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VCD: Neuer Bußgeldkatalog ist eine "Mogelpackung"

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat den vom Bundeskabinett beschlossenen Bußgeldkatalog kritisiert. Auch die sogenannten schwachen oder für die Verkehrssicherheit unrelevanten Verstöße wie Falschparken oder geringe Geschwindigkeitsübertretungen müssten mit einer deutlich höheren Strafe geahndet werden, sagte der Verkehrssicherheitsbeauftragte des Verbands, Harald Walsberg.

Moderation: Gerd Breker |
    Jürgen Liminski: Das Autofahren macht immer weniger Spaß. Nicht nur wegen der Spritpreise, sondern auch wegen möglicher Erhöhung der Kfz-Steuer und wegen künftig drastisch höherer Bußgelder bei Verstößen im Straßenverkehr. Die FDP redet von Abzocke, einer Gewohnheit der Großen Koalition, auch die Lobbygruppen der Autofahrer sind empört. Mein Kollege Gerd Breker sprach gestern Abend mit Harald Walsberg vom Verkehrsclub Deutschland. Seine erste Frage war, ob durch solche Maßnahmen der Verkehr denn auch wie von der Politik behauptet tatsächlich sicherer werde.

    Harald Walsberg: Da andere Verstöße untergehen, halten wir diesen Bußgeldentwurf für einen dicken Fisch einer Mogelpackung, der in die Freiheit entlassen wird und vermissen entscheidende Maßnahmen gerade bei den als sogenannten schwachen oder für die Verkehrssicherheit unrelevanten Verstößen. Genau dieses ist ein Kernkritikpunkt, den wir erheben. Ich möchte Ihnen vielleicht ganz kurz mal das Grundprinzip dieses Bußgeldkatalogs erläutern, weil das vielen auch noch unbekannt sein dürfte. Es gibt sozusagen ein Drei-Ebenen-System. Es gibt die ganz starken Verstöße, die ganz spektakulären, die verdoppeln sich ungefähr. Dann gibt es einen mittleren Bereich von Verstößen, die werden lediglich an die Inflation beziehungsweise den Einkommenszuwachs von circa 60 Prozent in den vergangenen 19 Jahren, wo dort eben keine Anpassung geschehen ist, angepasst, angehoben. Und dann gibt es eine dritte Ebene der sogenannten unteren Verwarnungsgeldverstöße, die werden in dem neuesten Entwurf im Gegensatz zum älteren nicht angehoben, in keiner Weise. Zu diesen Verstößen – und jetzt beginnt unsere Kritik – zählen die Geschwindigkeitsübertretungen bis 20 km/h und die Halt- und Parkverstöße, und es ist keineswegs richtig, wie das so häufig auch kolportiert wird, dass Geschwindigkeitsverstöße bis 20 km/h nicht sicherheitsrelevant seien. Deswegen hat auch Norwegen beispielsweise für solche Verstöße ein Bußgeld ab 395 Euro vorgesehen. Bei uns liegt es zwischen 30 und 35 und soll so bleiben. Sie haben da den Faktor 12, Ungarn bis 230 Euro.

    Gerd Breker: Das heißt, Herr Walsberg, im Prinzip sind Sie dafür und bestätigen auch, dass höhere Strafen abschreckend wirken. Sie kritisieren nur, dass an der falschen Stelle nicht angehoben wird.

    Walsberg: Ganz recht. Es gibt viele einschlägige Untersuchungen, die das, was Sie eben gesagt haben, Herr Breker, bestätigen. Wir kritisieren, dass hier eine Zwei-Klassen-Gesellschaft oder ein Zwei-Klassen-Verfolgungssystem kreiert wird unserer Ansicht nach, wo spektakuläre Fälle dann etwas stärker belastet werden, in der Tat, aber andere, die sehr wohl sicherheitsrelevant sind, aus dieser Sicherheitsbetrachtung herausfallen und auch ganz massiv aus dieser Sicherheitsdiskussion herausgenommen werden wollen, unserer Ansicht nach. Es gehören auch die Halt- und Parkverstöße dazu, die sind in hohem Maße sicherheitsrelevant, wenn Sie Sichtbehinderung oder eine Verengung beispielsweise im Straßenprofil haben, kann es zu schwersten Unfällen bis zu Todesfällen auch kommen. Deswegen hat zum Beispiel Norwegen ein Bußgeld von 90 Euro, Irland 80, wir haben von 5 bis 35 Euro!

    Breker: Das Bußgeld, Herr Walsberg, legt der Bund fest in diesem sogenannten Bußgeldkatalog. Die Kontrollen aber müssen die Länder und die Kommunen durchführen, und da ist dann die Kontrolldichte entscheidend. Muss denn auf dem Gebiet nicht mehr geschehen?

    Walsberg: Ja, absolut. Wir können nicht nur immer ein Gebiet betrachten, sondern ganz entscheidend ist das Zusammenspiel der Gebiete, die alle dazu beitragen müssen. Wir kommen ohne ein einziges Gebiet gar nicht aus. Damit würden alle anderen Instrumente wirkungslos. Wir haben einen ganz entscheidenden Mangel in der Kontrolldichte. Die Zeit fehlt, um da weitere Beispiele zu geben, zuletzt ist in Berlin die Kontrolldichte drastisch eingebrochen, auch die Polizeipräsenz ist ganz drastisch eingebrochen wegen der Einsparungen. Bei anderen Kommunen ist es schon lange Zeit. Es fehlt das Personal. Wenn Sie in einer Viertelmillionenstadt zum Beispiel nur zwei Politessen haben, die sich um Halt- und Parkverstöße kümmern, dann reicht das nicht.

    Breker: Wenn man das Ziel, Herr Walsberg, unter 5000 Verkehrstoten zu bleiben – das ist so in etwa die derzeitige Zahl –, muss man dann auch über ein Tempolimit reden?

    Walsberg: Ja, auf jeden Fall, Herr Breker, und ganz kurz zu diesen 5000. Die EU hat das Ziel gesetzt: eine Halbierung von dem Jahr 2000 bis zum Jahr 2010. Wir sind noch deutlich in der Tendenz unterhalb des Angestrebten. Wir brauchen auf jeden Fall nach Ansicht des Verkehrsclubs Deutschland eine deutliche Erniedrigung des Geschwindigkeitsniveaus. Dadurch, dass man, was weltweit einmalig ist, in Deutschland, ohne ins Gefängnis zu kommen im Gegensatz zu Spanien zum Beispiel, schneller als 200 fahren darf, verliert man das Gefühl für die Gefahren der Geschwindigkeit. Und dann kann es ganz schnell passieren, dass man im Ort dann eben auch noch 80 fährt und gar nicht merkt, wie schnell man ist.