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"Verpasste Chance für Europa"

Europa hätte sich mit der Fusion in der Luftfahrt gemeinsam aufstellen können, meint Klaus Barthel (SPD), Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Bundestags. Die Bundesregierung sei "nicht ganz unschuldig" an der geplatzten Fusion.

Klaus Barthel im Gespräch mit Peter Kapern | 11.10.2012
    Tobias Armbrüster: Seit gestern Abend steht fest: aus der geplanten Fusion der Rüstungs- und Luftfahrtkonzerne EADS und BEA Systems wird nichts. Die beiden Unternehmen haben ihre Gespräche abgebrochen – offenbar, nachdem sich die drei Regierungen hinter dem Deal, also Deutschland, Frankreich und Großbritannien, nicht einig geworden sind. Klaus Barthel sitzt für die SPD im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages. Mein Kollege Peter Kapern hat ihn gestern Abend gefragt, wie er diese geplatzte Fusion einsortiert, unter verpasste Chancen, oder eher in die Abteilung positive Entwicklung?

    Klaus Barthel: Also ich würde schon sagen, es ist eine verpasste Chance für Europa, jetzt sich in der Luftfahrt gemeinsam aufzustellen. Aber offensichtlich war auch der gemeinsame Wille nicht da von allen Beteiligten, da auch wirklich zu einem Erfolg zu kommen.

    Peter Kapern: Die beiden Unternehmen, die da über die Fusion verhandelt haben, sehen einen eindeutig Verantwortlichen für das Scheitern der Gespräche, nämlich die Bundesregierung. Sehen Sie das auch so?

    Barthel: Na ja, die Bundesregierung ist sicher nicht ganz unschuldig an der Entwicklung, weil sie sich jetzt in der ganzen Frage, wie soll es eigentlich weitergehen mit EADS, in den letzten Jahren völlig passiv verhalten hat und sich selber lahmgelegt hat, und das gilt im Grunde noch bis in die letzten Tage rein, bis klar war, die Bundesregierung verfügt nicht über eine interne Strategie in dem Sinne, was man konstruktiv will, sondern es war mehr so eine abwartende und blockierende Haltung. Aber ich glaube auch nicht, dass die Bundesregierung der Alleinschuldige ist, sondern es sind zu viele unterschiedliche Vorstellungen da, wie so ein Konzern hätte aussehen sollen. Die Frage war ja insbesondere, dass wohl Herr Enders versucht hat, über den Weg der Fusion auch den Staatseinfluss völlig herauszuhalten. Ich halte das bei so einem Unternehmen nicht für eine sinnvolle Strategie und ich glaube, daran ist es auch nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich gescheitert, nämlich bei der Frage, welchen Einfluss kann und muss Politik in einem solchen Unternehmen noch ausüben.

    Kapern: Warum muss die Politik einen besonders großen Einfluss in einem solchen Unternehmen ausüben?

    Barthel: Sie muss es einmal wegen der Sicherheitsinteressen, aber, ich denke, auch wegen berechtigter Standortinteressen. Das Unternehmen erwartet ja auch, dass die Politik, dass die Staaten zum Beispiel bei Beschaffungen dann entsprechend auch das Unternehmen berücksichtigen. Es ist immer ein heikler politischer Prozess im Verteidigungsbereich, aber ich glaube, es ist auch im zivilen Luftfahrtgeschäft so, dass sich der staatliche Einfluss da entgegen dem, was so behauptet wird, sicher nicht negativ ausgewirkt hat. Weil wenn man mal schaut: die Erfolgsgeschichte von Airbus ist eine, die von Anfang an im Grunde auch von einer staatlichen Unterstützung – und ich will damit ausdrücklich sagen Unterstützung und Begleitung, aber nicht Einmischung – geprägt war. Sonst gäbe es ein Projekt wie Airbus überhaupt nicht.

    Kapern: Haben Sie denn gar nicht die Befürchtung, dass eine solche Fusion, angesichts der Tatsache, dass Sie von einer verpassten Chance sprechen, dass eine solche Fusion auch viele Arbeitsplätze beispielsweise in Deutschland gekostet hätte?

    Barthel: Na ja, genau das ist ja die Frage, die es auch galt zu behandeln und eben auch der von vornherein gegenzuwirken, weil das Ganze hätte ja nur einen Sinn gemacht aus deutscher Sicht, wenn eben ein wirklich erfolgreicher und international auch konkurrenzfähiger Konzern da entstanden wäre, der auf den Weltmärkten eine Rolle spielen kann, und wo dann auch eben deutsche Standortinteressen berücksichtigt hätten werden müssen. Aber das wäre wohl so ohne Weiteres nicht gegangen, wenn einfach der politische Einfluss ausgeschaltet worden wäre, so wie Herr Enders das offensichtlich wollte, und genau das war ja der Punkt, den auch die anderen Regierungen, insbesondere auch die französische Regierung, im Blick hatten, die Frage der Arbeitsplätze.

    Kapern: Sie sagten, die Bundesregierung habe kein Zukunftskonzept für EADS. Haben Sie eines?

    Barthel: Wir sind an den ganzen Gesprächen ja als Parlament überhaupt nicht beteiligt gewesen. Wir haben schon vor Jahren, als es zum Beispiel darum ging, was passiert mit dem Anteil von Daimler, immer wieder die Bundesregierung getrieben und gefragt, wie es jetzt eigentlich weitergehen soll. Wir haben dafür plädiert, dass die Bundesregierung hier ihre Verantwortung wahrnimmt und auch deutlich macht, wozu eigentlich Politik in diesem Bereich fähig und verantwortlich ist, und wir haben immer wieder versucht, hier Druck auszuüben. Aber leider hat das nichts genutzt, sondern die Bundesregierung hat jetzt die letzten Jahre dieses Thema völlig verschlafen.

    Armbrüster: Der SPD-Wirtschaftspolitiker Klaus Barthel im Gespräch gestern Abend mit meinem Kollegen Peter Kapern.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.