Rainer B. Schossig: Heute wird in Nürnberg die Elf von Mexiko auf die iranische Fußballnationalmannschaft treffen, und es ist deren erstes WM-Spiel überhaupt. Doch was die Sache so heikel macht: Spitzenvertreter des Mullah-Regimes wollen nach Deutschland reisen dazu. Vom Auswärtigen Amt wurde am vergangenen Freitag nur bestätigt, dass Irans Vizepräsident und Sportbeauftragter, Mohammed Aliabadi, zu diesem WM-Spiel heute erwartet werde. Aliabadi wird sich bis zum 13. Juni in Deutschland aufhalten.
Frage an Michel Friedman, Journalist und ehemals Vizepräsident des Zentralrats der Juden: Herr Friedman, Sie haben in Nürnberg zu Protestaktionen gegen den Iran aufgerufen. Über Sympathieaktionen von Neonazis gleichzeitig und mit Ahmadinedschad ist den Sicherheitskräften nichts bekannt. Die NPD hat in Nürnberg bislang angeblich keine Demonstration angemeldet, und Aliabadi hat ja ein bisher unklares Profil gezeigt. Sie demonstrieren trotzdem.
Michel Friedman: Aliabadi ist der Vizepräsident, also der Stellvertreter von Ahmadinedschad. Ahmadinedschad hat den Holocaust geleugnet, hat zum Völkermord aufgerufen, indem er die Zerstörung Israels verlangt. Er ist ein Präsident, der den Westen verachtet und zerstören will. Und wenn sein Stellvertreter kommt, der ja dann damit auch die Position seines Präsidenten vertritt, dann ist dies ein Skandal, dass die deutsche Bundesregierung ein Visum ausgestellt hat. Es ist unerträglich, dass dieser Politiker in Deutschland ist und an den Spielen teilnimmt. Und spätestens mit seiner Anwesenheit sieht man, dass die Politisierung auch dieses Spiels nicht mehr zu leugnen ist.
Schossig: Und, Herr Friedman, Sie haben ja auch ein breites, politisch angemessenes Spektrum versammelt. Vom bayerischen Innenminister Günther Beckstein über die grüne Bundesvorsitzende Roth bis zu Nürnbergs SPD-Oberbürgermeister Maly. Welche Stoßrichtung haben jetzt diese Proteste?
Friedman: Es muss deutlich gemacht werden, dass es für die zivilisierte Welt, aber vor allen Dingen auch für Deutschland, unerträglich und auch nicht akzeptabel ist, dass ein Präsident eines Staates den Holocaust leugnet, Israel vernichten will, den Frieden in der Welt bedroht mit seiner atomaren Aufrüstung, aber auch im Iran selbst viele Iraner unterdrückt, die einen demokratischen, modernen Staat wollen und der Iran auch ein Staat ist, der den internationalen Terrorismus unterstützt. Dies kann nicht hingenommen werden, dass dies so gemacht wird. Und wir wollen deutlich machen auf dieser Demonstration, dass wir in Deutschland jedenfalls ganz deutlich einen Akzent gegen diese Intoleranz setzen. Rassisten und Antisemiten an der Spitze eines Staates sind unerträglich. Wir bestrafen zu Recht Nazis in Deutschland, die den Holocaust leugnen. Und nur die Tatsache, dass jemand einen Präsidententitel hat, schützt ihn deswegen nicht vor dem, was wir als Strafe, zu Recht wie gesagt, in Deutschland ausüben. Und sollte Ahmadinedschad kommen, werde ich auch persönlich Strafanzeige gegen ihn erstatten.
Schossig:! Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hat vor einer antisemitischen Allianz zwischen deutschen Rechtsextremisten und dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad bei der Fußball-WM gewarnt. Und sie hat in diesem Zusammenhang - auch Sie haben es zweimal jetzt erwähnt - von Opportunismus, oder zumindest drohendem Opportunismus der Bundesregierung gesprochen. Ist das nicht doch ein bisschen starker Tobak, denn wir müssen ja doch zum Beispiel auf die Balance der atomaren Verhandlungen rechnen?
Friedman: Nein, es ist kein starker Tobak. Wir haben nach dem Holocaust und nach dem Dritten Reich in Deutschland gesagt, wehret den Anfängen. Und das was Ahmadinedschad tut und sagt, ist weit über die Anfänge hinaus. Und wenn wir unsere Prinzipien ernst nehmen, dass Rassismus, Antisemitismus und die Unterstützung des Terrorismus von uns verpönt wird, dann müssen wir auch konsequent sein. Wir dürfen nicht aus Angst vor solchen Leuten, mit diesen Leuten eine falsche Diskussionsebene führen. Und dies hat jetzt nichts damit zu tun, dass wir auch gleichzeitig die atomare Bedrohung ernst nehmen. Wir haben, davon bin ich überzeugt, um die innere Glaubwürdigkeit herzustellen, gegenüber Leuten wie Ahmadinedschad einen außerordentlich harten und konsequenten Kurs zu fahren. Wann, wenn nicht mit solchen Politikern, wollen wir Konsequenzen ziehen?
Schossig: Herr Friedman, Sie fordern, dass die Bundesregierung das Katz-und-Maus-Spiel um den möglichen Fußball-WM-Besuch Ahmadinedschads beenden müsse. Worin besteht dieses Katz-und-Maus-Spiel eigentlich?
Friedman: Ahmadinedschad sagt dauernd, vielleicht kommt er, vielleicht kommt er nicht. Die deutsche Bundesregierung muss sagen, ob du kommen willst oder nicht, du hast in Deutschland nichts zu suchen, Einreiseverbot.
Schossig: Ist es wirklich so, dass deutsche Politiker nicht wissen, wie sie auf einen eventuellen hohen iranischen Besuch der Fußball-Weltmeisterschaft reagieren sollen oder ist es nicht vielmehr eher so, dass man versucht, also das Verhandlungsklima mit Iran nicht unnötig zu belasten Ohne jetzt Ahmadinedschad nur eine Brücke bauen zu wollen?
Friedman: Noch einmal. Wir verhandeln mit einem Mann, der den Holocaust leugnet und der den Staat Israel vernichten will. Und ich glaube, dass diese Art von Verhandlung an sich, bereits ein großes Problem ist. Es mag ja sein, dass wir ein Problem haben, mit der atomaren Aufrüstung. Aber auf der anderen Seite haben wir zum Beispiel mit einem Mann wie Gaddafi, zu einer Zeit, als er den Terrorismus unterstützt hat und ebenfalls Israel vernichten wollte, jede Form von Verhandlung unterbrochen. Wir müssen uns bewusst darüber sein, dass die eine Problematik, nämlich dass er uns atomar bedrohen kann, nicht dazu führen darf, dass wir uns in einen Schmusekurs hineinbewegen und uns von ihm das Diktat geben lassen, wie wir uns benehmen sollten. Und ich sage noch einmal: Ich kann mir nicht vorstellen und ich will mir auch nicht vorstellen, dass in Deutschland ein Mann einreisen darf, der Israel vernichten will. Wir machen bei anderen Leuten, wie David Irving, die nicht Staatspräsidenten sind, zu Recht ganz konsequent die Schotten dicht, sagen, solche Leute haben bei uns nichts zu suchen. Und wenn sie zu uns kommen, kommen sie vor ein Strafgericht. Und ich sehe nicht ein, dass nur weil jemand einen Präsidententitel trägt, wir hier eine andere Maßstablichkeit ansetzen sollen.
Schossig: Es ist wirklich eine Horrorvorstellung, Herr Friedman, Sie haben völlig Recht. Präsident Ahmadinedschad reist an zum Achtelfinale, man stelle sich das vor, und was passiert an der Grenze? Rechnen Sie damit - er müsste ja als Holocaust-Gegner sofort festgenommen werden und eingelocht oder abgeschoben - rechnen Sie damit, dass das passieren könnte oder müsste?
Friedman: Ich befürchte, dass das nicht passieren wird. Und Sie haben eben zu Recht etwas angedeutet: Ahmadinedschad ist heute die Symbolfigur der weltweiten Nazibewegung. Und für mich ist Ahmadinedschad der verbale Hitler des 21. Jahrhunderts. Nach 1945 hat es keinen Staatspräsidenten gegeben, der offiziell den Holocaust geleugnet hat und dies mittlerweile zu seiner politischen Staatsdoktrin gemacht hat. Denn er wiederholt dies immer wieder, vor hunderttausenden Iranern, jedenfalls auch die Vernichtung des Staates Israel. Das ist kein Bagatelldelikt mehr. Und wenn wir an diesem Punkt nicht konsequent sein werden, dann glaube ich, dass wir die rote Linie, die er überschritten hat, einfach mit unserem eigenen Verhalten darstellend annehmen werden. Und das dürfen wir nicht. Ich bin sehr froh darüber, dass die Bundeskanzlerin auch immer wieder verbal sehr deutlich sagt, dass das inakzeptabel ist. Ich verlange, dass den Worten Taten folgen.
Schossig: Es ist eine interessante Parallele, vielleicht eine etwas delikate, die ich jetzt ziehe, Herr Friedman. Der Verantwortliche für die Mauerschüsse, Honecker, kam zum Staatsbesuch in die Bundesrepublik. Er wurde sogar von Helmut Kohl empfangen. Vor einem solchen Hintergrund wäre es, wie Sie richtig vorhin andeuteten durchaus möglich, dass Ahmadinedschad nicht einen Staatsbesuch bekommt, aber dass man zumindest vorsichtig ist. Gibt es einen Weg, falls er wirklich so frech wäre, das jetzt zu verwirklichen, ihm das noch im Vorhinein zu versalzen?
Friedman: Ahmadinedschad ist sich natürlich bewusst darüber, dass die Provokation, die er hervorrufen würde, wenn er anwesend wäre, ihm und den fanatischen Anhängern, nicht nur im Iran sondern allen Islamisten, zu einem großen Erfolg führen würde. Wir dürfen diesen Erfolg nicht stattfinden lassen. Ich erwarte von der westlichen Welt, und vor allen Dingen in dem Fall vom Gastgeber Deutschland, dass dieser Mann nicht in der WM erscheinen darf. Man muss sich das einmal vorstellen, was das für ein Signal, auch für die internationale Nazigemeinschaft wäre, dass ein Mann, der deren Ideologie mittlerweile vertritt, ganz entspannt, als wäre nichts geschehen, so tut, als ob er bei einem Fußballspiel ist. In Wirklichkeit steht dahinter ein viel größeres Symbol, nämlich dass wir nicht in der Lage sind, unsere eigenen Werte und Prinzipien zu vertreten. Und ich sage es dann doch deutlich, aus Opportunismus und Angst. Denn natürlich haben wir nicht nur Angst vor einer atomaren Bewaffnung des Irans. Wir haben auch Angst davor, dass der Iran mit seinen Ölreserven uns erpressen kann. Wir haben auch Angst, dass die wirtschaftlichen Beziehungen darunter leiden. Aus diesem Opportunismus dürfen wir unsere Prinzipien, die wir nach dem Dritten Reich mit viel Arbeit aufgebaut haben, nicht untergehen lassen.
Schossig: Flagge zeigen also gegen Ahmadinedschad. Das war der Journalist und ehemals Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, über die für heute geplanten Protestveranstaltungen anlässlich des WM-Spiels Mexiko-Iran. Vielen Dank.
Friedman: Einen schönen Tag noch.
Frage an Michel Friedman, Journalist und ehemals Vizepräsident des Zentralrats der Juden: Herr Friedman, Sie haben in Nürnberg zu Protestaktionen gegen den Iran aufgerufen. Über Sympathieaktionen von Neonazis gleichzeitig und mit Ahmadinedschad ist den Sicherheitskräften nichts bekannt. Die NPD hat in Nürnberg bislang angeblich keine Demonstration angemeldet, und Aliabadi hat ja ein bisher unklares Profil gezeigt. Sie demonstrieren trotzdem.
Michel Friedman: Aliabadi ist der Vizepräsident, also der Stellvertreter von Ahmadinedschad. Ahmadinedschad hat den Holocaust geleugnet, hat zum Völkermord aufgerufen, indem er die Zerstörung Israels verlangt. Er ist ein Präsident, der den Westen verachtet und zerstören will. Und wenn sein Stellvertreter kommt, der ja dann damit auch die Position seines Präsidenten vertritt, dann ist dies ein Skandal, dass die deutsche Bundesregierung ein Visum ausgestellt hat. Es ist unerträglich, dass dieser Politiker in Deutschland ist und an den Spielen teilnimmt. Und spätestens mit seiner Anwesenheit sieht man, dass die Politisierung auch dieses Spiels nicht mehr zu leugnen ist.
Schossig: Und, Herr Friedman, Sie haben ja auch ein breites, politisch angemessenes Spektrum versammelt. Vom bayerischen Innenminister Günther Beckstein über die grüne Bundesvorsitzende Roth bis zu Nürnbergs SPD-Oberbürgermeister Maly. Welche Stoßrichtung haben jetzt diese Proteste?
Friedman: Es muss deutlich gemacht werden, dass es für die zivilisierte Welt, aber vor allen Dingen auch für Deutschland, unerträglich und auch nicht akzeptabel ist, dass ein Präsident eines Staates den Holocaust leugnet, Israel vernichten will, den Frieden in der Welt bedroht mit seiner atomaren Aufrüstung, aber auch im Iran selbst viele Iraner unterdrückt, die einen demokratischen, modernen Staat wollen und der Iran auch ein Staat ist, der den internationalen Terrorismus unterstützt. Dies kann nicht hingenommen werden, dass dies so gemacht wird. Und wir wollen deutlich machen auf dieser Demonstration, dass wir in Deutschland jedenfalls ganz deutlich einen Akzent gegen diese Intoleranz setzen. Rassisten und Antisemiten an der Spitze eines Staates sind unerträglich. Wir bestrafen zu Recht Nazis in Deutschland, die den Holocaust leugnen. Und nur die Tatsache, dass jemand einen Präsidententitel hat, schützt ihn deswegen nicht vor dem, was wir als Strafe, zu Recht wie gesagt, in Deutschland ausüben. Und sollte Ahmadinedschad kommen, werde ich auch persönlich Strafanzeige gegen ihn erstatten.
Schossig:! Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hat vor einer antisemitischen Allianz zwischen deutschen Rechtsextremisten und dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad bei der Fußball-WM gewarnt. Und sie hat in diesem Zusammenhang - auch Sie haben es zweimal jetzt erwähnt - von Opportunismus, oder zumindest drohendem Opportunismus der Bundesregierung gesprochen. Ist das nicht doch ein bisschen starker Tobak, denn wir müssen ja doch zum Beispiel auf die Balance der atomaren Verhandlungen rechnen?
Friedman: Nein, es ist kein starker Tobak. Wir haben nach dem Holocaust und nach dem Dritten Reich in Deutschland gesagt, wehret den Anfängen. Und das was Ahmadinedschad tut und sagt, ist weit über die Anfänge hinaus. Und wenn wir unsere Prinzipien ernst nehmen, dass Rassismus, Antisemitismus und die Unterstützung des Terrorismus von uns verpönt wird, dann müssen wir auch konsequent sein. Wir dürfen nicht aus Angst vor solchen Leuten, mit diesen Leuten eine falsche Diskussionsebene führen. Und dies hat jetzt nichts damit zu tun, dass wir auch gleichzeitig die atomare Bedrohung ernst nehmen. Wir haben, davon bin ich überzeugt, um die innere Glaubwürdigkeit herzustellen, gegenüber Leuten wie Ahmadinedschad einen außerordentlich harten und konsequenten Kurs zu fahren. Wann, wenn nicht mit solchen Politikern, wollen wir Konsequenzen ziehen?
Schossig: Herr Friedman, Sie fordern, dass die Bundesregierung das Katz-und-Maus-Spiel um den möglichen Fußball-WM-Besuch Ahmadinedschads beenden müsse. Worin besteht dieses Katz-und-Maus-Spiel eigentlich?
Friedman: Ahmadinedschad sagt dauernd, vielleicht kommt er, vielleicht kommt er nicht. Die deutsche Bundesregierung muss sagen, ob du kommen willst oder nicht, du hast in Deutschland nichts zu suchen, Einreiseverbot.
Schossig: Ist es wirklich so, dass deutsche Politiker nicht wissen, wie sie auf einen eventuellen hohen iranischen Besuch der Fußball-Weltmeisterschaft reagieren sollen oder ist es nicht vielmehr eher so, dass man versucht, also das Verhandlungsklima mit Iran nicht unnötig zu belasten Ohne jetzt Ahmadinedschad nur eine Brücke bauen zu wollen?
Friedman: Noch einmal. Wir verhandeln mit einem Mann, der den Holocaust leugnet und der den Staat Israel vernichten will. Und ich glaube, dass diese Art von Verhandlung an sich, bereits ein großes Problem ist. Es mag ja sein, dass wir ein Problem haben, mit der atomaren Aufrüstung. Aber auf der anderen Seite haben wir zum Beispiel mit einem Mann wie Gaddafi, zu einer Zeit, als er den Terrorismus unterstützt hat und ebenfalls Israel vernichten wollte, jede Form von Verhandlung unterbrochen. Wir müssen uns bewusst darüber sein, dass die eine Problematik, nämlich dass er uns atomar bedrohen kann, nicht dazu führen darf, dass wir uns in einen Schmusekurs hineinbewegen und uns von ihm das Diktat geben lassen, wie wir uns benehmen sollten. Und ich sage noch einmal: Ich kann mir nicht vorstellen und ich will mir auch nicht vorstellen, dass in Deutschland ein Mann einreisen darf, der Israel vernichten will. Wir machen bei anderen Leuten, wie David Irving, die nicht Staatspräsidenten sind, zu Recht ganz konsequent die Schotten dicht, sagen, solche Leute haben bei uns nichts zu suchen. Und wenn sie zu uns kommen, kommen sie vor ein Strafgericht. Und ich sehe nicht ein, dass nur weil jemand einen Präsidententitel trägt, wir hier eine andere Maßstablichkeit ansetzen sollen.
Schossig: Es ist wirklich eine Horrorvorstellung, Herr Friedman, Sie haben völlig Recht. Präsident Ahmadinedschad reist an zum Achtelfinale, man stelle sich das vor, und was passiert an der Grenze? Rechnen Sie damit - er müsste ja als Holocaust-Gegner sofort festgenommen werden und eingelocht oder abgeschoben - rechnen Sie damit, dass das passieren könnte oder müsste?
Friedman: Ich befürchte, dass das nicht passieren wird. Und Sie haben eben zu Recht etwas angedeutet: Ahmadinedschad ist heute die Symbolfigur der weltweiten Nazibewegung. Und für mich ist Ahmadinedschad der verbale Hitler des 21. Jahrhunderts. Nach 1945 hat es keinen Staatspräsidenten gegeben, der offiziell den Holocaust geleugnet hat und dies mittlerweile zu seiner politischen Staatsdoktrin gemacht hat. Denn er wiederholt dies immer wieder, vor hunderttausenden Iranern, jedenfalls auch die Vernichtung des Staates Israel. Das ist kein Bagatelldelikt mehr. Und wenn wir an diesem Punkt nicht konsequent sein werden, dann glaube ich, dass wir die rote Linie, die er überschritten hat, einfach mit unserem eigenen Verhalten darstellend annehmen werden. Und das dürfen wir nicht. Ich bin sehr froh darüber, dass die Bundeskanzlerin auch immer wieder verbal sehr deutlich sagt, dass das inakzeptabel ist. Ich verlange, dass den Worten Taten folgen.
Schossig: Es ist eine interessante Parallele, vielleicht eine etwas delikate, die ich jetzt ziehe, Herr Friedman. Der Verantwortliche für die Mauerschüsse, Honecker, kam zum Staatsbesuch in die Bundesrepublik. Er wurde sogar von Helmut Kohl empfangen. Vor einem solchen Hintergrund wäre es, wie Sie richtig vorhin andeuteten durchaus möglich, dass Ahmadinedschad nicht einen Staatsbesuch bekommt, aber dass man zumindest vorsichtig ist. Gibt es einen Weg, falls er wirklich so frech wäre, das jetzt zu verwirklichen, ihm das noch im Vorhinein zu versalzen?
Friedman: Ahmadinedschad ist sich natürlich bewusst darüber, dass die Provokation, die er hervorrufen würde, wenn er anwesend wäre, ihm und den fanatischen Anhängern, nicht nur im Iran sondern allen Islamisten, zu einem großen Erfolg führen würde. Wir dürfen diesen Erfolg nicht stattfinden lassen. Ich erwarte von der westlichen Welt, und vor allen Dingen in dem Fall vom Gastgeber Deutschland, dass dieser Mann nicht in der WM erscheinen darf. Man muss sich das einmal vorstellen, was das für ein Signal, auch für die internationale Nazigemeinschaft wäre, dass ein Mann, der deren Ideologie mittlerweile vertritt, ganz entspannt, als wäre nichts geschehen, so tut, als ob er bei einem Fußballspiel ist. In Wirklichkeit steht dahinter ein viel größeres Symbol, nämlich dass wir nicht in der Lage sind, unsere eigenen Werte und Prinzipien zu vertreten. Und ich sage es dann doch deutlich, aus Opportunismus und Angst. Denn natürlich haben wir nicht nur Angst vor einer atomaren Bewaffnung des Irans. Wir haben auch Angst davor, dass der Iran mit seinen Ölreserven uns erpressen kann. Wir haben auch Angst, dass die wirtschaftlichen Beziehungen darunter leiden. Aus diesem Opportunismus dürfen wir unsere Prinzipien, die wir nach dem Dritten Reich mit viel Arbeit aufgebaut haben, nicht untergehen lassen.
Schossig: Flagge zeigen also gegen Ahmadinedschad. Das war der Journalist und ehemals Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, über die für heute geplanten Protestveranstaltungen anlässlich des WM-Spiels Mexiko-Iran. Vielen Dank.
Friedman: Einen schönen Tag noch.
