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Van Ooyen: Linkspartei ist verlässlich

Der Vorsitzende der Fraktion "Die Linke" im hessischen Landtag, Willi van Ooyen, hat SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti eine verlässliche Unterstützung einer von ihr geführten rot-grünen Minderheitsregierung zugesichert. Gleichzeitig forderte van Ooyen das Ende der Überwachung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz.

Willi van Ooyen im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Schulz: Nicht mit demselben Kopf zweimal gegen dieselbe Wand zu laufen, diesen Rat hatte SPD-Parteichef Kurt Beck der hessischen SPD im Frühjahr gegeben. Nun steht offiziell noch nicht fest, ob es einen zweiten Anlauf der Vorsitzenden der Sozialdemokraten in Hessen, Andrea Ypsilanti, geben wird. Nur der Zeitplan steht und danach soll die Entscheidung bis zum Parteitag Anfang Oktober fallen. Es versprechen, abwechslungsreiche Tage zu werden, denn noch etwas steht fest: Nach der Ankündigung der SPD-Abgeordneten Metzger, nicht für Andrea Ypsilanti zu stimmen, gibt es keinen Sicherheitspuffer. Alle Stimmen von rot-rot-grün werden gebraucht. - Am Telefon ist nun der Vorsitzende der Fraktion der Partei "Die Linke" im hessischen Landtag, Willi van Ooyen. Guten Morgen!

    van Ooyen: Guten Morgen!

    Schulz: Herr van Ooyen, was verlangen sie von der SPD für Ihre Stimmen?

    van Ooyen: Wir verlangen, dass man vernünftig jetzt in Abstimmungsverhältnisse kommt, in Gesprächssituationen kommt und sich dann darüber verständigt, was man gemeinsam in der nächsten Etappe anstellen will.

    Schulz: Was bedeutet das inhaltlich?

    van Ooyen: Das betrifft den Haushalt, das betrifft natürlich auch die Gesetzeswerke, die auslaufen, und Initiativen, die wir gemeinsam noch entwickeln wollen.

    Schulz: Wir hören noch mal rein, was Oskar Lafontaine gestern hier im Deutschlandfunk angekündigt hat:

    O-Ton Lafontaine: Der Wechsel in Hessen ist deshalb nicht zu Stande gekommen, weil die SPD ihre Leute nicht bei der Stange hält. Die Linke würde Frau Ypsilanti wählen. Das hat sie immer wieder erklärt. Und ich habe auch keinen Zweifel daran, dass alle Stimmen unserer Landtagsfraktion da sein werden.

    Schulz: Verstehe ich Sie da richtig, dass der Blankoscheck, den Lafontaine der SPD ausgestellt hat, nicht gedeckt ist?

    van Ooyen: Nein. Was die Wahlen angeht, haben wir immer gesagt, dass wir die Regierung Koch ablösen wollen und diese Konsequenzen haben wir im Grunde genommen nicht mehr annähernd wackelnd übertragen auf SPD und Grüne. Wir sind der Meinung, dass man natürlich über die Inhalte reden muss, dass man sich verständigen muss, dass man tatsächlich keine Vabanquespiele eingeht, aber in der inhaltlichen Position gibt es genügend Annäherungsmöglichkeiten, sich über die nächsten Etappen zu verständigen.

    Schulz: Das heißt also, dass die Forderungen, die jetzt übers Wochenende laut wurden, reines Schaulaufen sind?

    van Ooyen: Ich kenne keine Forderungen, die an uns gestellt worden sind, außer dass wir verlässlich sein sollen. Das haben wir in den vergangenen Monaten aber immer unter Beweis gestellt. Wenn wir sagen, das und das tragen wir mit, dann wurde das auch getan.

    Schulz: Ich meine die Forderungen, die Sie gestellt haben. Sie werden aus Interviews von gestern mit den Worten zitiert, Sie erwarteten, dass man Ihnen so viel Vertrauen entgegenbringt, dass die Leute aus dem Verfassungsschutz abgezogen würden, die Sie derzeit überwachen. Was wäre denn, wenn man Ihnen dieses Vertrauen nun nicht entgegenbrächte?

    van Ooyen: Na ja, das wäre dann kein Vertrauen, sondern das ist ja der Ausdruck von Misstrauen. Wir haben gesagt, wir wollen natürlich auf Dauer, dass der Verfassungsschutz abgeschafft wird. Aber der Einstieg könnte ja sein, dass die Überwachung der Linken jetzt auch eingestellt wird, denn das ist ja nicht ein Zeichen von Vertrauen, wenn man uns gleichzeitig überwachen muss.

    Schulz: Das heißt aber gleichzeitig, dass Sie sich schwer tun mit dem klaren Bekenntnis zum Verfassungsschutz, das ja Jürgen Walter, der Stellvertreter Ypsilantis, von Ihnen gefordert hat?

    van Ooyen: Wir haben ein ganz klares Verhältnis zur Verfassung. Das ist der Punkt. Zu Institutionen werden wir nicht immer und ewig Bekenntnisse ablegen.

    Schulz: Ich habe auf der Internetseite des Netzwerks "Marx 21" ein Zitat gefunden, das Janine Wissler, Ihre Stellvertreterin, auch unterstützt. Da heißt es, dass dieses Netzwerk darauf hinarbeite, den Kapitalismus zu überwinden. Gleichzeitig wird klar gestellt, der Kapitalismus könne aber nicht durch Parlamentsabstimmungen überwunden werden. Das Parlament täusche über die realen Machtverhältnisse hinweg. Finden Sie, dass diese Einschätzungen zur parlamentarischen Demokratie passen, die das Grundgesetz vorsieht?

    van Ooyen: Wir wollen natürlich den Verfassungsbogen wieder dahin öffnen, wie er in den Gründerväterzeiten war, und da war das gesellschaftliche Modell oder die ökonomische Befindlichkeit des Systems nicht beschrieben, sondern sehr offen gehalten. Gerade die hessische Verfassung ist ja eine Verfassung, die auch die Verstaatlichung von Großindustrien durchaus vorsieht.

    Schulz: Aber die parlamentarische Demokratie steht nicht zur Disposition?

    van Ooyen: Nein. Die steht nicht zur Disposition. Jedenfalls ist das nicht die Position der Linken insgesamt.

    Schulz: Dann mag das eine missverständliche Formulierung sein. - Lassen Sie uns auf die weiteren Forderungen blicken, die aus der SPD von Parteivize Jürgen Walter gekommen sind. Er verlangt ja auch, so zitiert ihn jedenfalls die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am Wochenende, dass sie sich klar und deutlich vom Unrecht des SED-Regimes und der früheren DDR distanzieren. Wann werden sie das tun?

    van Ooyen: Wir haben im Parlament die Abstimmung über den 17. Juni-Antrag von CDU und SPD ja gemeinsam getragen. Wir gehen nicht davon aus, dass die Frage der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen nicht auch mit Streiks und politischen Aktionen begleitet werden darf.

    Schulz: Trotzdem scheint es ja viele SPD-Abgeordnete zu geben, die diese Distanzierung gerade bei Ihnen vermissen, was ja auch den Hintergrund hat, dass Sie ab Mitte der 80er Jahre Geschäftsführer der Deutschen Friedensunion waren - kurz DFU -, die auch massiv finanziell unterstützt wurde von der DDR. Verstehen Sie diese Einforderung der Distanzierung?

    van Ooyen: So abstrakte Glaubensbekenntnisse, die ahistorischen Charakter haben, werden wir natürlich nicht machen, sondern wir werden uns mit den politischen Vorstellungen der unterschiedlichen Etappen auseinanderzusetzen haben und haben das für Berlin auch sehr grundsätzlich getan, wie die Frage der Aufarbeitung gerade des DDR-Regimes.

    Schulz: Die Einsicht, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei, hat ahistorischen Charakter? Verstehe ich Sie da richtig?

    van Ooyen: Nein. Über historische Etappen und Bewertungen von politischen Prozessen muss man unterschiedlich agieren. Über das Unrechtssystem haben wir ganz breit diskutiert und uns auch verständigt.

    Schulz: Herr van Ooyen, lassen Sie uns noch in die Zukunft blicken. Sollte Andrea Ypsilanti am Ende des Jahres gewählt werden auch mit den Stimmen Ihrer Fraktion, werden Sie dann auch ein zuverlässiger Partner und weiter sozusagen die Duldung schon garantieren können?

    van Ooyen: Über die Dinge, die wir geredet haben, über die wir Absprachen getroffen haben, werden wir das tun. Wir werden keine abstrakte Wohltätigkeitsveranstaltung sein, indem wir jedem und allem zustimmen werden. Wir wollen auch, dass beispielsweise diese parlamentarische Situation, die wir jetzt in Hessen haben, wo das Parlament souveräner agiert, erhalten bleibt und nicht aus der Staatskanzlei sozusagen ein Absegnungsinstrument wird.

    Schulz: Das geben Sie Andrea Ypsilanti auch schriftlich?

    van Ooyen: Das können wir sicher sagen. Das steht in allen unseren Dokumenten aktuell drin.

    Schulz: Die Einschätzungen und Ankündigungen von Willi van Ooyen, dem Fraktionsvorsitzenden der Fraktion der Partei "Die Linke" im hessischen Landtag. Haben Sie vielen Dank.

    van Ooyen: Bitte schön.