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Verkehrsexperte: Trennung von Streckennetz und Verkehrsbetrieb versäumt

Nach Ansicht des Verkehrsexperten Albert Schmidt hat der Großen Koalition beim Kompromiss über die Teilprivatisierung der Bahn der Mut für eine "konsequente unternehmerische Entflechtung" von Streckennetz einerseits und Verkehrsbetrieb andererseits gefehlt. Das wäre für den Wettbewerb die beste Lösung gewesen. Umso wichtiger werde nun die Rolle der Regulierungsbehörde sein, sagte der Berater.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Die Bahn soll nun also sehr bald teilweise privatisiert werden. Dieser Kompromiss der Verkehrsexperten aus SPD und Union wird als überraschend bezeichnet und weiter kontrovers diskutiert, denn nicht alle Fachleute halten die Entscheidung für ausgewogen und zukunftsweisend, sprich wettbewerbsfördernd. Am Telefon ist jetzt Albert Schmidt, Verkehrsexperte , ehemals Aufsichtsratsmitglied der Bahn, jetzt Berater. Herr Schmidt, ein Kompromiss, den Sie als Berater weiterempfehlen würden? Ist es das?

    Albert Schmidt: Guten Tag zunächst! Ich glaube es ist in der Tat ein schillernder Kompromiss. Sein wirklicher Wert wird sich erst erweisen, wenn der dort erwartete und geforderte Gesetzesentwurf wirklich vorliegt und man sagen kann, was steht konkret im Gesetz. Im Moment liest sich vieles unverbindlich, aber zwei Dinge sind immerhin klar. Seit diesem Kompromiss von gestern Abend ist klar, dass das Modell Mehdorn, das Modell eines so genannten integrierten Börsenganges, faktisch gescheitert ist. Gemeint war ja - und das war das "Powerplay" des Vorstandsvorsitzenden im Grunde schon seit Mitte der letzten Legislaturperiode -, geplant war ja im Bahnvorstand eine Teilprivatisierung des Bundeskonzerns Deutsche Bahn AG inklusive Schienennetz und Bahnhöfe. Das ist seit gestern klar: Diese Karte, auf die Mehdorn ja nahezu ausschließlich gesetzt hatte, diese Karte sticht nicht. Ebenso klar - und das ist die andere Seite - ist aber seit gestern Abend auch, dass dieser Großen Koalition ganz offenbar der Mut fehlt und die Kraft für eine konsequente unternehmerische Entflechtung, für eine konsequente Rollenaufteilung zwischen Infrastruktur, also Streckennetz einerseits, und Verkehrsbetrieb andererseits. Das wäre für den Wettbewerb die beste Lösung gewesen und umso wichtiger wird nun die Rolle der Regulierungsbehörde werden, die als Schiedsrichter auf den fairen Wettbewerb auf diesem Schienennetz achten muss.

    Durak: Ganz so schlechte Erfahrungen haben wir mit solchen Bundesbehörden gar nicht gemacht. Vielleicht ist dieser Kompromiss ja als Notlösung tragbar?

    Schmidt: Das ist mit Sicherheit eine Perspektive, auf die man sich einstellen muss. Ich glaube auch, dass die Regulierungsbehörde insgesamt einen guten Job macht und durchaus die Chance hat, hier für faire Bedingungen zu sorgen. Aber dennoch: Die strukturelle Benachteiligung von Wettbewerbern, die jetzt nicht staatliche Eisenbahnen sind, ist natürlich umso mühsamer jetzt aufzuarbeiten. Das muss man einfach jetzt abwarten, wie es läuft. Auf jeden Fall glaube ich ist eine Tür offen, aber eine Tür ist zu. Offen ist die Tür, jetzt einen vernünftigen Gesetzesentwurf zu machen. Zu ist die Tür in Richtung integrierter Börsengang und in Richtung klare unternehmerische Entflechtung von Netz und Betrieb.

    Durak: Wer entscheidet denn nun, Herr Schmidt, künftig, ob private Anbieter für Regionalbahnen oder dergleichen die Schienen benutzen dürfen? Wir wissen ja aus der Vergangenheit, dass die große Bahn dies oft genug verhindert hat oder Strecken eingestellt hat, nicht lukrative Strecken dann einfach abgestoßen hat. Das interessiert aber den Kunden, der da gerne fahren möchte.

    Schmidt: Deswegen ist ja der Satz wichtig, der seit gestern im Einigungspapier auch drin steht, dass gegebenenfalls die Befugnisse der Regulierungsbehörde ausgeweitet werden müssen. Das könnte bedeuten, dass die Zuweisung von Trassen für Eisenbahnunternehmen, die darauf fahren wollen, künftig eben nicht mehr über den Betreiber, also über die Deutsche Bahn AG zu erfolgen hat, sondern dann direkt über die Regulierungsbehörde. Das wäre eine saubere Lösung, um hier mehr Wettbewerb auch im Interesse der Kunden zu erzeugen. Was allerdings für Fahrgäste nach wie vor ein Problem sein wird ist der erkennbare Versuch, die Bilanz der Deutschen Bahn AG in Richtung Börsenfähigkeit weiter aufzuhübschen. Das bezahlt letztendlich der Fahrgast. Jüngstes Beispiel ist die Fahrpreiserhöhung, die uns jetzt rechtzeitig zu Weihnachten ins Haus steht.

    Durak: Der Kunde noch mal. Der Kunde möchte, dass die Bahn pünktlich fährt. Er möchte, dass sie, vor allem einmal den Regionalverkehr angesprochen, oft fährt und dass die Fahrkarten nicht so teuer werden. An wen soll er seine Hoffnungen richten? An die Bahn oder an den Bund? Wer ist jetzt zuständig für den Gast?

    Schmidt: Der Partner des Fahrgastes ist natürlich das Unternehmen und nicht so sehr die Politik. Dennoch hat jeder Fahrgast und jeder Kunde das Recht darauf, den Bund nun auch in die Pflicht zu nehmen, denn der Bund hat die Aufgabe - und dazu hat er sich noch mal ausdrücklich jetzt bekannt -, für einen Zustand der Strecken zu sorgen, der nicht geprägt ist durch Langsamfahrstellen. Dort soll es nicht holpern und rumpeln, sondern dort sollen die Züge elegant fahren können und auch schnell genug. Das ist die Aufgabe des Bundes. Das wird in Zukunft glaube ich nochmals stärker eine Rolle spielen, denn die Eisenbahn, das heißt das Verkehrsunternehmen Deutsche Bahn AG, das künftig auch das Netz bewirtschaften wird quasi als Mieter, das wird den Job haben, das operativ umzusetzen. Dazu wird es einen Vertrag geben müssen und das ist ja auch angemahnt in dem Kompromisspapier, wo ganz klare Qualitätsstandards für einen 1a-Streckenzustand festgehalten werden, inklusive Sanktionen, wenn das nicht geschieht. Das ist für den Fahrgast wichtig, denn Verspätungen sind das letzte, worüber man sich freut.