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Verfassungsreferendum in Italien
Die Kernpunkte der Abstimmung

Das Verfassungsreferendum am kommenden Wochenende ist längst zu einer Abstimmung über die Zukunft von Ministerpräsident Renzi geworden. Dabei gerät schnell aus dem Blick, um was es in der Sache eigentlich geht. Die Kernpunkte im Überblick.

Von Jan-Christoph Kitzler | 29.11.2016
    Ein Demonstrant hält einen Schriftzug "NO" hoch.
    Demonstranten fordern, am kommenden Sonntag in der Volksbefragung gegen die Verfassungsänderungen zu stimmen. (Massimo Percossi, picture alliance / dpa)
    Es geht um weitaus mehr als ein einfaches "si" oder "no". Fast 51 Millionen wahlberechtigte Italiener entscheiden über die größte Reform der Verfassung in ihrer rund 69jährigen Geschichte. 46 von 139 Artikeln sollen umgeschrieben werden und nur die wenigsten Wähler haben wohl einen Überblick, worüber sie am Sonntag genau abstimmen.
    Kern der Reform: Die Entmachtung des Senats
    Kern der Reform ist die Entmachtung der zweiten Kammer des Italienischen Parlaments. Bisher haben die 315 gewählten und fünf ernannten Senatoren genau die gleichen Rechte wie die 620 Mitglieder der Abgeordnetenkammer. Das hat bisher dazu geführt, dass Gesetze zwischen beiden Kammern immer wieder so lange hin und her geschoben wurden, bis von einer Reform nichts mehr übrig blieb. Langsam, entscheidungsunfähig und zu teuer sei dieses "perfekte Zweikammersystem", sagen die Kritiker.
    Deshalb sollen nur noch 100 Senatoren übrig bleiben, die aus den Regionen entsandt werden. Mit vielen Fragen, wie zum Beispiel dem Haushalt oder mit Vertrauensabstimmungen über die Regierung, soll sich der Senat in Zukunft nicht mehr befassen, sondern muss unter anderem nur noch bei Verfassungsänderungen oder europäischen Verträgen seine Zustimmung geben. So soll Italien reformierbarer werden. Matteo Renzi, der Ministerpräsident, sagt deshalb: Die Verfassungsreform ist erst der Anfang, nicht das Ende. Kritiker befürchten hingegen ein weniger an Demokratie, weil es weniger gewählte Abgeordnete gibt und auch weil die Abgeordnetenkammer nach dem gültigen Wahlrecht mit einem Bonussystem zusammengesetzt wird, das zwar den Wahlsieger stärkt und so für stabile Mehrheiten sorgt, aber den Wählerwillen verfälscht.
    Mehr Kompetenzen für den Zentralstaat
    Außerdem soll mit dem Referendum die Verwaltungsebene der Provinzen abgeschafft werden, die mit den deutschen Landkreisen vergleichbar sind. Der Zentralstaat bekäme mehr Kompetenzen, die Regionen hätten künftig weniger. Wer ein Referendum auf den Weg bringen will, muss in Zukunft dafür mehr Unterschriften sammeln als bisher. Außerdem wird der CNEL abgeschafft, der Nationale Rat für Wirtschaft und Arbeit, der zwar seit seinem Bestehen hunderte Millionen gekostet hat, dessen Sinn sich aber auch Fachleuten nicht erschließt und der unter den staatlichen Institutionen den Status eines teuren Treppenwitzes hat.