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Vatikan-Finanzen
Die Kleriker schlagen zurück

Die katholische Kirche in Deutschland wird von Finanzskandalen erschüttert. Wie zuvor die Vatikanbank. Dort wurden beim Großreinemachen die Kurien-Kleriker durch Nicht-Priester ersetzt. Jetzt wird die Uhr offenbar erneut zurückgedreht. Geistliche geben wieder den Ton an. Das Aus für Laien?

Von Thomas Migge | 08.02.2018
    Papst Franziskus spricht am 25.12.2017 vom Balkon des Petersdoms im Vatikan den Segen "Urbi et Orbi".
    Die vatikaninterne Revolution des Finanzwesens unter Papst Franziskus scheint zu scheitern (AP / Alessandra Tarantino)
    "Ich frage mich immer wieder, auch jetzt, wieso die Reformen, die Papst Franziskus in die Wege leitet, jedes Mal ab einem bestimmten Punkt an Schubkraft verlieren oder aber - trotz vieler schöner Worte - aufgegeben und nie in die Realität umgesetzt werden."
    Der Journalist Gianluigi Nuzzi, Autor verschiedener Enthüllungsbücher zur vatikanischen Finanzpolitik, hatte große Hoffnungen in Papst Franziskus gesetzt - vor allem in Sachen Vatikanbank IOR. Dass sie jetzt wieder überwiegend von katholischen Geistlichen geführt wird, ist für den Vatikanexperten Nuzzi ein Rückschritt in längst vergangen geglaubte Zeiten:
    "Wir müssen vorsichtig sein, auch wenn die meisten Medien lange Zeit berichteten, dass mit Franziskus' IOR-Reform alles besser werde, dass alles fortan transparent ablaufen würde."
    Von 2009 bis heute sind die Präsidenten der IOR keine Geistlichen, sondern Laien. Noch von Papst Benedikt XVI. wurde 2013 Ernst von Freyberg, ein Deutscher, an die Spitze der Vatikanbank gesetzt. Auch er ein Verfechter totaler Transparenz. 2014 musste er gehen. Seinen Platz nahm der Franzose Jean-Baptiste de Franssu ein.
    "Es kam zu bösen Diskussionen im Vatikan"
    Die genauen Hintergründe für das ständige Kommen und Gehen von IOR-Präsidenten seit 2009 konnten nie umfassend geklärt werden. Vor allem von Animositäten seitens hoher Kurienmitglieder ist immer wieder die Rede, denen es gar nicht passt, dass externe Laien allzu genaue Blicke in die vatikanischen IOR-Konten werfen. Der Vatikanjournalist Marco Politi:
    "Es kam zu bösen Diskussionen und Zusammenstößen im Vatikan. Es ging um die Frage, wer wo und wie in Sachen Vatikanbank mitmischen darf - auch in Sachen APSA, die das immense Immobilienvermögen des 'Heiligen Stuhls' verwaltet. Aber schließlich, das ist ja jetzt deutlich geworden, hat sich ein breiter Konsens durchgesetzt."
    Der französische Bankier Jean-Baptiste de Franssu ist Präsident der Vatikanbank
    Noch ist Jean-Baptiste de Franssu Chef der Vatikanbank - als Laie wird er aber zusehends isoliert (Picture Alliance / ANSA / Angelo Carconi)
    Ein Sieg der Geistlichen auf voller Linie. Die drei wichtigsten finanzpolitischen Institutionen des Vatikans, bis auf den Noch-Präsidenten der IOR, sind wieder ausschließlich unter der Kontrolle von Monsignori, Bischöfen und Kardinälen, also von Kurienmitgliedern. Das von Franziskus gegründete Wirtschaftssekretariat, das Finanzberater als externe Fachleute angestellt hatte, wird wieder dominiert von vatikaninternen Mitarbeitern, die dem Staatssekretariat nahestehen.
    Die Mafia, Vatileaks und die Aufräumarbeiten
    Die vatikanische APSA untersteht nun ausschließlich drei Geistlichen. Diese eigentliche Vermögenskasse der Kurie verwaltet Immobilien in Höhe von schätzungsweise fünf Milliarden Euro. Vatikanexperten gehen darüber hinaus davon aus, dass die Kurienmitglieder auch den Einfluss von Jean-Baptiste de Franssu langsam aber sicher aushebeln, der als einziger Laie noch der Vatikanbank vorsteht.
    Der alleinige Einfluss Geistlicher auf die Finanzen des Vatikans - und ihre mangelhafte finanzpolitische Transparenz internationalen Kontrollorganen gegenüber - hatte in den vergangenen Jahrzehnten zu zahlreichen Skandalen geführt. Dass im Zwergstaat des Papstes finanziell einiges im Argen lag, wurde international zunächst in den 1980er-Jahren bekannt. Damals wurde der US-Bischof Paul Marcinkus, Chef der IOR, wegen undurchsichtiger Machenschaften mit einem mafiösen Banker, mit sizilianischen Bossen und einer Geheimloge als korrupt überführt. Der daraus resultierende Zusammenbruch der Mailänder Bank "Banco Ambrosiano" kostete den Vatikan viele Milliarden Lire an Entschädigungsgeldern. Johannes Paul II. und nach ihm Benedikt XVI. begannen mit finanzpolitischen Aufräumarbeiten, hatten damit aber nur wenig Erfolg. Dann kam es 2010 zu den Enthüllungen im so genannten "Vatileaks-Skandal". Der Papst setzte alles dran, um den Kirchenstaat vom Ruf einer finanzpolitischen Bananenrepublik zu befreien.
    Papst Benedikt XVI. winkt am 27.02.2013 im Vatikan in Rom bei der Abfahrt nach der Generalaudienz auf den Petersplatz. Tausende Gläubige haben sich vor dem Petersdom versammelt, um den Pontifex zu verabschieden. Papst Benedikt XVI. hat als erster Papst der Neuzeit seinen Rücktritt erklärt.
    Für Journalist Marco Politi war Papst Benedikt XVI. mit den Folgen des Vatileaks-Skandals überfordert (dpa / picture alliance / Michael Kappeler)
    "Der mutige Rücktritt Ratzingers muss auch vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass er mit den Aufräumarbeiten infolge von 'Vatileaks', also dem Enthüllen geheimer Dokumente, die die Korruption im Vatikan offenlegten, nicht fertig wurde, mit all diesen finanzpolitischen Undurchsichtigkeiten."
    Deshalb, so Politi, habe sich Papst Franziskus gleich nach seiner Wahl als der Mann präsentiert, der mit großem Besen den Laden durchfegen würde. Und der deshalb - zum ersten Mal überhaupt - auch Laienexperten heranzog. Von einer vatikaninternen Revolution war die Rede: neue Geistliche, unterstützt von Laien, sollten Ordnung und Transparenz in die gesamten Vatikanfinanzen bringen.
    Vatikanexperten befürchten, dass ein reines Priesterregiment die altbekannten Übel in Sachen Vatikanfinanzen wiederbelebt: finanzpolitisch undurchsichtige Transaktionen, mangelnde Transparenz und Klüngelwirtschaft.