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Verräterische Spuren
Auch Digitalkameras hinterlassen Fingerabdrücke

Eher durch Zufall sind Wissenschaftler darauf gestoßen, dass jede Digitalkamera, jeder Bildsensor auf den Fotos einen einzigartigen Fingerabdruck hinterlässt. Daraus sind auch schon praktische Anwendungen entstanden und das Verfahren könnte auch bei der Fahndung nach den Herstellern kinderpornografischer Bilder genutzt werden.

Von Thomas Reintjes | 07.08.2015
    Eine Frau hält eine schwarze und eine weiße Digikamera in den Händen.
    Jede Digitalkamera hat ihren eigenen "Fingerabdruck" (AFP / Yoshikazu Tsuno)
    Irgendwie war Jessica Fridrich schon immer von quadratischen Farbpunkten fasziniert. Und davon, Algorithmen auf diese Pixel anzuwenden. Zuerst ist es der Rubik's-Zauberwürfel. Als Teenager ist sie besessen davon. Sie entwickelt Methoden, um ihn möglichst rasch zu lösen und landet bei Weltmeisterschaften unter den schnellsten Zehn. In den Neunzigern wird die Fridrich-Methode berühmt, noch heute nutzen Menschen sie bei Zauberwürfel-Wettbewerben. Beruflich widmet sich Jessica Fridrich den Farb-Pixeln, aus denen Digitalbilder zusammengesetzt sind. Dabei gelingt der Durchbruch im Sommer 2004.
    "Wir entdeckten, dass digitale Bildsensoren sehr schwache, zufallsartige Signale produzieren, die für jeden Sensor einzigartig sind. Und diese Signale kann man in Bildern aufspüren, die mit diesem Gerät aufgenommen wurden."
    Jeder Bildsensor in jeder Digitalkamera - vom Handy bis zum Profigerät - hat also einen eindeutigen Fingerabdruck, den er in jedem Bild hinterlässt.
    "Man kann also ein Bild einer Kamera zuordnen, wie man eine Kugel einer Waffe zuordnen kann. Statt der Kratzer an der Patronenhülse untersuchen wir das rauschartige Muster im Bild."
    Das Verfahren gilt als gerichtsfest
    Die Entdeckung kam überraschend. Niemand hatte damit gerechnet, als ein Student in Jessica Fridrichs Büro kam und seine Ergebnisse präsentierte. "Eigentlich hatten wir nach etwas anderem gesucht, nach fehlerhaften Pixeln auf dem chipförmigen Bildsensor. Dem Studenten war aufgefallen, dass alle Pixel ein bisschen fehlerhaft waren. Alle Pixel sind leicht unterschiedlich. Und diese leichten Unterschiede bilden den Fingerabdruck, den wir detektieren können. Ich konnte es kaum glauben. Ich dachte, mein Gott, das wird eine große Sache. Ich war extrem aufgeregt, weil mir die möglichen Anwendungen klar waren. Das war eine angenehme Überraschung."
    Das Verfahren ist auch deshalb so interessant, weil es eine sehr geringe Fehlerrate hat. Weil jedes Bild aus Millionen von Pixeln besteht, die zusammen den Fingerabdruck der Kamera bilden, ist die Methode sehr zuverlässig.
    "Wir haben das Verfahren für Fotos entwickelt, für Videos, und es ist sogar möglich, den Fingerabdruck aus gedruckten Bildern zu extrahieren. Und für den Fall dass jemand einen falschen Fingerabdruck in ein Bild einfügt, haben wir Methoden entwickelt, das zu entdecken."
    Die Entwicklung kommerzieller Anwendungen läuft bereits. Das Verfahren gilt sogar schon als gerichtsfest. "Wir arbeiten mit einer Firma zusammen, die Software für Strafverfolger entwickelt. Unsere Technik wird eingesetzt, um die Urheber pornografischer Aufnahmen von Kindern zu überführen. Wenn es Indizien gibt, dass jemand mit seiner Kamera solche Bilder aufgenommen hat, kann man mit dieser Technik beweisen, dass die Bilder tatsächlich mit dieser Kamera gemacht wurden."
    Andere Anwendungen werden an der Universität Binghamton im Bundesstaat New York entwickelt, wo Jessica Fridrich Professorin ist. Darunter ein Verfahren, um sich per Smartphone-Foto auf einer Website einzuloggen. Fridrich-Methode wird das Verfahren aber nicht genannt werden. Der Name ist schon für das Lösen des Zauberwürfels reserviert.