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Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen in den USA

Friedbert Meurer: Das Jahr 2004 hat für den internationalen Flugverkehr ziemlich übel begonnen. Eine Urlaubermaschine mit 148 Insassen ist ins rote Meer gestürzt und die Angst vor Terroranschlägen lässt Flugzeuge erst gar nicht vom Boden abheben. Verschärfte Sicherheitsbestimmungen der USA sorgten dafür, dass Flugzeuge und Flüge von British Airways oder der Air France in die Staaten abgesagt oder erheblich verzögert wurden. Wie wird sich der Flugverkehr in diesem Jahr in die USA entwickeln? Darüber möchte ich mich unterhalten mit Georg Fongern, er ist der Vizepräsident des Weltpilotenverbandes. Wir hatten zum Jahresbeginn einige Ausfälle von Flügen, in den letzten drei Tagen nicht mehr. War das ein Ausreißer oder wird sich das in der nächsten Zeit garantiert wiederholen?

    Georg Fongern: Wenn ich die Diskussionen, die momentan in Amerika insbesondere innerhalb der Regierungskreise, aber auch der Medien, geführt werden, ansehe, denke ich, dass das erst der Anfang war.

    Meurer: Wie wird es wohl weitergehen?

    Fongern: Sie müssen sich mal die Presse von vorgestern anschauen, dort wird jetzt diskutiert; wir haben nach dem 11.9. zunächst einmal die Passagiere im Visier gehabt, die Sicherheitsverfahren verschärft, schusssichere Türen eingebaut und jetzt kann es doch sein, dass wir ganz gut sind, aber die ausländischen Fluggesellschaften und Staaten gar nicht so richtig Security machen, so wie wir uns das vorstellen – das sagen die Amerikaner. Und als zweites: diese Türen sind im Prinzip kontraproduktiv, denn es könnten die Terroristen ja von vornherein schon im Cockpit sitzen und sind durch diese Türen erst noch geschützt. Die Diskussion spitzt sich immer weiter zu und wird auch immer grotesker.

    Meurer: Sind Sie der Meinung, dass sich die europäischen Fluggesellschaften von den Amerikanern nicht vorhalten lassen müssen, zu wenig für die Sicherheit zu tun?

    Fongern: Gerade wir hier in Deutschland waren und sind immer noch meilenweit den Amerikanern in der Technologie, aber auch in der Flexibilität der Verfahren voraus und brauchen uns da nichts vorwerfen zu lassen, obwohl gerade wir Deutschen in Amerika teilweise schikanös behandelt werden.

    Meurer: An welcher Stelle sehen Sie Schikanen?

    Fongern: Zum Beispiel bei der Ein- oder Ausreise unserer Besatzungen. Ähnlich geht es ja mittlerweile sogar den Israelis, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Israel, ein Land, eine Fluggesellschaft, die die schärfsten Sicherheitsmaßnahmen schon seit Menschengedenken hat, diese Besatzungsmitglieder müssen jetzt bei der Ein- und Ausreise biometrische Daten hinterlassen. Da werden Fingerabdrücke gefordert, aber nicht nur dort, auch von Brasilianern und anderen ausgesuchten Ländern.

    Meurer: Werden beim Anflug auf die USA nicht alle gleich behandelt, europäische im vergleich zu amerikanischen Fluggesellschaften?

    Fongern: Manchmal entsteht dieser Eindruck, das ist schon richtig. Wir wissen aus der Diskussion vor dem 11.9. - insbesondere, wenn es um Sicherheitsmaßnahmen ging - war es immer sehr einfach, Sicherheit vorzuschieben, um Wettbewerbsvorteile für die amerikanischen Fluggesellschaften zu bekommen und zu generieren. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Hintergedanke noch immer ein bisschen da ist.

    Meurer: Beim Vergleich, wie europäische oder amerikanische Piloten und Luftfahrtgesellschaften behandelt werden, müssen amerikanische Piloten nicht ihre biometrischen Daten abgeben, wenn sie aus dem Ausland angeflogen kommen und auf einem US-Flughafen landen?

    Fongern: Momentan ist es nicht der Fall, kann aber natürlich noch kommen, wenn sich diese Hysterie noch weiter steigert. Aber interessanterweise stehen auch die amerikanischen Piloten mittlerweile überhaupt nicht mehr hinter diesen Maßnahmen, weil sie im Prinzip die Sicherheit nicht erhöhen. Es ist reiner Aktionismus.

    Meurer: Bezeichnen Sie auch als Aktionismus, wenn Kampfjets aufsteigen und beispielsweise Air France beim Landeanflug begleiten?

    Fongern: Aktionismus dann, wenn keine eindeutigen Hinweise vorliegen, dass an Bord tatsächlich Terroristen sitzen und das Flugzeug unter Kontrolle haben.

    Meurer: Sind diese Kampfjets im Zweifelsfalle dazu gedacht, die Maschine abzuschießen?

    Fongern: Ich gehe davon aus, ansonsten würde man ja diese Flugzeuge nicht starten lassen. Wir lehnen dieses Abschießen von Zivilflugzeugen generell ab und das entspricht auch dem internationalen Abkommen.

    Meurer: Damit hätte man aber den Horror von New York am 11. September verhindern können.

    Fongern: Ja, aber wir haben mittlerweile auch ganz andere Maßnahmen eingeführt. Einmal schon am Boden verschärfte Maßnahmen, aber dann auch in unseren Cockpits weltweit, ich erinnere nur an die schusssicheren Türen.

    Meurer: Stemmen Sie sich eigentlich noch gegen "Skymarshalls" an Bord, gegen bewaffnete Flugbegleiter?

    Fongern: Wir sind seit November 2001 in Deutschland bereits mit "Skymarshalls", bewaffneten Flugbegleitern, unterwegs. Wir haben im Konsens mit den Fluggesellschaften und dem Innenminister Verfahren entwickelt, mit denen wir sichergehen können, dass diese Menschen erstens gut ausgebildet sind, zweitens Beamte, drittens mit uns gemeinsam Verfahren entwickelt haben, dass uns selbst bei einer Schießerei immer noch eine Chance bleibt, das Flugzeug sicher an den Boden zu bringen.

    Meurer: Das war Georg Fongern, er ist der Vizepräsident des Weltpilotenverbandes, vielen Dank für das Gespräch.