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Verschiffte Waffen
Heiße Ware am Hamburger Hafen

Schon seit Ende letzten Jahres stecken Container am Hamburger Hafen fest, beschlagnahmt vom Zoll. Die Container sollen Waffenteile aus Polen beinhalten, die für Ägypten bestimmt sind. Ministerien schieben sich seitdem Verantwortlichkeiten zu.

Von Axel Schröder | 19.06.2014
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    Irgendwo auf den weiten Terminals des Hamburger Hafens stecken schon seit Ende letzten Jahres ein, zwei, vielleicht drei Container fest (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Auf den Containerterminals im Hamburger Hafen herrscht Hochbetrieb. Jeden Tag hieven die Hafenkräne über 25.000 Stahlboxen aus den Schiffsbäuchen oder stapeln sie hinein. Kaum ist ein Container per LKW oder Schiff im Hafen angekommen, wird er weitertransportiert. Zeit ist Geld.
    Irgendwo auf den weiten Terminals stecken schon seit Ende letzten Jahres ein, zwei, vielleicht drei Container fest. Was drin ist, erzählt am Rande der gestrigen Bürgerschaftssitzung Katharina Fegebank, die Landesvorsitzende der Hamburger Grünen:
    "Meine letzte Information ist, dass es nach wie vor den Container mit Waffenteilen aus Polen für Ägypten bestimmt, gibt. Der liegt im Hafen von Hamburg. Es gibt ja verschiedene Ministerien, die immer die Verantwortung von einem zum nächsten schieben. Die auch nicht auskunftsfähig sind. Wir wissen, dass zumindest nach heutigem Stand die Waffenteile noch dort sind und fragen uns, wann da endlich etwas passiert..."
    ... und ob der oder die Container mit Panzer-Ersatzteilen weiter nach Ägypten verschifft oder ob sie zurück nach Polen zum Hersteller geschickt werden. Schon im Frühjahr versuchte der ägyptische Außenminister bei einem Berlin-Besuch Druck zu machen. Vergeblich. Die Beamten des Hamburger Hauptzollamts wollen die heiße Ware nicht passieren lassen, so die Sprecherin des Amtes, Bianca Gülck:
    "Dieser sagenumwobene Container, der hier in Hamburg steht, unterliegt im Moment noch der Prüfung und der Entscheidung der zuständigen Bundesbehörden. Das ist ein schwebendes Verfahren, und ich darf ihnen dazu als Vertreter der Zollbehörden dazu nichts sagen."
    Zuständigkeiten völlig unklar
    Zuständig für die Zollverwaltung ist das Bundesfinanzministerium. Auf Anfrage dort heißt es: Über die brisante Fracht im Hafen entscheidet das Bundeswirtschaftsministerium und das ihm nachgeordnete Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, kurz BAFA. Im Bundeswirtschaftsministerium fühlt man sich für die Hamburger Container jedoch auch nicht zuständig. Der Ministeriumssprecher spielt per E-Mail den Ball wieder zurück ans Bundesministerium für Finanzen. Und das BAFA reagiert erst gar nicht.
    Vielleicht, weil die Beamten im Bundesamt Ende letzten Jahres an der Lieferung für das ägyptische Militär nichts auszusetzen hatten und erst dem Hamburger Zoll auffiel, dass der Export von Rüstungsgütern nach Ägypten zumindest gegen die Grundsätze der EU verstößt. - Kollektives Schweigen also - übrigens nicht nur Journalisten gegenüber. Die Hamburger Grüne Katharina Fegebank ärgert sich auch darüber, dass die zuständigen Behörden beim Thema Rüstungsexport Auskünfte verweigern. In Zukunft sollten Rüstungsexporte über den Hamburger Hafen, also Waffenlieferungen in Krisenländer ganz verboten werden, fordern die Grüne. – In der Hamburger Wirtschaftsbehörde gibt es - wen wundert's - Bedenken gegen solche Pläne. Rechtlich sei das gar nicht möglich, EU-Regeln zum freien Güterverkehr stünden dem entgegen, so Sprecherin Susanne Meinecke:
    "Das ist, wenn man ehrlich ist, wenn man den Anspruch hat, ein Welthafen zu sein, auch schwierig zu argumentieren. Weil, wo fängt so eine Reglementierung dann an? Fangen wir bei Waffen an? Gehen über genmanipulierten Mais? Produkte aus Ländern, die frauenfeindlich sind? Kleidung aus Bangladesch? Wo fängt das an und wo hört das auf? Das ist für eine Wirtschaftsmetropole schwierig!"
    Wie viele Waffen und Rüstungsgüter über den Hafen in die Welt verschifft werden, gab Ende Mai das Bundesfinanzministerium bekannt. Jan van Aken, Linken- Bundestagsabgeordneter aus Hamburg, hatte dazu eine Kleine Anfrage gestellt: Pro Jahr werden in der Hansestadt mehrere Zehntausend Pistolen, Revolver und Gewehre, Panzerfahrzeuge, Waffenteile und Munition verschifft. Täglich im Durchschnitt drei Container. Warenwert: 3,3 Millionen Euro allein zwischen Oktober und Dezember 2013.
    Widerstand formiert sich
    Dagegen formiert sich seit zwei Monaten Widerstand. Eine Allianz aus Pastoren, Wissenschaftlern und Künstlern will den Transport von Rüstungsgütern stoppen. Und mit Peter Krämer ist sogar ein alteingesessener Hamburger Reeder unter den Protestlern:
    "Wir haben im 20. Jahrhundert genügend angerichtet. Wir haben einfach die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, diesen - entschuldigen Sie: Das ist viel zu harmlos: Mist wirklich zu beenden!"
    Krämers Freund, Christoph Störmer, hat das Bündnis initiiert. Der hagere Mittsechziger ist Hauptpastor der St. Petri-Kirche in der Innenstadt, protesterprobt durch die Friedens- und Anti-AKW-Bewegung. Und nun machen ihn die Waffenexporte wütend und kämpferisch. Und er will herausbekommen, wo die Container - mit dem brisanten Inhalt im Hafen lagern:
    "Wenn man die identifiziert hat, dann wird es kribbelig für die Port Authorities. Auch weil dann in Hamburg hier und da, denke ich auch, sei es Sitzblockaden, sei es Transparente sichtbar werden: Wir wollen nicht, dass aus unserem Hafen Gewalt exportiert wird."
    Demos, Transparente, Sitzblockaden - ganz so wild entschlossen ist die Landesvorsitzende der Hamburger Grünen, Katharina Fegebank, nicht. Aber auch sie will endlich wissen, wo im weiten Hafen sie stehen, die polnischen Containern für Ägypten. Und was wirklich drin ist:
    "Es ist gar nicht leicht, die Möglichkeit zu haben, dort über das Zollamt auf das Gebiet zu kommen. Wir versuchen einen Termin zu bekommen. Und ob ich mich dann rankette, das sei dahingestellt. Ich würde mir das einfach gerne mal angucken, um dann auch weiter politisch damit arbeiten zu können."