Freitag, 19. April 2024

Archiv

VdK-Präsidentin Verena Bentele
"Sport oft nicht zugänglich und nicht barrierefrei"

Der neueste Teilhabebericht der Bundesregierung zeigt, dass mehr als jeder zweite Mensch mit Behinderung nie Sport treibt. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK, sieht im Dlf fehlende Barrierefreiheit der Sportstätten und mangelndes Sportangebot für Menschen mit Behinderung als Hauptgrund.

Verena Bentele im Gespräch mit Marina Schweizer | 01.05.2021
Verena Bentele (l), Präsidentin des Sozialverbandes VdK
Verena Bentele (l), Präsidentin des Sozialverbandes VdK (dpa/ Britta Pedersen)
Der neueste Teilhabebericht der Bundesregierung zeigt eine negative Entwicklung der sportlichen Aktivitäten von Menschen mit Behinderungen auf. Demnach gibt mehr als jeder zweite Mensch mit Behinderung an, keinen Sport zu treiben. Waren es im zweiten Teilhabebericht noch 46 Prozent, sind es diesmal 55 Prozent. Da die veröffentlichten Zahlen von 2017 datieren, schlagen die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch gar nicht zu Buche.
"Wir sehen ganz unterschiedliche Ursachen dafür", sagte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK und ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für Belange von Menschen mit Behinderung im Deutschlandfunk: "Das eine ist, dass Sport oft nicht zugänglich und Sportanlangen nicht barrierefrei sind." Außerdem würde Sport für viele Kinder und Jugendliche mit Behinderung keine Rolle spielen, weil sie in der Schule kaum oder gar keinen Sport haben.
Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbands. 
DBS-Präsident Beucher - "Wir sind Pandemie-Opfer"
Der Behindertensport in Deutschland befindet sich in einer "fürchterlichen Situation", sagte Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes. Viele Mitglieder seien verloren gegangen.

"Dann kommen auch alle, die eigentlich Lust haben"

Bei Menschen mit Behinderung seien die Hemmungen "riesig", sich ein Sportangebot zu suchen oder in den Sportverein zu gehen, sagte Bentele. Hier müssten professionelle Sportangebote den Menschen die Ängste nehmen. "Dann kommen auch alle, die eigentlich Lust haben, aber sich vielleicht nicht trauen."
"Gerade im ländlichen Raum haben wir wenig Angebote", kritisierte die ehemalige Para-Biathletin und Para-Langläuferin. Viel passiere über Ehrenamtliche, deswegen seien Menschen mit Behinderung selber sehr stark gefordert sich zu organisieren. Was den Einstieg in den Sport extrem erschwere. "Damit steht und fällt eben alles", sagte Bentele.
Teilnehmer der Special Olympics National Games beim Weitsprung am 15.06.2010 in Bremen (Symbolbild)
Coronakrise - Schwierige Zeiten für den Behindertensport
Corona hat dem Behindertensport hierzulande zugesetzt. Drei Monate Pause war für viele Aktive und die Vereine im ersten Lockdown eine besondere Herausforderung. Viele Inklusionsprojekte lagen auf Eis.

Aufgrund der Coronakrise droht soziale Spaltung

Bentele forderte die Sportvereine auch auf, sich zu informieren, herauszufinden wo sie finanzielle Unterstützung kriegen könnten, um beispielsweise ihr Vereinsheim barrierefrei umzubauen. Das helfe die Einstiegshürden für Menschen mit Behinderung abzusenken, wenngleich die Antragstellung sehr kompliziert sei, gab Bentele zu bedenken.
Es sei zudem zu befürchten, dass die soziale Spaltung aufgrund der Coronakrise noch erheblich größer werde. Hier sei der Staat gefordert, sagte die Ex-Para-Biathletin und Para-Langläuferin im Dlf.
T54 waehrend der World Para Athletics Championships im Club for People of Determination in Dubai, Vereinigte Arabische Emirate.
Behindertensport in der Coronakrise - „Es sind Existenzen, die daran hängen“
Thomas Abel, Professor für paralympischen Sport, plädiert dafür, in der Coronakrise auf Menschen mit Behinderungen zu schauen. Ihre Situation sei durch die Paralympics-Verschiebung kompliziert.