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Verbot der Tiermehlverfütterung

Nutz: BSE, Rinderwahnsinn, über die Verunsicherung der Verbraucher haben wir ausführlich berichtet. Nun kommen andere Unsicherheiten dazu. Zum einen wird das Verbot, Tiermehl weiter zu verfüttern, nicht heute, sondern voraussichtlich erst ab Samstag gelten. Zum anderen bahn sich ein Streit zwischen Bund und Ländern an, wer für die Kosten der Kadaververbrennung aufkommt, aber auch eben für andere teuere Konsequenzen dieses Verbots. Zu beiden Themen gibt es Fragen, die wir nun stellen wollen. Bündnis 90/Die Grünen hatten auf einer Eilverordnung bestanden, die eigentlich heute wirksam werden sollte, sind gestern aber in der Bundesfraktion davon abgerückt. Dafür, so hieß es plötzlich, fehle die juristische Grundlage. Am Telefon ist nun Renate Künast, Parteichefin von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Morgen! Künast: Guten Morgen Frau Nutz.

    Nutz: Frau Künast, hat den Grünen in der Fraktion und auch der Grünen-Gesundheitsministerin bis gestern die Übersicht gefehlt?

    Künast: Nein. Nach unserer Auffassung hätte es rechtlich eine Eilverordnung geben können. Das hat sich dann aber am Ende auf eines reduziert. Auch eine Eilverordnung muss in einem Bundesanzeiger veröffentlicht werden, während Gesetze ja in ein Gesetzes- und Verordnungsblatt müssen. Dieser Bundesanzeiger wäre dann am Freitag erschienen, was bedeutet hätte, dass wir uns am Ende in eine Diskussion begeben hätten, ob am Freitag oder am Samstag, weil es dann machbar ist, ein Gesetzes- und Verordnungsblatt für das Gesetz als Sonderaufgabe hinzubekommen. Um einen Tag streiten wir uns hier an der Stelle nicht, weil das wichtigste an der ganzen Sache ist doch eines, dass jetzt endlich ein Einstieg darin gemacht wird, Tiere artgerecht zu halten. Daran hängt ja eine ganze Menge von Gefahren, und wie wir jetzt sehen an der Weise der nicht artgerechten Fütterung möglicherweise BSE.

    Nutz: Das hinterlässt aber doch auch einen fatalen Eindruck vom Krisenmanagement, denn immerhin geht es ja nicht nur um eine Veröffentlichung im Gesetzesblatt, sondern es ginge bei einer Eilverordnung - deswegen diese juristische Grundlage - auch um mögliche Schadensersatzfolgen, die dann auf den Bund zugekommen wären. Die Übersicht war doch nicht ganz da?

    Künast: Wenn es um die Situation der Landwirte geht, werden Sie Schadensersatzforderungen gleichermaßen haben, egal ob das ganze ab Freitag oder ab Samstag gilt. Ich sage Ihnen aber, die Juristen sehen an der Stelle sehr klar, dass auf Grund einer so hohen Gefährdung die Bauern selber daran interessiert sind, ihr Image am Ende nicht weiter zu verschärfen. Wegen einer so hohen Gefährdung werden sie, egal ob es jetzt ab Freitag oder Samstag gilt, der Politik bei beiden Maßnahmen Recht geben müssen. Ich sage Ihnen, die Verbraucher wissen eines auch: Die Industrie hat gesagt, sie werden bereits vor Gesetzeskraft aufhören, Tiermehl an der Stelle zu verkaufen. Das ist glaube ich das wichtigste und nicht der eine Tag. Im übrigen sage ich Ihnen, das Thema gibt es seit vielen Jahren. Ich habe mich gerade auch über die Äußerung von Herrn Seehofer sehr geärgert. Das ist schon ein unglaublicher Populismus. Ich weis, dass es noch Mitte der 90er Jahre die CDU/CSU-Regierung war, die in Europa dafür gesorgt hat, dass die damalige Bundesregierung immer mit nein gestimmt hat. Sie hat so getan, als gebe es BSE und Creutzfeld-Jakob gar nicht. Sie hat sich auch noch in der letzten Zeit gesperrt. Nun haben wir es endlich. Das mit dem Tiermehl hört auf und die Verbraucher wissen jetzt: diese ganze alte Debatte, die auch wir Grünen geführt haben, artgerechte Haltung, artgerechte Fütterung, wo wir alle wissen, wenn die alle beieinander auf der Stange stehen, auch die Hühner, sind die natürlich ständig dabei, sich gegenseitig anzustecken, darin hängen eine ganze Menge Gefahren.

    Nutz: Dennoch gibt es rot/grün seit zwei Jahren und das Tiermehlfütterverbot besteht eigentlich schon seit 1994. Warum ist auch eine grüne Gesundheitsministerin jetzt erst so aktiv geworden und warum klappt das nicht mit der Verständigung mit dem Landwirtschaftsminister?

    Künast: Der Landwirtschaftsminister ist auch dazu da, die Interessen der Landwirte zu vertreten. Das hat er natürlich auch getan. Die grüne Ministerin hat schon seit langer Zeit die Frage der Verfütterung von Tiermehl auch auf der europäischen Ebene angegangen, sage ich Ihnen. Jetzt bin ich aber auch nicht mehr bereit zu sagen, warum hat was wie bei wem so lange gedauert. Wir haben uns stets dafür eingesetzt und jetzt, sage ich Ihnen, wollen die Verbraucher nicht die Vorführung dessen, wer wie schnell war, sondern jetzt steht das Ding auf dem Tisch. Die Verbraucher selber waren ja auch unsicher bei der Frage, welches Fleisch essen wir. Diese 30 Prozent, die jetzt beispielsweise Rindfleisch nicht mehr essen wollen, die haben sich jetzt ja auch erst in der letzten Zeit so umgesetzt. Wir haben uns immer für den Verbraucherschutz bemüht. Jetzt wollen aber alle wissen, was los ist. Deshalb ist eines jetzt wichtig: artgerechte Fütterung, artgerechte Haltung muss jetzt ein breites Thema sein. Wir müssen vor allen Dingen jetzt die Tests verfeinern. Im Augenblick ist es ja so, dass sie nur feststellen können, ob ein Tier positiv die Krankheit hat. Das reicht uns nicht, sondern jetzt muss auch Geld darin gesteckt werden, dass alle Tiere darauf untersucht werden können, ob sie infiziert sind, also noch keinen Ausbruch der Krankheit haben. Jetzt muss die Verbrauchersicherheit erhöht werden, möglichst viele Tests. Dann brauchen sie auch die Kapazitäten dazu. Was positiv ist: heute treffen sich die Bundesgesundheitsministerin und die entsprechenden Länderminister am späten Vormittag. Dann geht es ganz klar um den jetzt nächsten wichtigen Punkt: wie können die Kapazitäten des Bundes und der Länder für Tests ganz massiv ausgebaut werden.

    Nutz: Auf diesen Punkt wollen wir gleich auch noch kommen, weil Sachsen-Anhalt mit der Beschaffung der Tests einige Probleme hat. Wenn nun, Frau Künast, Landwirtschaftsminister Funke ein Grüner wäre, wäre er längst zurückgetreten?

    Künast: Das ist lustig; damit habe ich fast gerechnet. Ich sage Ihnen, der Landwirtschaftsminister hat sich auch für Sicherheit eingesetzt. Ich würde Ihnen lieber die Frage zurückgeben: Kann man eigentlich einem, der vorher Gesundheitsminister war, zum Beispiel Herrn Seehofer, nachträglich den Rücktritt nahe legen? Jemand der in Europa eindeutig mit nein gestimmt hat, sollte sich wirklich genau überlegen, ob er der richtige ist, solche Forderungen in die Welt zu setzen. Ich sage Ihnen: machen wir doch gleich einmal den Test bei der CDU. Es geht nicht nur um BSE. Es geht zum Beispiel bei den Tieren auch um Antibiotika im Futter wegen der schlechten Haltung. Die stehen so eng; wenn einer krank ist sind alle krank. Wenn die Antibiotika im Tierfutter haben, kommt das in die Nahrungsmittelkette. Das heißt Sie und alle Hörerinnen und Hörer essen es auch und wundern sich nachher, wenn Medikamente, die sie aufgrund von Krankheiten nehmen müssen, nicht mehr anschlagen. Warum? Weil sie alle schon regelmäßig Antibiotika übers Fleisch essen. Also bitte schön! Hier ist der nächste Test, wo man wirklich Menschen, die mal krank werden, heute schon schützen kann. Darüber würde ich jetzt gerne ernsthaft reden.

    Nutz: Renate Künast, Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, zum Krisenmanagement in Sachen BSE. Herzlichen Dank! Wir kommen zum Geld. Eine Milliarde Mark jährlich, so sagt Bundeslandwirtschaftsminister Funke, kostet allein die Entsorgung von Tierkadavern, die nicht mehr zu Tiermehl verarbeitet werden dürfen. Es gibt dann aber auch weitere Kosten, und dafür streiten Länder, Gemeinden und der Bund. So sieht es im Augenblick aus. Am Telefon begrüße ich Konrad Keller, den Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt. Auch Ihnen einen guten Morgen!

    Keller: Guten Morgen Frau Nutz.

    Nutz: Herr Keller, bleiben wir zunächst beim Tiermehl und dem kommenden Verbot. Wie viel von der genannten Milliarde jährlich müsste das Land Sachsen-Anhalt auf sich nehmen?

    Keller: Lassen Sie mich erst einmal vorweg schicken, dass ich sage: das Tiermehlverbot muss kommen! Ich habe heute Morgen gehört, dass Herr Sonnleitner schon wieder gesagt hat, das sei überzogen. Das ist völlig falsch. Es gibt nach wie vor Gefährdungen der Verschleppung, der Vermischung und ähnlicher Dinge, selbst wenn man das versucht zu trennen. Menschliches Versagen ist nie ausgeschlossen. Deshalb muss es kommen. Das ist der eine Punkt. Wir müssen die Verbraucher schützen. Der andere Punkt ist natürlich, dass im Bund jetzt innerhalb von ein paar Tagen gehandelt wird und man insgesamt die Folgen nicht genau bedacht hat, wie man denn die Kosten verteilt. Das ist häufig so, dass Schnellschüsse gemacht werden, und hinterher streiten sich Bund, Länder und Gemeinden über die Kosten.

    Nutz: Herr Keller, geben Sie uns doch mal eine Vorstellung. Der Bundeslandwirtschaftsminister sagt eine Milliarde jährlich. Was bedeutet das für Sachsen-Anhalt, dass man nur einmal eine Vorstellung hat?

    Keller: Es verdoppeln sich bei uns mit Sicherheit die Kosten für die Landkreise, die bei uns dafür zuständig sind, die Tierkörper zu beseitigen. Das geht rapide in die Höhe. Die stöhnen jetzt schon über die Kosten. Das wird von 6 auf 12 Millionen für die Landkreise steigen, und die sind bei uns nicht sehr reich. Zweitens sind die Entsorgungskosten für die Tiere bisher überhaupt nicht klar. Die Tierkörperbeseitigungsanstalten werden ja weiter Tiermehl produzieren. Das fällt jeden Tag an. Wir wissen gar nicht, ob wir das deponieren können. Wir wissen nicht, ob wir das und wo wir das im Moment verbrennen können. Das sind erhebliche Kosten, die dort entstehen und von denen noch keiner weis, wer sie trägt. Drittens sind es die Kosten für die Schlachtindustrie. Klar ist, dass der Bund jetzt nicht sagen kann, das müssen die Länder beziehungsweise die Gemeinden tragen, sondern wir müssen uns sehr deutlich darüber unterhalten, dass die Qualität, die ja mit einem solchen Schritt verbunden ist, eben weder zu Lasten der Landwirte gehen kann, die jetzt schon Probleme haben, mit dem Kostendruck fertig zu werden, der aus dieser gesamten Krise kommt, noch dass es auf der öffentlichen Hand landen muss, sondern im Endeffekt müssen die Verbraucher dafür, dass sie die Qualität haben wollen, dann auch zahlen. Es kann nicht angehen, dass sie billig Fleisch kaufen wollen, aber auf der anderen Seite fordern, dass das Fleisch sozusagen mit dem höchsten Standard hergestellt ist, was zwar sein muss, aber das muss man dann auch entsprechend bezahlen. Man ist ja auch bereit, für Autos das entsprechende Geld auszugeben.

    Nutz: Andere Länderkollegen würden gerne haben, dass die Europäische Union und der Bund sich die Kosten teilten. Trifft das Ihre Einstellung?

    Keller: Natürlich muss die Europäische Union mit in die Verantwortung gehen, insbesondere für die Kosten der Tests, die ja auf uns zukommen. Das ist ein weiterer Punkt. Es wird ja eine Rechtsgrundlage der Europäischen Union geben, das spätestens ab Mitte nächsten Jahres für alle Schlachtkörper zu machen. Wenn die Europäische Union das anordnet, dann muss sie auch mit in die Pflicht zum Zahlen. Der Bund muss nach meiner Einschätzung auch mit in die Zahlungspflicht, weil er uns sozusagen die rechtliche Grundlage auferlegt. Wir müssen uns zumindest über eine Kostenverteilung unterhalten. Es kann nicht angehen, dass das wirklich nur bei den Ländern landet. Das ist jetzt einmal unabhängig von diesem Thema in der letzten Zeit immer der Fall gewesen, denken Sie an die Entfernungspauschale. Das muss zumindest abgesprochen werden, denn wir haben unsere Haushalte auch aufgestellt und können nicht von einem Tag auf den anderen nun hier eine Explosion der Kosten verkraften.

    Nutz: Herr Keller, einmal Hand aufs Herz: Am Freitag soll das Gesetz in den Bundesrat. Könnten Sie sich vorstellen, wenn sich keine Einigung findet, dass die Länder blockieren?

    Keller: Ich kann das natürlich nicht völlig ausschließen, sage ich mal. Das ist noch nicht abgestimmt. Der Gesetzentwurf liegt uns seit gestern vor. Wir müssen als Länder natürlich dazu Stellung nehmen. Wir haben das aber gestern schon im Kabinett thematisiert. Ich habe darüber auch schon mit anderen Kollegen gesprochen. Wir hatten das gleiche Thema im übrigen bei der Tierkennzeichnung. Da wollte der Bund uns auch die Kosten einfach so auferlegen. Das ganze Verfahren ist dann in den Vermittlungsausschuss gegangen. Ich denke, man sollte in diesem Falle davon lernen und wenigstens vorher darüber reden und nicht einfach in das Vorblatt schreiben, dem Bund entstehen keine Kosten. Für die Länder und für die Gemeinden entstehen erhebliche Kosten. Das steht nämlich drin. Da ist es auch ein Gebot der bundesstaatlichen Fairness, hier im Vorfeld diese Frage noch einmal zu erörtern.

    Nutz: Konrad Keller, SPD-Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt und heute Morgen Gast im Deutschlandfunk. - Herr Keller, wir bedanken uns für dieses Gespräch.

    Link: (Klaus Müller (Grüne)==>/cgi-bin/es/neu-interview/846.html)

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