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Verschlusssache Sicherheit

Ob Luxusjacht, Kanzleramt, Reihenhaus im Grünen oder Knast - eines haben diese Behausungen alle gemeinsam. Jede Menge Türen. Und dass diese geschlossen bleiben und böse Buben weder rein noch rauskommen, dafür sorgt seit 140 Jahren ein Unternehmen aus Velbert.

Von Klaus Deuse | 02.09.2011
    "Dieser Kollege lädt gerade die Federn und Gehäusestifte ins Gehäuse. All diese Tätigkeiten und Maschinen, die hier sind, arbeiten in einem Maßbereich von Plusminus zwei hundertstel Millimeter.Auf einer Seite können bis zu 75 Sperrelemente drin sein."

    Mit Sicherheitsschließsystemen dieser Art könne man 90 Prozent der bösen Buben vom Einbruch abhalten, ist Rolf Stodtner überzeugt. Stodtner ist der Leiter Werkzeugbau bei einem der international führenden Türschlosshersteller. Bei CES in Velbert am Rande des Ruhrgebiets. CES steht für Carl Eduard Schulte, Sohn eines Werkzeugmachers namens Heinrich Schulte, der das Unternehmen vor 140 Jahren gründete. Wirtschaftlich notgedrungen. Denn im Bergischen Land brachte die Landwirtschaft nicht mehr viel ein, sodass sich die Schultes nach einer einträglichen Nebenerwerbstätigkeit umschauten und in der Metallverarbeitung eine Chance erblickten. Mit Erfolg. Denn Schutz des Eigentums durch kaum zu knackende Schließsysteme ist auch in der sechsten Generation nach dem Gründer weiterhin gefragt. Weltweit.

    "Der mechanische Schlüssel ist ein Informationsträger im Sinne von Einschnitten und Profilierung. Und diese Informationen sind auf einem mechanischen Schlüssel gespeichert. Und damit hat man die reine Handhabung der Öffnung der Tür und die Identifizierung, den Sicherheitsaspekt, gekoppelt und hat das Zylindergeschäft entwickelt."

    Das, so Geschäftsführer Eckhart Leptien, ist der Kerngeschäft von CES. Ein in Jahrzehnten erworbenes Knowhow, das auch anspruchsvolle Kunden zufriedenstellt. Kunden, für die verschließbare Sicherheit über alles geht.

    "Also in Deutschland sind wir natürlich besonders stolz auf unser Paradeobjekt, den Reichstag. Wobei man sagen muss, Reichstag ist nicht nur dieses populäre Gebäude, sondern die komplette Bundestagsverwaltung steckt dahinter. Das sind in Berlin über 30 Liegenschaften, bis hin zur Fahrbereitschaft, die alle unter einer Schließanlage, unter einem Generalhauptschlüssel, funktionieren. Dazu gibt es im ganzen Regierungsviertel noch diverse andere Ministerien, die wir ausgestattet haben. Bis hin zum Kanzleramt."

    Dass aber ein untergeordneter Mitarbeiter die Tür zum Büro von Angela Merkel mit seinem Schlüssel aufschließt, das sei bei dem ausgeklügelten System einfach nicht möglich:

    "Das geht nicht. Weil die Zylinder und die Schlösser, die wir herstellen, Unikate sind. Und da wird in einem Schließband sehr genau darauf geachtet, dass es keine Überschneidungen gibt."

    Im Berliner Polit-Betrieb könnte ein Generalschlüssel zwar sämtliche Türen öffnen und Einblicke ermöglichen, doch den gibt es Sicherheitsgründen laut Eckhart Leptien nur auf dem Papier, produziert wurde er nie. Kundenorientierte Sicherheits-Maxime ist in dem Geschäft das A und O. Oder wie es Rolf Sodtner in der Fabrikation erklärt:

    "Es gibt ein sogenanntes Order-Center, das wir haben. In diesem Order-Center wird berechnet, welche Funktion der Schlüssel in der Schließanlage haben muss. Das geht natürlich heutzutage über Computer und PC, wird als Datensatz da eingesteuert und die Maschine ruft dann diesen Datensatz ab. Von da aus läuft ein Schema, wo auf allen Maschinen mit dem gleichen Datensatz gearbeitet wird. Man muss ja Schlüssel, Kern und Gehäuse entsprechend zur Bestellung zueinander erhalten."

    Bei CES geht es um Präzision und zugleich um Diskretion. Zum Beispiel im höchsten Hotelgebäude der Welt, dem Burj Dubai. Dort sind - nach den Worten von Eckhart Leptien circa 2500 Sicherheitszylinder eingebaut worden.

    "Wir haben Vertreter vor Ort, die Aufmaße machen, die sich die Gegebenheiten im Haus anschauen und dann über einen sogenannten Schließplan das zurückmelden, dass wir hier entsprechende Fertigungsdateien erzeugen können."

    Mehr wird nicht verraten. Auch nicht darüber, welche Schließanlagen man für das Weiße Haus in Moskau, den traditionellen Sitz der russischen Regierung, geliefert hat. Sicherheit hat ihren Preis, zu der auch Verschwiegenheit gegenüber den Kunden aus den arabischen Ölscheichtümern gehört. Beim Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden hingegen konnte man die Karten auf den Tisch legen, da es bei der Restaurierung darum ging, den Zustand des Baus um Mitte 1700 wieder her zu stellen. Eckhart Leptien: " Die besondere Anforderung bestand halt darin, alte Schlösser mit moderner Technologie nachzuempfinden."

    Kein Problem für die Qualitätsabteilung von CES, die auch der Polizei bei kniffligen Fällen unter die Arme greift.

    "Wir arbeiten auch eng mit kriminalpolizeilichen Stellen zusammen im Bereich der Entwicklung. Wir kriegen Schlüssel oder Zylinder zugeschickt mit der Fragestellung: Wie ist dort geöffnet worden und ist überhaupt gewaltsam geöffnet worden?"

    Frei nach dem Motto "das Böse ist immer und überall" sind Ingenieure bei CES damit beschäftigt, kriminellen Machenschaften gezielt durch neue Sicherheitskonzepte einen Riegel vorzuschieben. Beispielsweise in der Entwicklung von elektronischen Schlössern. Etwa, so Sylvia Lambach, für sensible Krankenhausbereiche.

    "Es kommt ja vor, dass Säuglinge entführt werden. Das ist ja wirklich ein trauriges Thema. Da gibt es beispielsweise Lösungen im Krankenhausbereich, dass das Baby einen Transponder hat und beispielsweise die Krankenschwester auch und dass nur beide zusammen an einer Leseeinheit vorbeigehen können. Wenn jemand unberechtigt käme und diesen Transponder nicht hätte, würde ein Alarm ausgelöst."

    Elektronische Sicherheitssysteme, die zurzeit noch etwa zehn Prozent des gesamten Jahresumsatzes von 40 Millionen Euro ausmachen, aber kräftige Zuwachsraten erzielen. Doch noch spülen die hochwertigen mechanischen Schließsysteme nicht wenig Geld in die Kassen. Schlösser für Warenautomaten werfen zwar auch einiges ab, doch um Großkunden mit luxuriösen Jachten ist der international viel gefragte Mittelständler auch nicht verlegen. Weder von Scheichs aus dem Mittleren Osten noch von russischen Oligarchen.

    "Ein jüngstes Beispiel war die Jacht von Herrn Abramowitsch, die "Eclipse". Dort sind über 130 Innentüren in diesem Schiff, die alle mit unseren Schließanlagen von CES abgeschlossen sind."

    Sicherheit in Regierungszentralen und auf hoher See zu liefern, das hätte sich der Firmengründer aus Velbert wohl kaum träumen lassen.