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Verfassungsschutzpräsident bleibt im Amt
Keine personellen Konsequenzen für Maaßen

Nach seinen Chemnitz-Dementis musste Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen vor verschiedenen Gremien Rechenschaft ablegen. Bundesinnenminister Horst Seehofer sieht von personellen Konsequenzen ab und stärkt ihm den Rücken. Von Seiten der SPD, FDP, Linke und der Grünen gibt es harsche Kritik.

Von Gudula Geuther | 13.09.2018
    Maassen sitzt neben Seehofer vor einer Fensterfront. AP Photo/Michael Sohn)
    Innenminister Seehofer: "Er hat auch zum Ausdruck gebracht ein Bedauern, dass manches eben anders in der Öffentlichkeit aufgefasst wurde und diskutiert wurde als von ihm beabsichtigt" (AP)
    Insgesamt fünf Stunden lang hatte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans Georg Maaßen, Rede und Antwort gestanden, erst dem Parlamentarischen Kontrollgremium, dann auch dem Innenausschuss des Bundestages, gemeinsam mit seinem Dienstherrn Bundesinnenminister Horst Seehofer. Der bat ihn am späten Abend demonstrativ an seine Seite, als er sein Fazit in die aufgestellten Mikrofone sprach:
    "Ich habe dem Innenausschuss mitgeteilt, dass ich aufgrund seiner Darstellungen des Berichts und der Diskussion für personelle Konsequenzen keinen Anlass sehe."
    Maaßen habe ausführlich erläutert, warum er am vergangenen Freitag der Bild-Zeitung ein Interview gegeben hatte. In diesem Interview hatte er Medienberichte zu den Vorfällen in Chemnitz in Zweifel gezogen, über gezielte Falschinformationen gemutmaßt und zu einem im Netz verbreiteten Video wörtlich gesagt: "Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist." Gemeint haben will er die Überschrift, die er freilich gegenüber der Bild-Zeitung nicht erwähnt hatte. Das geht aus einem Bericht an das Innenministerium vor, der unserem HSS vorliegt. Und offenbar auch aus der Befragung. Der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio gibt es so wieder:
    "Herr Maaßen hat klargestellt, dass sich seine Einschätzung dieser Gesamtdarstellung aus Video und Betitelung als Menschenjagd, dass das nicht authentisch sich auf die Gesamtdarstellung bezogen hat. Das Video zeigt keine Menschenjagd."
    "Es wurde heute viel zurückgerudert"
    Das hatten zuvor die meisten anders verstanden. Bundesinnenminister Horst Seehofer betonte deshalb am Abend:
    "Er hat auch zum Ausdruck gebracht ein Bedauern, dass manches eben anders in der Öffentlichkeit aufgefasst wurde und diskutiert wurde als von ihm beabsichtigt. Und ich begrüße dieses Bedauern. Und auf der anderen Seite war seine ganze Darstellung sehr klar eine Rede auch gegen den Rechtsextremismus. Auch dafür bin ich sehr dankbar, dass da auch nicht die geringsten Zweifel auftauchen."
    SPD, FDP, Linke und Grüne wollten die Umdeutung des Gesagten dagegen nicht mitmachen. Burkhard Lischka, SPD, zeigte sich deshalb nach den beiden Sitzungen enttäuscht:
    "Ich hatte mir von dem heutigen Tag eigentlich Fakten gewünscht von Seiten Herrn Maaßens, die seine Thesen unterstützen würden. Meine Wahrnehmung war, es wurde heute viel zurückgerudert, es wurde viel relativiert. Und das ändert – das ist zumindest mein Fazit – nichts daran, dass Herr Maaßen durch seine Äußerungen in der vergangenen Woche sehr viel Verwirrung in diesem Land gestiftet hat, sehr viel Unsicherheiten gestiftet hat."
    Er zweifle, ob Maaßen das nötige Vertrauen wieder herstellen kann. Seehofers Entscheidung nehme er zur Kenntnis. Aber:
    "Ich bin mir heute nicht sicher, ob das Ganze der letzte Akt gewesen ist und ob sich nicht der Minister vielleicht auch in Zukunft selbst korrigieren muss."
    "Eine eigene politische Agenda"
    Die Grüne Irene Mihalic will der gesamt Arbeit des Verfassungsschutzes mit diesem Präsidenten nicht mehr vertrauen können.
    "Es steht weiter zu befürchten, dass Herr Maaßen über seine Äußerungen in den Medien politisch agiert, gleichzeitig Medienschelte betreibt, was die Verbreitung dieses Videos angeht und über die Verbreitung von solchen rechten Verschwörungstheorien, was die Vorgänge in Chemnitz angeht, eine eigene politische Agenda verfolgt."
    Noch schärfer formuliert es Martina Renner von der Linkspartei.
    Herr Maaßen ist ein Wiederholungstäter. Und er wird auch in Zukunft keine Gelegenheit auslassen, seine eigene rechte Agenda zu setzen. Das Problem ist, dass hier offenbar geworden ist, dass sein Dienstherr im dazu wohl jede Hand lässt.
    Es bleibt, nach sechs Tagen Streit, ein Präsident im Amt. Angeschlagen. Und, so zumindest äußern sich Vertreter aller Parteien außer der AfD, auch ein Inlandsgeheimdienst, der Vertrauen verloren hat.