische Tempelanlage von Ta'Hagrat bei Mgarr auf Malta (undatiert)
    Rund 5000 Jahre alt: die megalithische Tempelanlage von Ta'Hagrat bei Mgarr auf Malta. (dpa / Hermann Wöstmann)
    Auf ihre uralten Tempelanlagen sind die Malteser besonders stolz. Denn sie sind einmalig, ein ganz eigener Beitrag Maltas zur Kultur und Geschichte des Mittelmeerraumes. Es gibt mehrere dieser Anlagen auf den Inseln.
    "Abgesehen von der Periode der Malteser-Ritter war die Zeit der Tempel eine der glanzvollsten der maltesischen Geschichte. Wir nennen sie die Tempel-Periode. Es gibt etwa 25 Tempelanlagen, über ganz Malta verteilt. Einige umfassen gleich drei, vier Gebäudeteile. Gemäuer aus sehr großen Steinen: megalithische Tempel. Abgeleitet von mega, also groß und lithos gleich Stein."
    Manche älter als die ägyptischen Pyramiden
    Es sind die ältesten, freistehenden Sakralbauten des Mittelmeerraums. Manche der Tempelanlagen sind älter als die ältesten ägyptischen Pyramiden. Anthony Bonnano, Professor an der Universität von Malta, ist eigentlich ein klassischer Archäologe, aber auf Malta kommt man um die Megalith-Kultur nicht herum.
    In Ħaġar Qim kann man einen besonders eindrucksvollen Bau besichtigen - viereinhalb- bis fünfeinhalbtausend Jahre alt. Jetzt wird die Anlage mit einem geschwungenen Zeltdacht vor Wind und Wetter geschützt. Die großen Brocken aus grobem Kalkstein sind immer wieder in Halbkreisen zusammengefügt - das sorgt bis heute für Stabilität. Der größte Steinbrocken soll um die 20 Tonnen wiegen. Wie haben es die Menschen damals geschafft, ein solches Gewicht an die richtige Stelle zu bugsieren?
    Viele offene Fragen
    "Wir wissen nicht genau, wie sie das gemacht haben, aber: Viele starke Menschen mussten organisiert zusammenarbeiten, die von einer Elitegruppe angeleitet wurden. Es gab eine Art Standardbauplan."
    Aber noch immer sind viele Fragen offen: Wurden in den Tempeln Vorfahren verehrt oder Gottheiten? Lange hat man zum Beispiel geglaubt, dass nur Riesen solche Anlagen haben bauen können. Das habe zum kulturellen Gedächtnis der Insel gehört, erzählt Nicholas Vella, auch er ist Archäologieprofessor.
    "Sie sind schon lange bekannt - als ein fester Bestandteil der Landschaft. Auch Ortsnamen wir Ġgantija auf Gozo, wo es einen Tempelkomplex gibt, deutet auf die Existenz von Riesen hin. Abela schreibt 1647 in seiner Geschichte Maltas, dass er in seiner Sammlung, einer Art Wunderkammer, Beweise für die Existenz von Riesen im maltesischen Altertum hat."
    "Tempelkultur entsteht nicht aus dem Nichts"
    Dann hatte man die Theorie, die gewaltigen Anlagen könnten ein Erbe der Phönizier sein, die Jahrhunderte vor Christi Geburt eine wichtige Seemacht im Mittelmeer waren. Aber für die Megalith-Tempel von Malta sind die Phoenizier einfach zu jung. Noch immer sind nicht alle Geheimnisse gelüftet, aber viel deutet darauf hin, dass die Tempel-Erbauer von Malta vor allem ganz besondere Menschen waren.
    "Die Tempelkultur entsteht nicht aus dem Nichts. Malta und auch Gozo waren schon 2.000 Jahre vorher besiedelt. Es gab eine Bauerngesellschaft auf den maltesischen Inseln schon lange, bevor diese Tempel entstanden sind. Das ist überraschend, weil es auf Sizilien, der Nachbarinsel, wo die ersten Bauern herkamen, nichts dergleichen gibt. Vermutlich haben also die Tempel-Erbauer etwas nur für diese Insel kreiert. Nirgendwo gibt es etwas Vergleichbares."
    Die Tempel haben die Jahrtausende überdauert – und weil in ihnen auch Skulpturen und allerlei Ornamente gefunden wurden, sind sie der Stolz Maltas. Seit 1992 gehören die Tempel zum UNESCO-Weltkulturerbe - und mussten auch schon für ganz profane politische Zwecke herhalten.
    Nicholas Vella: "Es ist seltsam: Als Malta der Europäischen Union beitreten wollte, schickte die Regierung eine Reihe von Ausstellungen ins Ausland, um unseren Nachbarn die maltesische Geschichte bekannt zu machen. Ein großer Teil bezog sich auf das urgeschichtliche Erbe Maltas. Das ist einzigartig, ein echter Beitrag zur Europäischen Geschichte!"