Die gesetzliche Unfallversicherung untersucht jedes Jahr alle Verletzungen bei Spielern in den höchsten Männer-Ligen der Mannschaftsportarten Fußball, Handball, Basketball, und Eishockey. Für den Zeitraum 2014 bis 2021 hat sie sich jetzt erstmals die indirekten Kosten für Verletzungsausfälle bei den Profi-Klubs vorgenommen, die bisher kaum untersucht worden seien:
"Das zieht dann schon einen riesigen Rattenschwanz nach sich, der je nach Sportart und Liga, also im Fußball auf jeden Fall, deutlich in die Millionenhöhe geht", erklärt Christian Klein. Er ist Wissenschaftskoordinator „Sport“ bei der VBG. Und er rechnet konkret vor: „dass die indirekten Kosten bei 16 Millionen Euro liegen!"
Verletzungen bedeuten Einnahmenverluste
Ein zweistelliger Millionenbetrag, den die gesetzliche Unfallversicherung zusammen mit der Deutschen Sporthochschule Köln allein für den Profi-Fußball ermittelt hat. Mehr oder längere Verletzungen bedeuten demnach vor allem: Weniger Einnahmen für die Vereine.
So schneidet laut der VBG eine Mannschaft beispielsweise durch Spielerausfälle schlechter in der Tabelle ab und bekommt so weniger TV-Gelder. Oder muss mit weniger Geld von Zuschauern rechnen, weil es sportlicher schlechter läuft.
Im Handball ist Prävention bereits fester Bestandteil des Trainings
Darauf würden die Berechnungen beruhen, erklärt Christian Klein:
„Jede Mannschaft hat eine Anzahl X an durchschnittlich verletzten Spielern, die eben am Tag des Spiels selber nicht zur Verfügung stehen. Und wenn dort jetzt über die ganze Saison betrachtet ein weiterer Spieler pro Spieltag verletzungsbedingt ausfallen würde, dann landen wir bei diesen etwa 16 Millionen Euro indirekten Kosten. Also Einnahmenverluste, die dahinterstehen.“
Das ist allerdings auch die maximale Summe, die möglich sein könnte. Diese Zahlen fallen vor allem im Fußball so hoch aus, weil hier die Einnahmen viel höher sind, als beispielsweise im Handball.
Die Handball-Bundesliga HBL betont auf Deutschlandfunk-Anfrage, dass in einer intensiven Kontaktsportart das Risiko von Verletzungen hoch sei. Deshalb habe man per se ein eigenes Interesse an Präventionsmaßnahmen, um die Spieler zu schützen. Ähnlich wie im Fußball würden deshalb viele Präventionsprojekte umgesetzt. So wie beim Handball-Bundesligist SC DHfK Leipzig, der seit Jahren dabei eine Vorreiterrolle einnimmt. Hier berichtet Mannschaftsarzt René Toussaint, dass Prävention fester Bestandteil des Trainings sei:
„Bei uns ist es sogar, dass ein bestimmtes Zeitfenster für ein so genanntes Defizit-Training vorgesehen ist, zum Beispiel auch vor bestimmten Trainingseinheiten. Also das wird nicht nur in Eigenregie, natürlich der erfahrene, bewusste Sportler macht da schon einiges proaktiv. Aber das wird in das Athletiktraining mit integriert.“
Bessere Prävention führt zu einer besseren Belastbarkeit der Spieler
Der positive Nebeneffekt sei dabei, dass jeder Profi auch abseits der Prävention belastbarer für das eigentliche Spiel werde. Dazu führt der Verein aus Leipzig eine Vielzahl an Tests durch, damit jeder Spieler medizinisch durchleuchtet wird und so auch körperliche Schwachstellen identifiziert werden können. So besitzt dann jeder Spieler ein individuelles Gesundheitsbild, mit denen Team-Ärzte und Trainer entsprechend die Belastung steuern können:
„Ganz konkrete Handlungsanleitungen werden daraus abgeleitet, weil sonst würden wir ja einen Datenfriedhof produzieren. Aber wir wollen ja tatsächlich eine verbesserte Funktion und Belastbarkeit des Spielers erreichen. Weil das ist die Basis für die Vermeidung von Verletzungen oder auch Überlastungs- oder Fehlbelastungsfolgen, die man vermeiden kann.“
Im Durchschnitt fällt ein Handball-Profi 30 Tage pro Saison aus
So konnten bei der Leipziger Mannschaft in den letzten beiden Spielzeiten ganz schwere Verletzungen vermieden werden. Nicht unerheblich, denn laut Sportreport der Unfallversicherung erlitten Handballspieler im Vergleich zu anderen Mannschaftssportarten die meisten Verletzungen pro Saison.
Deutlich mehr als zwei pro Spieler, knapp dahinter folgt der Fußball. Im Durchschnitt fällt ein Handball-Profi 30 Tage pro Saison aus – das ist der Spitzenwert unter den untersuchten Sportarten.
Der Fußball liegt dabei knapp darunter, insgesamt gibt es dort aber die meisten Verletzungen aller Mannschaftssportarten. Mehr als 2.000 pro Saison zählt die Unfallversicherung, ähnlich wie in anderen Sportarten gehen auch hier die Verletzungen bis zur letzten untersuchten Spielzeit 2020/21 zurück.
Prävention als Leistungsreserve für die Klubs
Allerdings sei das Verletzungsniveau weiterhin herausfordernd für die Klubs, auch weil die Belastung weiter steige, analysiert Christian Klein von der VBG:
„Unsere subjektive Wahrnehmung ist immer, dass Vereine oder Mannschaften, in denen sich das Verletzungsgeschehen dann anhäuft, leider dann dazu neigen in einen Teufelskreis zu kommen. Und es ist, wenn einmal der Wurm drin ist, oft so, dass die Belastung für die einzelnen Spieler immer höher wird. Und damit auch die Gefahr größer wird, dass die wenig verbleibenden Spieler sich dann eben auch noch verletzen.“
Diesen Teufelskreis zu durchschlagen sei schwierig für die Profi-Klubs, doch das Thema werde immer stärker wahrgenommen. Weniger Ausfälle bedeuten ja laut dem Bericht, weniger finanzielle Verluste. Zudem könnten sich Vereine mit weniger Verletzen über die Saison auch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen:
„Damit sportlicher erfolgreicher zu sein, und auch die Chance zu haben, in der Tabelle vielleicht einmal an einer Mannschaft vorbeizuziehen, die rein am Etat gemessen, eigentlich uneinholbar scheint. Also es ist auch eine Leistungsreserve für die Klubs, den einen oder anderen Größeren einmal ärgern zu können!“