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Verfassungsschutz
V-Mann-Einsatz im Fall Amri verschleiert?

Im Umfeld des Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri hat es offenbar doch einen V-Mann gegeben. Der Verfassungsschutz soll versucht haben, dessen Rolle herunterzuspielen und zu verheimlichen. Damit gerät nicht nur Behördenchef Hans-Georg Maaßen in Erklärungsnot, sondern auch die Bundesregierung.

Von Katharina Hamberger | 30.08.2018
    Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), aufgenommen am 05.01.2017 in Berlin.
    Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. (dpa / picture alliance / Michael Kappeler)
    Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte laut Recherchen des ARD-Magazins Kontraste, des RBB und der Berliner Morgenpost verheimlichen, dass es eine sogenannte Vertrauensperson im Umfeld des Attentäters Anis Amri hatte. So zitieren die Medien aus einer Gesprächsvorlage des Präsidenten des Bundesamtes, Hans Georg Maaßen, für ein Treffen mit dem Berliner Innensenator Andreas Geisel, SPD und dessen Staatssekretär Torsten Akmann im März 2017. Darin heißt es laut den Recherchen: Ein Öffentlichwerden des Quelleneinsatzes gelte es schon aus Quellenschutzgründen zu vermeiden. Und weiter: Ein weiteres Hochkochen der Thematik müsse unterbunden werden. Dass erhöht nun den Druck auf den Präsidenten des Nachrichtendienstes weiter.
    "Hochkochen unterbinden"
    Denn, dass es eine V-Person im Umfeld des islamistischen Attentäters Amri gab, war bereits im Mai dieses Jahres bekannt geworden. Damals hatte die Welt berichtet, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz einen V-Mann in der Moschee hatte, die auch Anis Amri – unter anderem kurz vor dem Anschlag - besucht hatte, was die Quelle auch wahrgenommen haben soll. Amri soll in der Moabiter Moschee auch als Vorbeter tätig gewesen sein.
    Dabei hatte noch im Januar 2017 die Bundesregierung erklärt, im Umfeld des Amri seien keine V-Leute des BfV eingesetzt worden. Auch das parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages, das für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständig ist, fragte im Januar bei den Behörden nach:
    "Ob V-Leute des Bundesamtes für Verfassungsschutz in diesem ganzen Zeitraum, über den wir jetzt reden, Kontakt hatten zu Amri. Auch das ist verneint worden. Definitiv. Ich hoffe, dass diese Aussagen zutreffen. Mehr kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt dazu nicht sagen."
    So der Linken-Politiker Andre Hahn im Januar 2017. Ob die Quelle des BfV tatsächlich keinen Kontakt zu Amri hatte, ist nach wie vor eine offene Frage. Der Sprechzettel des Verfassungsschutzpräsidenten bestätigt aber eben nun nochmal, dass es, entgegen der ursprünglichen Aussagen, tatsächlich einen V-Mann im Umfeld von Amri gegeben hat – und wirft nun die Frage auf, warum dem Verfassungsschutz daran gelegen war, diese Tatsache der Öffentlichkeit zu verheimlichen. Zumal der Nachrichtendienst offenbar auch zu der Einschätzung kam, dass ein Fehlverhalten des Verfassungsschutzes oder der Quelle nicht zu erkennen sei. Das Thema sei eigentlich wenig brisant, soll es im Sprechzettel für Maaßen heißen.
    Hat die Bundesregierung das Parlament belogen?
    Die Reaktionen vor allem aus der Opposition sind entsprechend: Die Bundesregierung habe bei ihrer Antwort auf die Fragen in Sachen Breitscheidplatz und Amri das Parlament schlicht belogen, twittere der stellevertretende Fraktionschef der Grünen Konstantin von Notz. Das sei, so von Notz weiter, Sabotage der verfassungsrechtlichen Pflicht des Parlaments, nämlich die Regierung zu kontrollieren und Versäumnisse aufzuklären. Der FDP-Abgeordnete Benjamin Strasser sagte, damit breche die These, Amri sei lediglich ein Polizeifall gewesen, wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Er wolle den V-Mann-Führer Amris im Untersuchungsausschuss des Bundestages dazu befragen. Das wolle er vor Gericht einklagen, sollte die Bundesregierung hier weiter mauern und ihre schützende Hand über den BfV-Präsidenten Maaßen halten. Die Linken-Abgeordnete Martina Renner sagte zu den Recherchen, bis zum heutigen Tag habe das BfV versucht, sich im Fall Amri als nahezu unbeteiligt darzustellen und seine Rolle dementsprechend kleingeredet.