"OK, wir sind hier am Zusammenfluss zwischen Rio Solimões und Rio Negro, ab hier Richtung Osten nennt sich der Fluss Amazonas."
Florian Wittmann hat gerade den Hafen von Manaus in Brasilien verlassen. Ziel ist ein alter Seitenarm des Amazonas. Der Geograph in Diensten des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie forscht an den Überlebensstrategien von Bäumen.
"Etwa 30 Prozent des gesamten Amazonasbeckens sind Feuchtgebiete, da haben wir natürlich zum einen diese periodisch überschwemmten Bereiche, wo wir von einem Flutpuls sprechen - also eine Hochwasserphase, eine Niedrigwasserphase im Jahr – , aber es gibt natürlich auch andere Überflutungsbereiche, wie zum Beispiel die permanenten Sumpfwälder oder kleinere, periodisch überflutete entlang der hunderttausenden von kleinen Bächen."
Der Regenwald in Amazonien ist für seine Vielfalt berühmt. Florian Wittmann und seine Kollegen haben hier in den vergangenen Jahren weit mehr als 1000 Baumarten aufgenommen. Vor allem interessiert den deutschen Forscher, wie einige dieser Spezies die Überflutungen tolerieren. Dabei geht es nicht nur um einige Bäume, sondern um ganze Wälder, die regelmäßig im Wasser stehen.
"Die geschlossene Waldgrenze etabliert sich bei etwa 7,5 Metern Überflutung, das entspricht einer Überschwemmungsdauer der Wurzeln im Jahr der Bäume von etwa 230 bis zu 250 Tagen im Jahr."
Der Wasserspiegel hier in Zentralamazonien verzeichnet enorme Schwankungen, die Amplitude liegt zum Teil bei zwölf Metern. Überschwemmte Bäume müssen daher hart im Nehmen sein. Wittmann:
"Das bedeutet einfach, dass während der Hochwasserphase die Wurzeln ein Sauerstoffproblem haben, dass zuwenig Sauerstoff vorhanden ist, um die Pumpe des Stoffwechsels, also den Wassertransport und Nährstofftransport in der Pflanze aufrechtzuerhalten, zudem sind natürlich viele Blätter überschwemmt, das heißt die sind dann auch völlig abgeschnitten vom Licht. Das heißt also, diese Keimlinge dieser Bäume überdauern komplette Dunkelheit und Sauerstoffreduzierung über sieben, acht Monate im Jahr und müssen deshalb natürlich diese speziellen Anpassungen haben."
Photosynthese können die Bäume während dieses so genannten physiologischen Winters nicht betreiben. Die Anpassungen sind zahlreich.
"Bekannt sind morphologische Anpassungen, zum Beispiel die Ausbildung von Luftwurzeln, Adventivwurzeln, die Ausbildung von Lentizellen im Stamm, die ermöglichen eben einen Stoffwechseltransport zwischen Stamm und Atmosphäre auch unabhängig der Wurzeln."
Auch andere Anpassungen, etwa auf chemischem Niveau, konnten Florian Wittmann und seine Kollegen nachweisen, wie zum Beispiel die erhöhte Konzentration von Antioxidantien: dann sorgen unter anderem Vitamin E oder C in Blättern und Früchten dafür, dass die Bäume den Fluten trotzen. Dennoch blieb eine der Hauptfragen bislang unbeantwortet.
"Was genau der Trigger ist oder der Marker, der die Bäume mehr oder weniger wissen lässt, dass die nächste Überflutung mit Sicherheit kommt, ist eigentlich unbekannt."
Klar ist nur, dass die Bäume die nächste Überflutung erahnen können. Dann fahren sie blitzschnell ihren Stoffwechsel herunter. Genauso schnell müssen sie bei sinkenden Wasserständen reagieren. Denn oft bleiben ihnen nur wenige Wochen, um zu wachsen, Früchte und Samen zu bilden, um in diesem kleinen Zeitfenster das Überleben ihrer Art zu sichern.
Hinweis: Am kommenden Sonntag, 6. Januar, 16:30 Uhr, strahlt der Deutschlandfunk in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" ein Feature zur Umweltforschung im Amazonas-Gebiet aus.
Florian Wittmann hat gerade den Hafen von Manaus in Brasilien verlassen. Ziel ist ein alter Seitenarm des Amazonas. Der Geograph in Diensten des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie forscht an den Überlebensstrategien von Bäumen.
"Etwa 30 Prozent des gesamten Amazonasbeckens sind Feuchtgebiete, da haben wir natürlich zum einen diese periodisch überschwemmten Bereiche, wo wir von einem Flutpuls sprechen - also eine Hochwasserphase, eine Niedrigwasserphase im Jahr – , aber es gibt natürlich auch andere Überflutungsbereiche, wie zum Beispiel die permanenten Sumpfwälder oder kleinere, periodisch überflutete entlang der hunderttausenden von kleinen Bächen."
Der Regenwald in Amazonien ist für seine Vielfalt berühmt. Florian Wittmann und seine Kollegen haben hier in den vergangenen Jahren weit mehr als 1000 Baumarten aufgenommen. Vor allem interessiert den deutschen Forscher, wie einige dieser Spezies die Überflutungen tolerieren. Dabei geht es nicht nur um einige Bäume, sondern um ganze Wälder, die regelmäßig im Wasser stehen.
"Die geschlossene Waldgrenze etabliert sich bei etwa 7,5 Metern Überflutung, das entspricht einer Überschwemmungsdauer der Wurzeln im Jahr der Bäume von etwa 230 bis zu 250 Tagen im Jahr."
Der Wasserspiegel hier in Zentralamazonien verzeichnet enorme Schwankungen, die Amplitude liegt zum Teil bei zwölf Metern. Überschwemmte Bäume müssen daher hart im Nehmen sein. Wittmann:
"Das bedeutet einfach, dass während der Hochwasserphase die Wurzeln ein Sauerstoffproblem haben, dass zuwenig Sauerstoff vorhanden ist, um die Pumpe des Stoffwechsels, also den Wassertransport und Nährstofftransport in der Pflanze aufrechtzuerhalten, zudem sind natürlich viele Blätter überschwemmt, das heißt die sind dann auch völlig abgeschnitten vom Licht. Das heißt also, diese Keimlinge dieser Bäume überdauern komplette Dunkelheit und Sauerstoffreduzierung über sieben, acht Monate im Jahr und müssen deshalb natürlich diese speziellen Anpassungen haben."
Photosynthese können die Bäume während dieses so genannten physiologischen Winters nicht betreiben. Die Anpassungen sind zahlreich.
"Bekannt sind morphologische Anpassungen, zum Beispiel die Ausbildung von Luftwurzeln, Adventivwurzeln, die Ausbildung von Lentizellen im Stamm, die ermöglichen eben einen Stoffwechseltransport zwischen Stamm und Atmosphäre auch unabhängig der Wurzeln."
Auch andere Anpassungen, etwa auf chemischem Niveau, konnten Florian Wittmann und seine Kollegen nachweisen, wie zum Beispiel die erhöhte Konzentration von Antioxidantien: dann sorgen unter anderem Vitamin E oder C in Blättern und Früchten dafür, dass die Bäume den Fluten trotzen. Dennoch blieb eine der Hauptfragen bislang unbeantwortet.
"Was genau der Trigger ist oder der Marker, der die Bäume mehr oder weniger wissen lässt, dass die nächste Überflutung mit Sicherheit kommt, ist eigentlich unbekannt."
Klar ist nur, dass die Bäume die nächste Überflutung erahnen können. Dann fahren sie blitzschnell ihren Stoffwechsel herunter. Genauso schnell müssen sie bei sinkenden Wasserständen reagieren. Denn oft bleiben ihnen nur wenige Wochen, um zu wachsen, Früchte und Samen zu bilden, um in diesem kleinen Zeitfenster das Überleben ihrer Art zu sichern.
Hinweis: Am kommenden Sonntag, 6. Januar, 16:30 Uhr, strahlt der Deutschlandfunk in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" ein Feature zur Umweltforschung im Amazonas-Gebiet aus.