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Vereinte Nationen als Forum für Klimadebatte

Winrich Kühne, Direktor des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze in Berlin, misst der bevorstehenden UN-Klimakonferenz in erster Linie symbolische Bedeutung bei. Letztendlich komme es beim Klimaschutz auf die harten bilateralen Verhandlungen an, sagte er.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Es ist die Woche der UNO-Vollversammlung in New York, das Stelldichein der Staatschefs und Außenminister, die Bühne für zahlreiche Themen in der internationalen Agenda. Aber nicht nur das: bereits heute wird sich eine UNO-Konferenz speziell und gesondert mit der Klimapolitik beschäftigen, während sich in Washington der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit Heimatschutzminister Chertoff trifft, um über die Abwehr von Terrorgefahren zu sprechen. Gegen Ende der Woche dann eine weitere Klimakonferenz in der amerikanischen Hauptstadt. Hauptreisezeit für die Bundesregierung. (MP3-Audio, Bericht von Sabine Adler)

    Die Vereinten Nationen in dieser Woche im Blickpunkt der Politik, und über die gegenwärtige Rolle der UNO möchte ich nun sprechen mit Winrich Kühne. Er leitet das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze in Berlin, beschäftigt sich unter anderem mit der Reform und der Politik der UNO, auch mit der deutschen UNO-Politik. Guten Tag Herr Kühne.

    Winfried Kühne: Guten Tag!

    Klein: Klimakonferenz heute gesondert in New York, vor der Vollversammlung noch. Schafft es die UNO, mit diesem Thema ihre Bedeutung zurückzuerlangen, die sie nach Auffassung vieler in anderen Bereichen eingebüßt hat?

    Kühne: Man muss einmal sagen, ich glaube, diese Auffassung ist nur bedingt richtig, wenn man sieht welche Rolle die UNO im Bereich Friedenseinsätze spielt. Inzwischen geht sie mit über 100.000 Blauhelmen einem neuen Höhepunkt entgegen. Die Amerikaner wollen, dass sie im Irak tätig sind. Also ich würde dem nur eingeschränkt zustimmen. Aber das Klimathema ist sicherlich ein Thema, das Ban Ki Moon an die UNO herangezogen hat, weil es natürlich in den nächsten Jahren bestimmend sein wird. Und er will, dass die UNO dort ein Mitspieler ist.

    Klein: Also diese ungewöhnliche politische Konjunktur des Themas Klimapolitik, Klimaschutz zugleich auch eine Chance für die Vereinten Nationen?

    Kühne: Symbolisch ja. Man muss allerdings vorsichtig sein. Wir haben ja die Erfahrung der Millennium-Ziele hinter uns, also das Jahr 2005 zum 50-jährigen Jubiläum, und diese Ziele sind ja leider nur sehr bedingt umgesetzt worden. Auf der Ebene der UNO können diese Dinge eigentlich nur symbolisch vorangetrieben werden. Es kommt dann auf die harten bilateralen Verhandlungen an und die Verhandlungen in anderen multilateralen Gremien. Das hat man ja auch schon beim Tokio-Protokoll gesehen.

    Klein: Sie sprechen selbst davon, dass die UNO im Grunde genommen vor allen Dingen eine symbolische Bedeutung hat. Inwiefern ist dieses Instrument dann geeignet und wichtig, um den Klimaschutz jetzt voranzubringen?

    Kühne: Na ja, Symbolik ist ja wichtig, weil: Gerade das Thema Klima muss ja in weiten Teilen der Welt, das ist ja doch anders als in Deutschland, denken Sie an China, Indien, die ganzen Entwicklungsländer, für die das ja überhaupt nicht diese Priorität hat, für die hat Entwicklung Priorität, überhaupt erst mal in seiner Bedeutung klar gemacht werden, auch in seiner globalen Bedeutung, in seiner historischen Bedeutung. Dazu kann die UNO natürlich als Forum einen Beitrag leisten.

    Klein: Welchen Beitrag?

    Kühne: Den Beitrag einfach des Bewusstseinswandels, auch dafür zu sorgen, dass das Thema auf der Tagesordnung bleibt, und dann natürlich auch von den Staaten auf konkreten Foren weiter abgehandelt wird. So hat sich sicher das auch Frau Merkel vorgestellt.

    Klein: Bei Konfliktfeldern wie etwa dem Kosovo oder dem Iran, um nur zwei Beispiele zu nennen, macht das, was da im Augenblick passiert auf der Ebene der Vereinten Nationen, nicht wirklich Hoffnung, denn ein Instrument, um diese Konflikte zu lösen, war es bisher nicht. Zumindest haben wir noch keine Ergebnisse. Der Iran wird in dieser Woche wieder Gegenstand intensiver Verhandlungen sein in New York. Präsident Ahmadinedschad bekommt gewaltige Öffentlichkeit, wenn er vor der UNO-Vollversammlung spricht. Was wird Ihrer Meinung nach die UNO in dieser Hinsicht leisten können in den kommenden Tagen?

    Kühne: Auch hier gilt: Die UNO ist ein Forum, aber die wirklichen Iran-Verhandlungen - und Ähnliches gilt ja auch für den Irak - finden ja nicht in der UNO statt, sondern werden von den Amerikanern in bestimmten Gremien oder in bestimmten Konstellationen betrieben genauso wie im Falle Nordkorea auch. Aber wir dürfen nicht vergessen: Da ist das Thema Darfur, wo die UNO im Moment gerade eine Anstrengung macht, den größten Friedenseinsatz aller Zeiten zu starten, was sehr schwierig sein wird. Es ist überhaupt das Thema Friedensprozess Sudan, Kongo und andere. Also es sind eher diese Gebiete als die nuklearen Themen, die traditionell eigentlich keine Hauptthemen der UNO sind.

    Klein: Aber sehen Sie denn bezüglich Iran, um dabei noch mal kurz zu bleiben, wohin die Reise da gehen wird in den kommenden Tagen? Also Frage: Wird es zu einer Verschärfung der Sanktionen etwa kommen?

    Kühne: Nur sehr bedingt, weil da wie gesagt ja zwei ständige Mitglieder, nämlich China und Russland, nicht oder nur sehr bedingt mitspielen. Das Thema Iran ist so schwierig und so langwierig, dass man da keinesfalls kurzfristige Erfolge erwarten kann auch nicht durch eine UNO-Sitzung, die wie gesagt eher symbolische Bedeutung hat.

    Klein: Herr Kühne, von den Reformprozessen innerhalb der Vereinten Nationen ist im Moment nicht sehr häufig die Rede. Welche sind denn eigentlich noch im Gange?

    Kühne: Es findet eine Reform statt, die man leider mit sehr geteilter Meinung sehen kann. Ich sehe sie eher kritisch wie viele andere auch. Das ist sozusagen die Teilung der Peacekeeping-Abteilung in zwei große Abteilungen, was von vielen als nicht funktional gesehen wird. Ich will das hier nicht im Einzelnen ausführen. Das muss man eher skeptisch betrachten. Dann gibt es ja die bekannte Peacebuilding-Kommission, die von Kofi Annan ins Leben gerufen worden ist. Die erfüllt wohl die Erwartungen auch nicht ganz. Das ist eher ein etwas mühseliger bürokratischer Prozess. Aber es ist sicher zu früh, da jetzt ein Endurteil zu machen. Dazu ist diese Einrichtung zu jung. Das Thema Sicherheitsratsreform steht zwar nicht vorne an, auch wenn man sich das von deutscher Seite natürlich zum Teil wünscht, aber es ist auch nicht weg. Der gegenwärtige neue Präsident der Generalversammlung hat dazu wohl gewisse Vorstellungen, aber auch hier wird es keine rasanten Durchbrüche geben.

    Klein: Aber man hat schon den richtigen Eindruck, dass das alles ein wenig ins Stocken geraten ist. Sehen Sie denn von irgendwoher Perspektiven, dass das wieder in Gang kommen könnte?

    Kühne: Im Moment nur sehr bedingt. Das liegt allerdings weniger an der UNO, als dass die Mitgliedsstaaten und auch die ständigen Mitglieder sich im Moment alle sehr blockieren und eigentlich der Wille zum größeren Wurf hier fehlt, sondern da wird in vielen Einzelproblemen, auch schwierigen Einzelproblemen rumgewerkelt. Aber der Wille zum großen Wurf und zum Durchbruch zum Beispiel bei der Sicherheitsratsreform oder meinetwegen auch Klimafrage, das scheint mir gegenwärtig nicht wahrscheinlich.

    Klein: Und das Grundsatzproblem, Herr Kühne, dass das Gremium, vor allem der Sicherheitsrat, eben nicht mehr die Struktur der heutigen Welt widerspiegelt, bleibt ja bestehen, auch dass Diktatoren weltweit ein gehöriges Wort bei der UNO, bei UNO-Entscheidungen mitzureden haben. Sehen Sie da in absehbarer Zeit, dass sich irgendwas daran etwas ändern könnte?

    Kühne: Nicht dramatisch. Die Welt ist so, wie sie ist, und die UNO ist ein Ausdruck dieser Welt und nicht der große Weltveränderer. Also ich sehe gegenwärtig da überall nur bedingte Fortschrittsmöglichkeiten. Wie gesagt, das heißt nicht, dass die UNO nicht trotzdem sehr wichtige Aufgaben im Bereich Krisenprävention, Friedenseinsätze und so weiter erfüllt, aber die dramatischen Durchbrüche, das scheint im Moment nicht der historische Moment zu sein.

    Klein: Und wir brauchen ein Gremium, in dem eben auch viele, viele Diktatoren dieser Welt vertreten sind?

    Kühne: Ja. Im Moment sind Staaten noch die Realität dieser Welt. Die internationale Gemeinschaft ist ein schönes Wort, ist aber nicht die Realität, sondern die Realität sind Staaten und multilaterale Einrichtungen, die sich alle mehr oder weniger schwer tun voranzugehen.

    Klein: Ein Wort noch zur deutschen Rolle, zur deutschen UNO-Politik. Welche Chancen räumen Sie den Bestrebungen ein, einen Sitz im Weltsicherheitsrat zu erlangen?

    Kühne: Das ist ein sehr langfristiges Thema. Wie gesagt, es ist nicht tot, es ist vielleicht auch nicht ganz so tot wie viele denken, aber im Moment sieht man nicht, dass die Amerikaner, und darauf käme es an, sagen, wir wollen das. Es geht ja auch gar nicht nur um Deutschland, es geht ja auch um Indien, Brasilien, Japan und andere Staaten und Mächte, die da hinein wollen. Es müsste praktisch von amerikanischer Seite eine Führung übernommen werden, um das voranzutreiben. Und den Willen sieht man gegenwärtig nicht, auch was Deutschland betrifft nicht.

    Klein: Vielen Dank. Winrich Kühne war das vom Zentrum für Internationale Friedenseinsätze in Berlin. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Kühne.

    Kühne: Auf Wiederhören!