Müller: Herr Funke, Sie haben in den vergangenen Tagen Fehler eingeräumt. Welche waren das?
Funke: Zunächst muss ich mal diesen Vorspann korrigieren. Wenn Wurst falsch deklariert worden ist, steht nicht die Bundesregierung unter Druck, sondern für diese Kontrollen sind eindeutig die Landesregierungen verantwortlich, damit das klargestellt ist.
Müller: Gut. Kommen wir zu den Fehlern.
Funke: Wir müssen nur so etwas klarstellen, damit nicht etwas Falsches im Raum steht. Nun dazu: Im nachhinein ist man natürlich immer bei allen Dingen klüger. Es ist so, wenn wir im nachhinein betrachten, wie das mit der Verfütterung von Tiermehl aussieht, hätten wir früher ein europaweites Verbot der Tiermehlverfütterung benötigt. Die Koordination zwischen Gesundheitsministerium und Landwirtschaftsministerium bedurfte einer Verbesserung, die mittlerweile einen BSE-Arbeitskreis eingerichtet hat. Hier hat es zunächst durchaus auch Abstimmungsschwierigkeiten gegeben.
Müller: Können Sie denn dieses Versäumnis politisch verantworten?
Funke: Ich weiß nicht, warum es hier um ein politisches Versäumnis geht. Das hieße ja, es ginge um Amtsverletzung. Da müssten Sie mir jetzt ein Beispiel nennen.
Müller: Sie haben die Beispiele ja gerade genannt. Sie haben gesagt: Wir haben zu spät gehandelt.
Funke: Ich habe nicht gesagt, wir hätten zu spät gehandelt, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass wir ein europaweites Verfütterungsverbot hätten eher machen sollen. Und dann darf ich darauf hinweisen, dass wir im September noch in der Agrarministerkonferenz darüber gesprochen haben. Wir wollten eine Arbeitsgruppe einrichten, um einen Ausstieg aus der Tiermehlverfütterung zu bekommen. Wir hatten im Frühjahr dieses Jahres auch darüber berichtet. Da hat im übrigen niemand gesagt, das müsse jetzt schneller gehen oder von heute auf morgen kommen. Die Medien haben nicht mal darüber berichtet, dass wir uns in der Agrarministerkonferenz damit beschäftigt haben.
Müller: Die Opposition hat Ihnen vorgeworfen, Sie hätten Hinweise auf BSE-Gefahren ignoriert. Stimmt das?
Funke: Nein, das stimmt nicht, sondern alle möglichen Gremien hat uns immer den Status der BSE-Freiheit gegeben. Das ist das eine. Zweitens: In allen möglichen Zusammenkünften mit Wissenschaftlern, auf deren Rat wir uns verlassen, ist immer klar gesagt worden, dass das, was in Deutschland an Grundlagen gilt auch bei der Herstellung von Tiermehl zum Beispiel, wir uns hier sicherer fühlen können als in anderen Ländern Europas. Und wenn Sie die BSE-Fälle zumindest zum Teil, die wir jetzt gehabt haben nehmen, da wird auch deutlich, dass es sich wahrscheinlich um Milchaustauscher handelt, die Kälbern verabreicht worden ist. Das heißt, bei uns ist die Lage unter Umständen anders als in anderen Ländern Europas.
Müller: Nun ist ja die BSE-Krise bzw. die BSE-Gefahr nicht neu in Europa. Was ist denn verschlafen worden?
Funke: Ich habe eben darauf hingewiesen. Zum anderen ist unser Erkenntnisstand über BSE europaweit zu gering. Wir wissen wissenschaftlich auch zu wenig. Wir stochern auch bei der Ursachenforschung suchend im Nebel herum, deswegen besteht ja auch die Bereitschaft, in die Forschung mehr zu investieren, um hier zu besseren Aussagen zu kommen. Sie müssen ja immer, wenn Sie vorankommen wollen, auch am besten viel wissen über die Ursachen und die Entstehung jedes einzelnen Falles. Da wissen wir leider Gottes zu wenig.
Müller: Wie ist das mit den Kontrollmechanismen in Zukunft?
Funke: Es ist so, dass für die Kontrollen - ich muss das deutlich sagen - die Länder zuständig sind. Und ich habe - Sie können das ja auch den Pressemitteilung der letzten Wochen entnehmen - immer wieder darauf hingewiesen, dass was in Kontrollen auch in den Futtermittelwerken nachzukommen hat. Offensichtlich ist das in den Ländern unterschiedlich geschehen. Das ist zu bedauern, wenn das so ist. Aber hier müssen die Länder dafür sorgen, dass in der Futtermittelherstellung auch für die Landwirte Verlass darauf ist, dass hier nicht irgendwelche Dinge passieren, die eindeutig kriminell sind oder die einfach passieren, weil es keine entsprechende Ordnung in den Betrieben gibt. Ich habe das ja zum Anlass genommen, zu sagen: Wir brauchen jetzt auch wieder bei offenen Grenzen europaweit eine Positivliste bei den Futtermitteln, die erlaubt sind. Wir brauchen die offene Deklaration der Futtermittel, damit auch der Landwirt genau informiert ist über das, was er füttert. Das ist offensichtlich notwendig.
Müller: Sie haben in unseren kurzen Gespräch jetzt schon mehrfach auf Bund und Länder und Kompetenzen hingewiesen. Was macht und was kann der Bundeslandwirtschaftsminister?
Funke: Ich habe eben schon eine Reihe von Dingen gesagt, was wir auf Europaebene voranbringen müssen. Wir haben national jetzt das Verfütterungsverbot für Tiermehl umgesetzt. Es kommt jetzt darauf an, dass wir erreichen, dass das europaweite Verbot zum einen den strengen deutschen Maßstäben genügt und zum anderen aus einem vorübergehenden ein dauerhaftes Verbot wird. Außerdem muss das, was eben von mir zu den Futtermitteln gesagt wurde, vorangebracht wird. Hier sind wir eindeutig gefragt. Außerdem müssen wir auch das Thema Fleischproduktion neu aufrollen, d.h. dafür sorgen, dass letztlich die Fleischproduktion eine gläserne Produktion wird. Die Produktionsprozesse müssen offen sein für die Landwirte und Verbraucher vom Acker bis zum Stall. Da sind wir gefordert; das müssen wir voranbringen. Da sind auch Landwirte gefordert und der Handel. Der ganze Prozess der Verarbeitungswirtschaft ist da gefordert.
Müller: Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke war das. Vielen Dank für das Gespräch.
Müller: Mitgehört in München hat der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber. Guten Morgen.
Huber: Guten Morgen.
Müller: Herr Huber, haben die Länder denn Schuld?
Huber: Was man insgesamt sagen kann, gab es Versäumnisse sowohl in der Forschung wie auch in der Umsetzung. Das kann man objektiv gar nicht bestreiten. Das hat im übrigen auch der Bundeskanzler mehrfach eingeräumt. Im nachhinein betrachtet muss ich auch sagen, man hätte Tests sowohl bei Tieren als auch bei Futtermitteln strenger und schneller durchführen müssen.
Müller: Waren die Tests und die Kontrollen auch in Bayern zu lasch?
Huber: Wir haben in der Tat auch in Bayern Tierfutter mit Beimengungen von Tiermehl, wobei es auch nicht schwierig ist, zu sagen, woher es kommt. Ist das Schlamperei oder ist das bewusst zugegeben worden? Man weiß auch nicht, woher diese Futtermittel kommen, denn wir haben einen offenen Markt in Europa. Aber insgesamt ist es natürlich schon so, dass man früher bei vielen Dingen ansetzen hätte können oder müssen. Ich möchte ein Beispiel herausgreifen: Die Deklarationspflicht bei Futtermitteln, die Herr Funke gerade angesprochen hat, hat der Bundesrat bereits schon früher gefordert. Aber das ist noch nicht umgesetzt. Also hier gibt es in der Tat viel zu tun. Ich meine auch, die Bündelung der Zuständigkeiten in Sachen Verbraucherschutz muss beim Gesundheitsministerium sein. Und da scheint mir noch einiges an Zuständigkeiten beim Bund zu regeln zu sein. Ich möchte jetzt aber nicht einfach die Schuld abschieben. Ich meine, man müsste dazu kommen, in der Tat alles darauf zu konzentrieren, um die Bekämpfung von BSE konsequent durchzusetzen. Wir müssen uns alle darauf einstellen, dass wir eine Daueraufgabe vor uns haben, die uns die nächsten Jahrzehnte begleiten wird.
Müller: Haben Sie denn in Bayern diese sogenannten frühzeitigen Signale aus Brüssel ernst genommen, wonach es Tiermehlverunreinigungen im Kraftfutter gegeben hat?
Huber: Den offiziellen Bericht dazu aus Brüssel haben wir in der letzten Woche über den Bund bekommen. Das heißt also, es gab diese frühzeitigen Warnungen aus Brüssel oder Dublin leider nicht. Dass wir natürlich allen Hinweisen jetzt, wo es mögliche Schwachstellen gibt, konsequent nachgehen, ist selbstverständlich. Aber ich meine, da sollte sich auch Brüssel nicht aufspielen als Oberlehrer, denn auf europäischer Ebene hätte man sehr viel früher handeln müssen. Denn die Frage der Bekämpfung von BSE-Verschleppung aus England war natürliche eine europäische Aufgabe, und deshalb verbitten wir uns solche Belehrungen.
Müller: Herr Huber, um da noch einmal nachzuhaken: Es hat keine frühzeitigen Hinweise aus Brüssel gegeben?
Huber: Wir haben die Hinweise auf Futtermitteltests in der letzten Woche bekommen, aber keine frühzeitigen Warnungen.
Müller: Herr Huber, was passiert jetzt in Bayern?
Huber: Wir werden ein Kompetenzzentrum schaffen für die Forschung. Das muss alle Bereiche erfassen, z.B. Tests an lebenden Tieren. Wir werden konsequent die Futtermitteltests ausweiten. Wir werden auch den Landwirten die Möglichkeit geben, ihr Futter auf Staatskosten testen zu lassen. Der Milchaustausch muss verboten werden. Es muss null Toleranz bei der Beimischung von Tiermehl geben, d.h. eine ganz konsequente Erforschung und Testung. Und es muss jedes gefährdete Fleisch und auch die Wurst aus dem Verkehr genommen werden. Konsequent und hart ist jetzt das Vorgehen.
Müller: Erwin Huber war das, Chef der bayerischen Staatskanzlei.
Link: Interview als RealAudio