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Verhaltensökonomie
Wirtschaftlich handelnde Akteure sind auch nur Menschen

Richard H. Thaler ist heute mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet worden. Der US-Amerikaner ist Verhaltensökonom. Dieser Forschungszweig hat in den vergangenen 20 Jahren stark an Bedeutung gewonnen.

Von Silke Hahne | 09.10.2017
    Symbolbild Konsum
    Eines der Forschungsfelder von Richard H. Thaler: mangelnde Selbstkontrolle - Menschen befriedigen aktuelle Konsumbedürfnisse, statt fürs Alter zu sparen. (dpa / Marc Müller)
    Marktteilnehmer sind auch nur Menschen. Diese Binsenweisheit hat Richard H. Thaler empirisch belegt. In zahlreichen Experimenten und Feldstudien haben er und andere Verhaltensökonomen untersucht, wie Irren, Ängste, Selbstüberschätzung und andere psychologische Phänomene die wirtschaftlichen Entscheidungen von Menschen beeinflussen.
    Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften hat die Vergabe ihres Preises an Thaler heute insbesondere mit dreien seiner Forschungsfelder begründet: Begrenzte Rationalität, soziale Vorlieben und mangelnde Selbstkontrolle.
    Bevormundung lässt Raum für individuelle Entscheidungen
    Ein Beispiel für letzteres: Menschen befriedigen aktuelle Konsumbedürfnisse, statt fürs Alter zu sparen. Thaler setzt solchen Konflikten das "Planer-Macher-Modell" entgegen. Dabei setzt der Planer (der vorausschaut) dem Macher (der in der Gegenwart verhaftet ist) Grenzen.
    Thaler hat darauf aufbauend ein System für die Altersvorsorge entworfen. Arbeitnehmer werden verpflichtet, einen Teil ihrer künftigen Gehaltssteigerungen einer Sparanlage zufließen zu lassen. Der Arbeitnehmer kann jederzeit aussteigen – die wenigsten tun das jedoch.
    Diese leichte Bevormundung, der Raum für individuelle Entscheidungen lässt, nennt Thaler auch "Nudge" – was übersetzt so viel bedeutet wie ein sanfter Knuff. Ein politisches Konzept, dass auch außerhalb der Wirtschaftspolitik Anwendung findet. Beispiel Organspende: Um die Zahl der Spender zu erhöhen, wird immer wieder gefordert, dass jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, automatisch sein Einverständnis zur Organspende erklärt. Zu so viel Bevormundung oder "Knuff" sind die meisten Länder aber nicht bereit.