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Verkehrsfliegerschule in Bremen
Pilotenausbildung in der Krise

Jeden Tag der Sonne entgegen fliegen zu können, das ist der ganz große Traum von Piloten und Pilotinnen. Für die Pilotenschüler an der Verkehrsfliegerschule der Lufthansa in Bremen droht dieser Traum zu platzen. Gewerkschafter befürchten, dass dahinter eine Tarifflucht der Fluggesellschaft steht.

Von Felicitas Boeselager | 27.11.2020
Zwei Piloten im Cockpit eines Airbus Flugzeugs der Lufthansa auf dem Flughafen Berlin-Tegel (TXL) in Deutschland.
Abgang eines Traumes - Pilotenschüler und -schülerinnen müssen wegen Corona ihre Ausbildung unterbrechen (picture alliance)
"Der Traum war ja immer Lufthansa-Pilot. Man wollte ja immer für die große deutsche Airline fliegen. Das war ja immer der Traum."
Erzählt Pascal M., der schon als Kind den Wunschtraum hatte eines Tages in einem Cockpit zu sitzen. Pascal heißt eigentlich anders, auch seine Stimme haben wir nachsynchronisiert, denn er befürchtet, es könnte negative Konsequenzen für ihn haben, wenn er mit dem Deutschlandfunk spricht.
Pascal ist einer von etwa 700 Flugschülern und Flugschülerinnen der Verkehrsfliegerschule der Lufthansa in Bremen. Er erinnert sich noch gut an den Tag, an dem er die Aufnahmeprüfung für die Flugschule bestand und aufgenommen wurde:
"Das kam dann so über die Tage, dass ich so dachte, geil, ja du hast es geschafft, du fängst in Bremen an. Erleichterung wurde das dann, also richtig Erleichterung und richtig so Vorfreude auf diese tolle Zeit in Bremen."
Kurz vor der ersten Flugstunde kam Corona
Der Aufnahmetest für die Flugschule in Bremen hat den Ruf sehr schwer zu sein, denn nur etwa fünf Prozent der Bewerber und Bewerberinnen bestehen ihn. Sie gelten als die Besten der Besten, wenn sie ihre Ausbildung in Bremen antreten und werden dort feierlich begrüßt.
Dann haben sie ein Jahr Theorieunterricht, lernen zum Beispiel Meteorologie, Luftrecht und Navigation. Bis sie anschließend zuerst in Arizona und dann in Bremen tatsächlich fliegen lernen.
Pascal stand kurz vor der ersten praktischen Flugstunde. Dann kam die Corona-Pandemie und die Ausbildung wurde ausgesetzt. Er und seine Mitschüler dürfen seit März nicht mehr in die Flugschule, viele von ihnen schlagen sich nun mit 450 Euro Jobs durch, zum Beispiel als "Kassierer beim Discounter, habe ich gehört. Getränkelieferanten sind mehrere, bei Baumärkten an der Kasse. Einige habe ich gehört, fahren Autos quer durch Deutschland für Mitwagenfirmen."
Die Airline rät, den Ausbildungsvertrag aufzulösen
Als die Schule im März wegen Corona ihre Tore schließen musste, hatten Pascal und seine Mitschüler großes Verständnis und gingen davon aus irgendwann weitermachen zu können.
"Es wurde gesagt, so wir unterbrechen jetzt bis April. Dann haben wir nichts gehört, die ganze Zeit. Dann wurde uns gesagt, so wir setzen die Schulung bis Ende September aus. Und Ende September wurde uns dann gesagt, dass man die Schulung abbrechen möchte, oder eben nicht fortsetzen möchte."
In einem Live-Stream legten Verantwortliche der Lufthansa Aviation Training, einer Lufthansatochter, zu der die Verkehrsfliegerschule in Bremen gehört, den Schülern und Schülerinnen nahe, ihren Ausbildungsvertrag aufzulösen.
"Die erste dreiviertel Stunde, das sage ich jetzt mal ein bisschen hart, haben wir uns etwas verarscht gefühlt, weil man uns erstmal erklärt hat, was Corona ist. Und da wussten wir. Wir wussten als Luftenthusiasten auch, was das für eine Bedeutung für die Lufthansa hat. Und das fanden wir unpassend. Als man uns dann gesagt hat, dass es an der Lufthansaschule nicht weitergeht - das hat man relativ trocken gemacht. Man hat uns nicht nur gesagt, dass es für uns nicht weitergeht, man hat uns auch so ein bisschen Angst gemacht, damit wir nicht darauf bestehen weitermachen zu wollen. Es war von Anfang an so ein rausdrücken, rauszwingen, wir wollen euch nicht mehr haben."
Der Bedarf an Pilotinnen und Piloten entfällt
So erfährt Pascal daheim vor seinem Rechner, dass der Traum vom Fliegen zu platzen droht. Auf Anfrage des Deutschlandfunk schickt die Lufthansa ein schriftliches Statement. Für ein Interview gäbe es keine Kapazitäten. Wörtlich wurde mitgeteilt:
"Wie die gesamte Luftverkehrsbranche, befindet sich die Lufthansa Group in einer historisch einmaligen und unverschuldeten Ausnahmesituation. Für den Konzern hat die Corona-Pandemie gravierende langfristige Folgen - auch mit Blick auf die Ausbildung von Pilotinnen und Piloten. Bestand vor der Krise noch ein Bedarf der Lufthansa Group Airlines an jährlich 500 Pilotenschülern, entfällt dieser leider kurzerhand auf absehbare Zeit vollständig. Es ist mit einem deutlichen Überhang an bestehendem Cockpitpersonal bei den Airlines zu rechnen."
Lufthansa-Flieger stehen still, 06. Mai 2020 in Frankfurt am Main
Rettungspaket für die Lufthansa - Wie viel Staat muss sein?
Mit neun Milliarden Euro rettet die Bundesregierung die Lufthansa, um eine drohende Insolvenz zu verhindern. Trotz dieser milliardenschweren Staatshilfe steht das Unternehmen vor harten Einschnitten. Ein Überblick.
Es sei ein Gebot der Fairness, den Schülerinnen und Schüler klar zu kommunizieren, dass die Pandemie die Berufsaussichten für angehende Piloten und Pilotinnen um 180 Grad gedreht habe. Die Lufthansa bietet den Schülerinnen und Schülern an, ihre Ausbildung kostenfrei abzubrechen. Denn sie sind keine Angestellten des Konzerns, sondern Kunden der Schule. Die Ausbildung kostet 80.000 Euro, die sie später, wenn sie schließlich im Cockpit einer Lufthansa Maschine sitzen, mit ihrem Gehalt abbezahlen.
Bremer Flugschule mit weltweit sehr gutem Ruf
Dass die Verkehrsfliegerschule in Bremen vor dem Aus steht, erfüllt aber nicht nur ihre Schülerinnen und Schüler mit Sorge. Fast jeder Pilot der Lufthansa sei hier ausgebildet worden, die Schule habe das Selbstverständnis der Lufthansa-Piloten über mehrere Jahrzehnte hin geprägt, erzählt Philip Walker, Fluglehrer in Bremen.
"Jeder Lufthansa-Pilot hat eine Verbindung mit Bremen, mit der Bremer Flugschule, mit der Ausbildungsqualität hier vor Ort. Die erste Frage, die wir immer dann, wenn wir einmal mit dem Airbus fliegen, gestellt bekommen: Wie geht’s Bremen? Was passiert gerade in Bremen? Gibt es den und den Theorie-Lehrer noch? Gibt es den Praxislehrer noch? Also, da ist ein ganz hoher emotionaler Bezug."
Die Flaggen der Fluggesellschaften Lufthansa und Germanwings wehen am 26.03.2015 vor der Lufthansa Verkehrsfliegerschule "Lufthansa Flight Training" (LFT) in Bremen auf Halbmast. 
Emotionale Bindung: Viele Lufthansa-Piloten hängen an ihrer ehemaligen Schule in Bremen (picture alliance / Ingo Wagner)
Über 5.000 Piloten haben in den vergangenen 64 Jahren in Bremen das Fliegen gelernt. In der Zeit hat sich die Schule weltweit einen sehr guten Ruf erworben.
Die zukünftigen Lufthansa-Piloten erhalten auf dieser Schule die so genannte Multi Pilot Crew License, kurz MPL, mit der sie Maschinen der Lufthansa fliegen dürfen. Kunden der Verkehrsfliegerschule sind aber auch die Bundeswehr und die japanische All Nippon Airways.
Die bremische Ausbildung zum Lufthansa-Piloten gilt bei Schülern, Lehrern und Lufthansapiloten als die weltweit beste Pilotenschule. Ganz so weit geht Luftfahrtjournalist Volker Thomalla mit seiner Einschätzung aber nicht:
"Es ist so, dass die Lufthansapiloten wirklich eine gute Ausbildung genießen. Die gibt es aber auch bei anderen Flugschulen. Von daher ist die Ausbildung jetzt in Bremen nicht schlechter oder nicht besser als bei anderen renommierten Flugschulen auch."
Eigene Flugschulden der Airlines – eine Tradition
Die Lufthansa Aviation Training, kurz LAT, bietet in Bremen zusätzlich noch die Ausbildung für eine andere Pilotenlizenz an: Die Air Transport Pilot License*, die Piloten anderer Airlines durchlaufen. Die Theorie findet in Bremen statt und der praktische Teil an einer Flugschule in Rostock-Laage, während die zukünftigen Lufthansa-Piloten und Pilotinnen bislang in Arizona das erste Mal selbst fliegen durften.
Warum die Lufthansa bislang überhaupt eine eigene Flugschule betrieb und ihre Piloten nicht einfach auf dem freien Markt einkaufte, erklärt Luftfahrtjournalist Volker Thomalla so:
"Fluggesellschaften haben eigene Flugschulen, weil sie damit die Schüler schneller auf ihren Standard bringen können, als Schüler, die sie woanders einkaufen. Also ein Pilotenschüler, der direkt in der Kultur einer bestimmten Fluggesellschaft aufwächst, ist einfacher in das gesamte System einer Fluggesellschaft zu integrieren als jemand, der von außen kommt. Der braucht einfach länger, um sich an dieses neue System zu gewöhnen."
Es gab Zeiten in denen fast alle großen Airlines in Europa und Nordamerika ihre eigenen Flugschulen betrieben. Die Lufthansa hielt diese Tradition mit am längsten aufrecht, auch wenn es vor Corona eine Trendwende zu geben schien, wie Volker Thomalla berichtet:
"Dass tatsächlich Fluggesellschaften selber wieder Flugschulen gegründet haben, oder Flugschulen als exklusive Partner für sich gewonnen haben, die dann von den Fluggesellschaften nicht betrieben worden sind, aber exklusiv von unabhängigen Flugschulen betrieben worden sind, die nur Piloten einer bestimmten Fluggesellschaft ausgebildet haben. Seit Corona ist alles anders. Die gesamte Branche ist da in einem großen Umbruch. Momentan kann man da gar keinen neuen Trend erkennen. Es ist da ein bisschen durcheinander."
Alle zehn Jahre kommt eine neue Krise
Ohne Zweifel ist die Corona-Pandemie die schwerste Krise, die die Luftfahrt bisher erlebt hat. Krisen ist man dort gewohnt, und sie machen sich auch immer in den Flugschulen bemerkbar, erzählt Detlef Carius, der 32 Jahre lang Meteorologie-Lehrer an der Schule in Bremen war und über 22 Jahre den Theorieunterrichtet geleitet hat.
"Wir standen hier fast in jeder Krise einmal im Weser-Kurier mit den Worten ‚die Flugschule wird geschlossen‘. Beim erste Mal hat mich das richtig beunruhigt. Die nächsten Male nicht, gebe ich zu, da habe ich gedacht, ja da steht’s wieder. Jetzt würde es mich, glaube ich, sehr beunruhigen, ja."
Nahezu alle zehn Jahre, heißt es in Luftfahrkreisen, kommt eine neue Krise. Das liege neben konjunkturellen Schwankungen zwar am Zufall, aber die Rechnung gehe einigermaßen auf, sagt Journalist Volker Thomalla.
"Wir hatten Anfang der 90er Jahre den Golfkrieg, der eine Luftfahrtkrise ausgelöst hat. Wir hatten 2001, nach dem 11. September, eine Luftfahrtkrise. Wir hatten 2008 mit der SARS-Krise eine und anschließend mit der Finanzkrise jeweils eine Krise. Aber, es ist immer um die Jahrzehntewechsel, dort ein Problem auftaucht."
Anfang der 1990er Jahre zum Beispiel stellte die Lufthansa mehrere Jahre keine neuen Piloten und Pilotinnen mehr ein. Flugschüler, die ihre Ausbildung beginnen, rechnen mit diesen Schwankungen. Die meisten stellen sich auf lange Wartezeiten ein, bis sie tatsächlich mit ihrer Arbeit beginnen können. Bislang wurde die Piloten-Ausbildung nie ganz abgebrochen.
Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigten, dass nach einer Krise immer mehr Piloten benötigt wurden, als vorher, erinnert sich der ehemalige Theorielehrer Carius.
"Der maximale Einlauf bei uns waren 340, da hatte die Lufthansa 34er Jahrgänge bestellt und davon zehn Stück."
Auch Angestellte der Schule bangen um ihre Zukunft
"Und dann sitzt Du da drin und du machst das zum ersten Mal alleine und das ist schon ein besonderer Moment, ne?"
"Ich glaub, ich werde total aufgeregt sein auf jeden Fall. Ich glaube es wird auch viel Vorfreude mit dabei sein. Auf jeden Fall ein bisschen Respekt vor der ganzen Sache."
Mit diesem Video hat die Lufthansa vor zwei Jahren mit viel Pathos für ihre Pilotenausbildung geworben, ein Video, das einige der Flugschüler gesehen haben dürften, deren Ausbildung jetzt vor dem Aus steht.
Außer den Flugschülern bangen auch die über hundert Angestellten der Flugschule um ihre Zukunft. Noch ist die Schule allerdings nicht ganz geschlossen, denn die LAT bildet hier auch Transportflieger der Bundeswehr und Piloten und Pilotinnen der japanischen All Nippon Airways aus* - und die ATPL-License steht bislang auch nicht zur Disposition.
Ein Weg, nach Tarif bezahlte Mitarbeiter loszuwerden?
Allerdings will die LAT die Verträge mit der Bundeswehr und der japanischen All Nippon Airways auslaufen lassen. Der Plan ist, den praktischen Teil nun nicht mehr in Bremen und Arizona sondern in Rostock-Laage anzubieten.
Deshalb befürchten die Gewerkschaften Cockpit und Verdi, dass die Lufthansa durch die Schließung der Verkehrsfliegerschule in Bremen versucht, tarifierte Mitarbeiter loszuwerden und an anderer Stelle eine günstigere Ausbildung zu etablieren. Denn die Verträge der Angestellten in Rostock-Laage sind zum Teil nicht tarifiert. Franz Hartmann Gewerkschaftssekretär von Verdi:
"Die Lufthansa versucht da eine Billigvariante des Bremer Standortes zu machen, mit nicht mehr festangestellten Fluglehrern, sondern mit Freelancern, aber halt auch am Bodenpersonal natürlich zu sparen, die dann nicht mehr die gleichen tariflichen Bedingungen haben, wie sie zum Beispiel hier in Bremen herrschen."
Hartmann glaubt diesen Trend im ganzen Lufthansa-Konzern beobachten zu können.
"Also, was wir befürchten ist, dass die Flugschule Bremen eigentlich nur die Spitze des Eisberges ist und dahinter eine Strategie steckt des Lufthansavorstandes, die guten Tarifverträge, die es bei der Lufthansa gibt, in der Coronakrise nicht nur temporär abzuschmelzen sondern auch dauerhaft. Also, wovon wir dann reden ist, die Leute zu entlassen und dann zu schlechteren Konditionen wiedereinzustellen, was bedeuten würde, natürlich einmal zu sehr viel schlechteren Arbeitsbedingungen, sehr viel schlechteren Löhnen, die man dann hätte. Und natürlich eine Verschlechterung der Qualität und man sich halt dem Niveau anpasst, was eher Ryanair hat, oder andere Billigfluglinien, die es bisher gab."
03.06.2020, Bayern, München: Zwei Lufthansa-Mitarbeiterinnen mit Mund-Nasen-Sschutzmaske und hinter Plexiglasscheiben fertigen am Flughafen-Terminal 2 die Gäste für den Flug in die USA ab. Lufthansa nimmt am 03.06.2020 die Verbindung München-Los Angeles vom Flughafen München wieder auf. Foto: Peter Kneffel/dpa | Verwendung weltweit
Stellenabbau - "Der Schritt ist alternativlos, damit Lufthansa überlebt"
Die Lufthansa will in Folge der Coronakrise bis zu 26.000 Arbeitsplätze abbauen. Dieser Schritt sei alternativlos, sagt Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.
Die Krise sei ein Katalysator für bereits angestoßene Prozesse in einem Konzern, der sich für die große Schlacht auf dem Flugmarkt nach Corona rüste.
Der Umgang mit den Angestellten und den Flugschülerinnen und Flugschülern sei der Lufthansa unwürdig, sagt ein Sprecher der Vereinigung Cockpit und fügt hinzu: Die Schüler seien bereit zu warten bis wieder Piloten gebraucht werden. Sie wären auch bereit ihre Ausbildung eine Weile auszusetzen, schließlich sei allen bewusst, dass der Konzern sich in einer Ausnahmesituation befände. Aber ein solches Angebot hat es von der Lufthansa bislang nicht gegeben.
Post-Coronazeit könnte neuen Bedarf an Piloten bringen
Fluglehrer und Personalvertreter Peter Hahn glaubt auch, dass sich andere Lösungen finden ließen:
"Man geht direkt an die Schüler ran und bittet sie den Vertrag aufzuheben, oder einen Änderungsvertrag zu unterschreiben, um sie entweder komplett freizustellen von der Ausbildung, dass sie rausgenommen werden, oder sie sogar an externe Dienstleister, an externe Flugschulen zu vergeben. Und das müssen wir natürlich als Betriebspartner verurteilen, weil letztendlich, wir sind hier, wir können die Leute auch ausbilden, und da bemängeln wir auch sehr, dass die Geschäftsleitung gar keine Gespräche mit uns sucht, im Sinne von, wie wir die Ausbildung vielleicht auch anpassen, das wir hier die ein- oder anderen Kosten vielleicht noch einsparen könnten, ja, durch intelligentes Synergien eben. Nein, da wird einfach nur kategorisch gesagt, wir wollen das an externe Schulen rausgeben."
Sollten die All Nippon Airways und die Bundeswehr ihre Piloten weiter in Bremen ausbilden lassen können, dann könnte die Flugschule in kleinerer Variante bestehen bleiben, so lange bis die Lufthansa irgendwann selbst wieder mehr Piloten braucht. Denn dass dieser Tag kommen wird, daran zweifeln nur wenige, auch nicht Luftfahrtexperte Volker Thomalla.
Ein Lufthansa-Pilot zieht am 08.09.2015 am Flughafen von Frankfurt am Main (Hessen) seine Koffer.
Bei der Lufthansa steht voraussichtlich in fünf Jahren eine große Verrentungswelle an (picture alliance / Arne Dedert)
"Es gibt da Industriebeobachter, wie zum Beispiel das Trainingsunternehmen CAE aus Kanada, die sagen, es wird schon in zwei bis drei Jahren ein erheblicher Bedarf an Piloten entstehen und diejenigen, die dann keine Ausbildungskapazitäten haben, werden das Nachsehen haben."
Bei der Lufthansa steht voraussichtlich in fünf Jahren eine große Verrentungswelle an. Andererseits kann man bislang schwer abschätzen wie diese Corona-Krise die Luftfahrtbranche verändern wird. Wahrscheinlich werden Geschäftsführer sehr genau nachrechnen, welche Dienstreise wirklich nötig ist, und was nicht auch per Videokonferenz erledigt werden kann. Hinzu kommt die Klimakrise, die neue Anforderungen ans Fliegen stellt.
Bremen will die Schule halten
In Bremen ist man stolz auf die traditionsreiche Flugschule. Jeder Lufthansapilot, der hier eine gute Zeit hatte, war Werbung für die Hansestadt, die schon lange ein Imageproblem hat.
Aber nicht nur aus diesem Grund versucht der bremische Senat die Verkehrsfliegerschule hier zu halten, wie Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte bei einer aktuellen Stunde der bremischen Bürgerschaft im Oktober ausführt:
"Meine Damen und Herren, um es ganz deutlich zu sagen, der Bund hat Milliarden von Euro in die Hand genommen um die Lufthansa zu unterstützen und zu retten. Dieses Geld kann nicht einfach versickern, hier muss die Lufthansa auch liefern und zwar gerade auch bei den jungen Menschen, die mitten in ihrer Ausbildung zum Piloten stecken."
Bovenschulte habe schon mehrmals mit Lufthansa-Vorstand Carsten Spohr telefoniert, der seine Pilotenausbildung auch in Bremen gemacht hat. Ebenso mit Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, um dafür zu werben, dass die Bundeswehr auf die Ausbildung in Bremen bestehen bleibt. Fluglehrer Peter Hahn:
"Das ist ja in der Hinsicht gesehen für uns so extrem ernüchternd und auch schlimm einfach, dass sich da ein Verteidigungsministerium gar nicht bewusst ist, dass es eingespannt wird in eine tarifpolitische Auseinandersetzung, in Anführungsstrichen "missbraucht" wird, weil das einfach die Koordinaten verschiebt zugunsten nicht tarifierter Arbeitsplätze."
Nun hängt es auch von der Bundeswehr ab
Deshalb begrüßen Hahn und seine Kollegen auch das Engagement des Bremer Senats. In der bremischen Opposition sieht man das allerdings anders: Lencke Wischhusen Vorsitzende der bremischen FDP-Fraktion, bedauert die Situation der Flugschüler zwar, aber "Politik darf sich eben nicht in die operative Geschäftsführung der Unternehmen einmischen. Zu gerne fließen die Grenzen ineinander und wir maßen uns als Politik an, viel von den Unternehmen einzufordern. Aber was sind wir bereit zu geben? Sind wir bereit der Lufthansa zu garantieren, dass die ausgebildeten Piloten und Pilotinnen für die nächsten Jahre einen Job haben? Garantieren wir den Betroffenen ein Gehalt, wenn die Flugzeuge am Boden stehen und sie eben nicht mehr fliegen dürfen, oder fliegen können?"
Ob die Bremer Flugschule tatsächlich für immer ihre Tore schließen wird, ist noch nicht entschieden. Es wird auch davon abhängen, ob die Bundeswehr bleibt. Bis Ende des Jahres soll es darüber Gewissheit geben.
Der überwiegende Teil der Flugschüler und Flugschülerinnen jedenfalls weigert sich, einen Auflösungsvertrag zu unterschreiben. Pascal M. hat nicht mal einen Plan B.
"Ich kämpfe bis zum Schluss", sagt er. Das Bild, das er zu Beginn seiner Ausbildung von der Lufthansa hatte, hat sich gewandelt, aber der Traum vom Fliegen bleibt.
*An dieser Stelle wurde ein unzutreffender Begriff entfernt.