Christian Schütte: Computer von Terrorverdächtigen heimlich überwachen, die Teilnahme an so genannten Terror-Camps unter Strafe stellen, ein prüfenderer Blick auf Deutsche, die zum Islam übertreten, womöglich sogar eine Art Melderegister für Konvertiten, kurzum schärfere Sicherheitsgesetze. Darüber reden heute auch die Innenminister von Bund und Ländern. Anlass für die Sondersitzung die Festnahme dreier Männer, die offensichtlich einen Sprengstoffanschlag in Deutschland vorbereitet haben.
Am Telefon ist nun der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg, Johannes Schmalzl. Guten Morgen!
Johannes Schmalzl: Schönen guten Morgen aus Stuttgart!
Schütte: Über 300 Ermittler waren monatelang auf die drei Männer angesetzt, um sie an ihrem möglicherweise verheerenden Attentat zu hindern. Das hat geklappt. Die Fahnder hätten die Lage jederzeit im Griff gehabt. Ist der Einsatz tatsächlich ohne Risiko abgelaufen?
Schmalzl: Das war einer der schwierigsten Einsätze für die Polizei, und man muss hier noch einmal den Hut ziehen vor der Leistung der Polizeibeamten, die auch im Hintergrund tätig sind, die keine Orden in der Öffentlichkeit bekommen. Die Nachrichtendienste waren ebenfalls involviert. Es war am Anfang ein nachrichtendienstlicher Sachverhalt. Über weitere Details reden wir bekanntermaßen nicht. Aber es hat sich schon in einer sehr, sehr frühen Phase gezeigt, welche hohe Gewaltbereitschaft hier im Spiel ist, welche Konspirativität hier im Spiel ist, und das war für mich auch der Anlass, schon in einer sehr, sehr frühen Phase insbesondere beim Bund darauf zu drängen, diesen Fall in dieser frühen Phase, was nicht der Normalfall ist, an die Polizei auch abzugeben, denn man muss immer wieder darauf hinweisen: Es kann hier Zwischenfälle geben, die den Zugriff erfordern, und nach dem Trennungsgebot dürfen die Nachrichtendienste in Deutschland eben nicht zugreifen. Sie haben keine exekutiven Befugnisse.
Schütte: Vor dem Zugriff soll sich ein Begleiter der Festgenommenen, soll sich möglicherweise einer ihrer Helfer abgesetzt haben, soll untergetaucht sein. So ist heute in Zeitungen zu lesen. Ist die Terrorzelle also doch noch nicht zerschlagen?
Schmalzl: Das werden die weiteren Ermittlungen zeigen. Wir haben hier großes Vertrauen in die aufwendige Ermittlungsarbeit des Bundeskriminalamtes gemeinsam mit allen Sicherheitsbehörden der Länder und auch des Bundes. Also das werden die weiteren Ermittlungen zeigen müssen. Man kann allerdings in der Tat davon ausgehen - und Staatssekretär Hanning hat ja zurecht darauf hingewiesen -, dass hier mehrere Personen noch im Spiel sind und einige auch im Ausland sich aufhalten. Der Auslandsaufenthalt ist eben kein Ausnahmefall. Er ist häufig schon fast der Regelfall. Man ist mehrere Monate im Ausland, und hier sind wir natürlich auch bei der Frage nach den Terrorcamps.
Schütte: Darauf möchte ich gleich noch mal zurückkommen. Zunächst einmal: Es wird ein neues Terrorvideo von Osama Bin Laden angekündigt. Ist das ein Anzeichen für eine neue Sicherheitsbedrohung?
Schmalzl: Nein. Die Sicherheitslage ist nach wie vor ernst. Das wissen alle Beteiligten. Unsere oder die gemeinsame Aufgabe der Sicherheitsbehörden ist es, darauf hinzuweisen, dass besondere Wachsamkeit erforderlich ist. Die Sicherheitslage im Jahr 2007 ist nicht vergleichbar mit der im Jahr 1997 vor zehn Jahren. Wir müssen dem Rechnung tragen.
Grund für Panik besteht nicht. Da wird auch ein Video von Osama Bin Laden nichts ändern. Bekanntlich leben Totgesagte länger. Man wird gespannt sein. Es gibt ja Hinweise auch vom Site Institut aus den Vereinigten Staaten von gestern Abend, die darauf hindeuten könnten, dass Bin Laden bester Gesundheit sei. Das wird man abzuwarten haben und sorgfältig zu analysieren haben. Es zeigt allerdings, dass wir nicht nachlassen dürfen in der Wachsamkeit gerade rund um den 11. September.
Schütte: Einer der am Dienstag Festgenommenen stammt aus Ulm. Dort gibt es das Islamische Informationszentrum, das von Experten eingeschätzt wird als - ich formuliere das jetzt einmal zugespitzt - als Brutstätte des Islamismus. Welche Möglichkeiten haben Sie als Verfassungsschutz, hier zu ermitteln? Wie weit hinein reicht da Ihr Arm?
Schmalzl: Mir ist immer wichtig, dass wir differenzieren zwischen Islam, Islamismus und dem gewaltbereiten Islamismus, den wir als Dschihadismus bezeichnen. Wenn wir uns intensiv und mit einem gewaltigen Polizeiaufgebot einem Sachverhalt des Dschihadismus widmen, dann dürfen wir nicht verkennen, dass es die tägliche Arbeit der Nachrichtendienste ist in diesem Land, sich mit den über 30.000 Islamisten in Deutschland auseinanderzusetzen und die Strukturen dort aufzuklären. Das sind 30.000 Menschen, die aufgrund ihrer Mitgliedschaft in islamistischen extremistischen Organisationen einen anderen Staat wollen, die mit unserem Grundgesetz nichts am Hut haben.
Und in Ulm ist es in der Tat so, dass dort besonders auffällig geworden ist, dass man Ende der 90er Jahre, Anfang des neuen Jahrhunderts einen charismatischen Führer hatte, der es geschafft hat, seine verheerenden Botschaften, wo der bewaffnete Kampf notwendiger Bestandteil des Islam ist, an junge Muslime - seien es Konvertiten oder reislamisierte Jugendliche - zu transportieren und diese zu radikalisieren.
Schütte: Das heißt eine gewisse Gefahr, die von dort aus diesem Informationszentrum ausgeht, ist Ihnen bekannt gewesen. Jetzt ist ja nicht nur in Ulm, sondern man sagt auch im benachbarten Neu-Ulm sei ein Knotenpunkt der Islamistenszene. Dort gab es das Multikulturhaus. Aber das hat die zuständige Stelle in Bayern schließen lassen. Dort hat man also reagiert. Was haben Sie denn dem Innenministerium in Baden-Württemberg empfohlen mit Blick auf Ulm und auf das Informationszentrum dort?
Schmalzl: Das Multikulturhaus in Neu-Ulm ist von seiner Dimension her nicht vergleichbar gewesen mit dem Islamischen Informationszentrum. Das wird alleine schon an der Größe des Objektes deutlich, wenn man sich das genau anschaut. Das Verbot des Multikulturhauses in Neu-Ulm durch den bayerischen Staatsminister des Innern Ende 2005 war absolut richtig, und das war ja auch am Schluss rechtskräftig. Es hat die Szene stark verunsichert. Die Szene ist noch stark verunsichert. Es laufen aktuell Ermittlungen gegen das Islamische Informationszentrum, und diese Ermittlungen sind abzuwarten. Am Ende muss entschieden werden, ob man verbietet. Viele wissen nicht, dass wir eben aufgrund der Konvertiten und auch aufgrund von naturalisierten jungen Muslimen, die deutsche Staatsangehörige geworden sind - wir haben inzwischen eine Anspruchseinbürgerung auch -, dass wir dort Deutsche im Vorstand haben. Und sie können einen Verein mit deutschen Vorstandsmitgliedern nur unter den schweren Voraussetzungen, die das Vereinsgesetz - ein Bundesgesetz - formuliert, verbieten lassen. Und das muss am Schluss wasserdicht sein.
Es hilft uns alles nichts, wenn wir in einen Aktionismus verfallen und am Schluss vor dem Gericht auf die Nase fallen. Das stärkt nur die Szene. Wir haben einen Schuss, und der muss sitzen.
Schütte: Haben Sie denn vom Gesetzgeber her ausreichend Spielraum für nötige Ermittlungen?
Schmalzl: Ich denke ja, aber mir ist es als Praktiker wichtig auch im Interesse der hoch motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen deutschen Sicherheitsbehörden, die alles tun, damit diese Republik vor Terroranschlägen verschont bleibt: Wir brauchen generell auch anlassunabhängig das nötige Personal und das nötige Geld, um diese schwierige Arbeit bewerkstelligen zu können. Da brauchen wir nicht zu jammern. Das wissen aber die verantwortlichen Innenminister, die heute auch in Berlin zusammenkommen.
Schütte: Haben Sie das Gefühl, dass die Politik Sie da ein bisschen im Stich lässt?
Schmalzl: Nein, absolut nicht. Ich kann mich in Baden-Württemberg - und nur für Baden-Württemberg kann ich reden - überhaupt nicht beklagen. Wir haben frühzeitig Islamwissenschaftler hier im Landesamt für Verfassungsschutz angestellt. Ich habe jetzt zusätzliches Personal bekommen für den Aufbau eines Observationstrupps - im Übrigen schon Anfang 2006 beschlossen durch den Koalitionsvertrag dort - gerade zur Beobachtung islamistischer Strukturen. Wir bauen gerade unsere Kapazitäten im Bereich Internet weiter aus, bauen ein Internet-Kompetenzzentrum auf. Wir waren hier von Anfang an sehr, sehr weit. Das ist auch in der Republik bekannt, dass Baden-Württemberg hier sehr früh gut aufgestellt war.
Ich kann mich nicht beklagen. Ich habe höchstes Vertrauen bei mir in die Politik, dass wir die Unterstützung bekommen. Mit "wir" möchte ich jetzt auch die Polizei einschließen. Natürlich entzieht sich niemand dem notwendigen Druck des Stellenabbaus in den Ländern. Auch in Baden-Württemberg wurde im Verfassungsschutz in den 90er Jahren 20 Prozent Personal abgebaut. Aber immer dann, wenn wir die Ressourcen benötigt haben, dann haben wir sie bekommen. Eine andere Frage sind die gesetzlichen Lücken.
Schütte: Würde Ihnen eine Online-Durchsuchung entscheidend helfen bei der Fahndungsarbeit?
Schmalzl: Da bin ich der falsche Ansprechpartner. Im Übrigen beschäftigt sich die Politik damit intensiv. Es geht zunächst mal um die strafprozessualen Möglichkeiten. Die Regelung im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz wird ja vor dem Bundesverfassungsgericht behandelt. Auch ich bin gespannt, wie hier das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hat.
Mir ist wichtiger, dass man auch auf die Lücken im materiellen Strafrecht schaut, die auch der derzeitige Fall zum Ausdruck gebracht hat.
Schütte: Der Zugriff auf Computer scheint auch zum Fahndungserfolg bei den drei Sprengstoffbastlern geführt zu haben. Wer hat denn deren Computer überwacht?
Schmalzl: Das sind Ermittlungseinzelheiten, und ich glaube, sie haben alle Verständnis dafür, dass wir nicht durchatmen nach dem Motto "Das war es gewesen - jetzt können wir alles offenbaren". Nein, wir sind nach wie vor im Einsatz. Wir haben 230 Ermittlungsverfahren bundesweit mit islamistischem Bezug, mit Terrorbezug, davon 109, die beim Bundeskriminalamt geführt werden, worauf der BKA-Präsident Ziercke auch zurecht hingewiesen hat. Wir wollen unsere Ermittlungsansätze, besonders die der Polizei, nicht preis geben. Damit wäre der Sicherheit in diesem Lande nicht gedient.
Schütte: Sie haben sich dafür ausgesprochen - noch kurz zum Schluss -, der Aufenthalt in einem Terrorcamp müsse strafrechtlich verfolgt werden können. Damit stehen Sie nicht alleine da. Günther Beckstein hat dies ebenfalls gefordert. Viele Juristen bezweifeln allerdings, ob das so einfach umzusetzen ist.
Schmalzl: Wir haben derzeit in der Tat den Sachverhalt, dass wir Rückkehrer aus Terrorcamps haben, die sogar selbst gesagt haben, sie waren in einem Terrorcamp, das vielleicht auch eingeräumt haben, und wir können das nicht bestrafen, weil es als solches noch nicht reicht für den berühmten Paragrafen 129a, also für den Nachweis der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Dann behilft sich die Praxis, die strafrichterliche Praxis oder die staatsanwaltschaftliche Praxis, mit Hilfskrücken - Verzeihung, wenn ich das so sage -, die sich nur versteckt im Strafgesetzbuch finden. Das ist fast schon eine Verzweiflungstat. Ich glaube, dass wir in der Tat heran müssen und auch den Aufenthalt in einem Terrorcamp, besonders dann, wenn er durch weitere objektive Kriterien nachgewiesen werden kann wie das Herunterladen von Sprengstoffanleitungen, bestrafen müssen, damit wir die Leute auch als das verfolgen können was sie sind, nämlich als Terroristen. Es stellt sich in der Tat die Frage der Verfassungsgemäßheit. Das ist eine hohe Anforderung an die juristische Kunst im Bundesjustizministerium.
Schütte: Herr Schmalzl, es tut mir leid: Ich muss Sie an dieser Stelle leider unterbrechen, denn die Nachrichten folgen. Ich bedanke mich für das Gespräch mit Ihnen, der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg.
Schmalzl: Danke schön.
Am Telefon ist nun der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg, Johannes Schmalzl. Guten Morgen!
Johannes Schmalzl: Schönen guten Morgen aus Stuttgart!
Schütte: Über 300 Ermittler waren monatelang auf die drei Männer angesetzt, um sie an ihrem möglicherweise verheerenden Attentat zu hindern. Das hat geklappt. Die Fahnder hätten die Lage jederzeit im Griff gehabt. Ist der Einsatz tatsächlich ohne Risiko abgelaufen?
Schmalzl: Das war einer der schwierigsten Einsätze für die Polizei, und man muss hier noch einmal den Hut ziehen vor der Leistung der Polizeibeamten, die auch im Hintergrund tätig sind, die keine Orden in der Öffentlichkeit bekommen. Die Nachrichtendienste waren ebenfalls involviert. Es war am Anfang ein nachrichtendienstlicher Sachverhalt. Über weitere Details reden wir bekanntermaßen nicht. Aber es hat sich schon in einer sehr, sehr frühen Phase gezeigt, welche hohe Gewaltbereitschaft hier im Spiel ist, welche Konspirativität hier im Spiel ist, und das war für mich auch der Anlass, schon in einer sehr, sehr frühen Phase insbesondere beim Bund darauf zu drängen, diesen Fall in dieser frühen Phase, was nicht der Normalfall ist, an die Polizei auch abzugeben, denn man muss immer wieder darauf hinweisen: Es kann hier Zwischenfälle geben, die den Zugriff erfordern, und nach dem Trennungsgebot dürfen die Nachrichtendienste in Deutschland eben nicht zugreifen. Sie haben keine exekutiven Befugnisse.
Schütte: Vor dem Zugriff soll sich ein Begleiter der Festgenommenen, soll sich möglicherweise einer ihrer Helfer abgesetzt haben, soll untergetaucht sein. So ist heute in Zeitungen zu lesen. Ist die Terrorzelle also doch noch nicht zerschlagen?
Schmalzl: Das werden die weiteren Ermittlungen zeigen. Wir haben hier großes Vertrauen in die aufwendige Ermittlungsarbeit des Bundeskriminalamtes gemeinsam mit allen Sicherheitsbehörden der Länder und auch des Bundes. Also das werden die weiteren Ermittlungen zeigen müssen. Man kann allerdings in der Tat davon ausgehen - und Staatssekretär Hanning hat ja zurecht darauf hingewiesen -, dass hier mehrere Personen noch im Spiel sind und einige auch im Ausland sich aufhalten. Der Auslandsaufenthalt ist eben kein Ausnahmefall. Er ist häufig schon fast der Regelfall. Man ist mehrere Monate im Ausland, und hier sind wir natürlich auch bei der Frage nach den Terrorcamps.
Schütte: Darauf möchte ich gleich noch mal zurückkommen. Zunächst einmal: Es wird ein neues Terrorvideo von Osama Bin Laden angekündigt. Ist das ein Anzeichen für eine neue Sicherheitsbedrohung?
Schmalzl: Nein. Die Sicherheitslage ist nach wie vor ernst. Das wissen alle Beteiligten. Unsere oder die gemeinsame Aufgabe der Sicherheitsbehörden ist es, darauf hinzuweisen, dass besondere Wachsamkeit erforderlich ist. Die Sicherheitslage im Jahr 2007 ist nicht vergleichbar mit der im Jahr 1997 vor zehn Jahren. Wir müssen dem Rechnung tragen.
Grund für Panik besteht nicht. Da wird auch ein Video von Osama Bin Laden nichts ändern. Bekanntlich leben Totgesagte länger. Man wird gespannt sein. Es gibt ja Hinweise auch vom Site Institut aus den Vereinigten Staaten von gestern Abend, die darauf hindeuten könnten, dass Bin Laden bester Gesundheit sei. Das wird man abzuwarten haben und sorgfältig zu analysieren haben. Es zeigt allerdings, dass wir nicht nachlassen dürfen in der Wachsamkeit gerade rund um den 11. September.
Schütte: Einer der am Dienstag Festgenommenen stammt aus Ulm. Dort gibt es das Islamische Informationszentrum, das von Experten eingeschätzt wird als - ich formuliere das jetzt einmal zugespitzt - als Brutstätte des Islamismus. Welche Möglichkeiten haben Sie als Verfassungsschutz, hier zu ermitteln? Wie weit hinein reicht da Ihr Arm?
Schmalzl: Mir ist immer wichtig, dass wir differenzieren zwischen Islam, Islamismus und dem gewaltbereiten Islamismus, den wir als Dschihadismus bezeichnen. Wenn wir uns intensiv und mit einem gewaltigen Polizeiaufgebot einem Sachverhalt des Dschihadismus widmen, dann dürfen wir nicht verkennen, dass es die tägliche Arbeit der Nachrichtendienste ist in diesem Land, sich mit den über 30.000 Islamisten in Deutschland auseinanderzusetzen und die Strukturen dort aufzuklären. Das sind 30.000 Menschen, die aufgrund ihrer Mitgliedschaft in islamistischen extremistischen Organisationen einen anderen Staat wollen, die mit unserem Grundgesetz nichts am Hut haben.
Und in Ulm ist es in der Tat so, dass dort besonders auffällig geworden ist, dass man Ende der 90er Jahre, Anfang des neuen Jahrhunderts einen charismatischen Führer hatte, der es geschafft hat, seine verheerenden Botschaften, wo der bewaffnete Kampf notwendiger Bestandteil des Islam ist, an junge Muslime - seien es Konvertiten oder reislamisierte Jugendliche - zu transportieren und diese zu radikalisieren.
Schütte: Das heißt eine gewisse Gefahr, die von dort aus diesem Informationszentrum ausgeht, ist Ihnen bekannt gewesen. Jetzt ist ja nicht nur in Ulm, sondern man sagt auch im benachbarten Neu-Ulm sei ein Knotenpunkt der Islamistenszene. Dort gab es das Multikulturhaus. Aber das hat die zuständige Stelle in Bayern schließen lassen. Dort hat man also reagiert. Was haben Sie denn dem Innenministerium in Baden-Württemberg empfohlen mit Blick auf Ulm und auf das Informationszentrum dort?
Schmalzl: Das Multikulturhaus in Neu-Ulm ist von seiner Dimension her nicht vergleichbar gewesen mit dem Islamischen Informationszentrum. Das wird alleine schon an der Größe des Objektes deutlich, wenn man sich das genau anschaut. Das Verbot des Multikulturhauses in Neu-Ulm durch den bayerischen Staatsminister des Innern Ende 2005 war absolut richtig, und das war ja auch am Schluss rechtskräftig. Es hat die Szene stark verunsichert. Die Szene ist noch stark verunsichert. Es laufen aktuell Ermittlungen gegen das Islamische Informationszentrum, und diese Ermittlungen sind abzuwarten. Am Ende muss entschieden werden, ob man verbietet. Viele wissen nicht, dass wir eben aufgrund der Konvertiten und auch aufgrund von naturalisierten jungen Muslimen, die deutsche Staatsangehörige geworden sind - wir haben inzwischen eine Anspruchseinbürgerung auch -, dass wir dort Deutsche im Vorstand haben. Und sie können einen Verein mit deutschen Vorstandsmitgliedern nur unter den schweren Voraussetzungen, die das Vereinsgesetz - ein Bundesgesetz - formuliert, verbieten lassen. Und das muss am Schluss wasserdicht sein.
Es hilft uns alles nichts, wenn wir in einen Aktionismus verfallen und am Schluss vor dem Gericht auf die Nase fallen. Das stärkt nur die Szene. Wir haben einen Schuss, und der muss sitzen.
Schütte: Haben Sie denn vom Gesetzgeber her ausreichend Spielraum für nötige Ermittlungen?
Schmalzl: Ich denke ja, aber mir ist es als Praktiker wichtig auch im Interesse der hoch motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen deutschen Sicherheitsbehörden, die alles tun, damit diese Republik vor Terroranschlägen verschont bleibt: Wir brauchen generell auch anlassunabhängig das nötige Personal und das nötige Geld, um diese schwierige Arbeit bewerkstelligen zu können. Da brauchen wir nicht zu jammern. Das wissen aber die verantwortlichen Innenminister, die heute auch in Berlin zusammenkommen.
Schütte: Haben Sie das Gefühl, dass die Politik Sie da ein bisschen im Stich lässt?
Schmalzl: Nein, absolut nicht. Ich kann mich in Baden-Württemberg - und nur für Baden-Württemberg kann ich reden - überhaupt nicht beklagen. Wir haben frühzeitig Islamwissenschaftler hier im Landesamt für Verfassungsschutz angestellt. Ich habe jetzt zusätzliches Personal bekommen für den Aufbau eines Observationstrupps - im Übrigen schon Anfang 2006 beschlossen durch den Koalitionsvertrag dort - gerade zur Beobachtung islamistischer Strukturen. Wir bauen gerade unsere Kapazitäten im Bereich Internet weiter aus, bauen ein Internet-Kompetenzzentrum auf. Wir waren hier von Anfang an sehr, sehr weit. Das ist auch in der Republik bekannt, dass Baden-Württemberg hier sehr früh gut aufgestellt war.
Ich kann mich nicht beklagen. Ich habe höchstes Vertrauen bei mir in die Politik, dass wir die Unterstützung bekommen. Mit "wir" möchte ich jetzt auch die Polizei einschließen. Natürlich entzieht sich niemand dem notwendigen Druck des Stellenabbaus in den Ländern. Auch in Baden-Württemberg wurde im Verfassungsschutz in den 90er Jahren 20 Prozent Personal abgebaut. Aber immer dann, wenn wir die Ressourcen benötigt haben, dann haben wir sie bekommen. Eine andere Frage sind die gesetzlichen Lücken.
Schütte: Würde Ihnen eine Online-Durchsuchung entscheidend helfen bei der Fahndungsarbeit?
Schmalzl: Da bin ich der falsche Ansprechpartner. Im Übrigen beschäftigt sich die Politik damit intensiv. Es geht zunächst mal um die strafprozessualen Möglichkeiten. Die Regelung im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz wird ja vor dem Bundesverfassungsgericht behandelt. Auch ich bin gespannt, wie hier das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hat.
Mir ist wichtiger, dass man auch auf die Lücken im materiellen Strafrecht schaut, die auch der derzeitige Fall zum Ausdruck gebracht hat.
Schütte: Der Zugriff auf Computer scheint auch zum Fahndungserfolg bei den drei Sprengstoffbastlern geführt zu haben. Wer hat denn deren Computer überwacht?
Schmalzl: Das sind Ermittlungseinzelheiten, und ich glaube, sie haben alle Verständnis dafür, dass wir nicht durchatmen nach dem Motto "Das war es gewesen - jetzt können wir alles offenbaren". Nein, wir sind nach wie vor im Einsatz. Wir haben 230 Ermittlungsverfahren bundesweit mit islamistischem Bezug, mit Terrorbezug, davon 109, die beim Bundeskriminalamt geführt werden, worauf der BKA-Präsident Ziercke auch zurecht hingewiesen hat. Wir wollen unsere Ermittlungsansätze, besonders die der Polizei, nicht preis geben. Damit wäre der Sicherheit in diesem Lande nicht gedient.
Schütte: Sie haben sich dafür ausgesprochen - noch kurz zum Schluss -, der Aufenthalt in einem Terrorcamp müsse strafrechtlich verfolgt werden können. Damit stehen Sie nicht alleine da. Günther Beckstein hat dies ebenfalls gefordert. Viele Juristen bezweifeln allerdings, ob das so einfach umzusetzen ist.
Schmalzl: Wir haben derzeit in der Tat den Sachverhalt, dass wir Rückkehrer aus Terrorcamps haben, die sogar selbst gesagt haben, sie waren in einem Terrorcamp, das vielleicht auch eingeräumt haben, und wir können das nicht bestrafen, weil es als solches noch nicht reicht für den berühmten Paragrafen 129a, also für den Nachweis der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Dann behilft sich die Praxis, die strafrichterliche Praxis oder die staatsanwaltschaftliche Praxis, mit Hilfskrücken - Verzeihung, wenn ich das so sage -, die sich nur versteckt im Strafgesetzbuch finden. Das ist fast schon eine Verzweiflungstat. Ich glaube, dass wir in der Tat heran müssen und auch den Aufenthalt in einem Terrorcamp, besonders dann, wenn er durch weitere objektive Kriterien nachgewiesen werden kann wie das Herunterladen von Sprengstoffanleitungen, bestrafen müssen, damit wir die Leute auch als das verfolgen können was sie sind, nämlich als Terroristen. Es stellt sich in der Tat die Frage der Verfassungsgemäßheit. Das ist eine hohe Anforderung an die juristische Kunst im Bundesjustizministerium.
Schütte: Herr Schmalzl, es tut mir leid: Ich muss Sie an dieser Stelle leider unterbrechen, denn die Nachrichten folgen. Ich bedanke mich für das Gespräch mit Ihnen, der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg.
Schmalzl: Danke schön.