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Verschollenes Flugzeug
"Sehr rätselhafter Fall"

Wo soll am besten nach der Boeing von Malaysia Airlines gesucht werden, die vor fast einer Woche spurlos verschwand? Indischer Ozean oder doch der Meeresgrund zwischen Malaysia und Vietnam? Martin Locher, stellvertretender Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, sagte im Deutschlandfunk, im Moment sei es sinnvoller, die Umgebung abzusuchen, in der man bereits gesucht habe.

Martin Locher im Gespräch mit Jasper Barenberg | 14.03.2014
    Jasper Barenberg: Hat die vermisste Passagiermaschine der Malaysia Airlines noch über Stunden Signale über ihre Position, ihre Flughöhe und die Geschwindigkeit abgesetzt? Die Behörden bestreiten das, vehement sogar, aber allen Dementis zum Trotz hält sich die Theorie, dass die Boeing 777 mit 239 Menschen an Bord noch Hunderte Kilometer von ihrem Kurs abgewichen ist und in Richtung des Indischen Ozeans geflogen.
    Am Telefon begrüße ich Martin Locher, den stellvertretenden Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit.
    Wie rätselhaft ist die ganze Geschichte für Sie?
    Locher: Ja, das ist in der Tat sehr rätselhaft. Insbesondere die Art und Weise, wie die Berichterstattung stattfindet, dass man keine konkreten Erkenntnisse hat und sich nur im spekulativen Bereich bewegt, ist schon sehr seltsam.
    Haben Triebwerke Daten gesendet?
    Barenberg: Dann lassen Sie uns ein bisschen dazu beitragen, dass wir jedenfalls wissen, was an Bord einer solchen Maschine passiert und passieren kann. Was ist das für ein System, über das jetzt spekuliert wird, das Signale über Position, Höhe und Geschwindigkeit absetzen kann?
    Locher: Grundsätzlich ist die erste Signalvariante der Transponder, der für die Flugsicherung auf dem Radar erkennbar ist, dem Sekundärradar. Das heißt, für die Flugsicherung ist jederzeit erkennbar, wo sich welches Flugzeug befindet, in welcher Höhe, mit welcher Geschwindigkeit. Das ist allerdings ein Signal, das man ausschalten kann im Flugzeug. Darüber hinaus gibt es noch das sogenannte Engine Trend Monitoring. Das bedeutet, die Triebwerke senden Daten, Leistungsdaten an die Airline oder auch den Hersteller, um grundsätzlich schon Fehlfunktionen vorher erkennen zu können. Das ist nicht zur Ortung des Flugzeugs gedacht, sondern nur, um die Wartung der Triebwerke effizienter zu gestalten.
    Barenberg: Aber man kann mit diesem System in einem solchen Notfall beispielsweise auch Informationen generieren, die eine Ortung möglich machen?
    Locher: Ja, das kann man. Man kann zumindest sicher sagen, solange das Triebwerk Daten sendet, läuft das Triebwerk auch und das Flugzeug ist entweder mit laufenden Triebwerken in der Luft, oder am Boden.
    Auch kein Absturz-Notsignal empfangen
    Barenberg: Jetzt haben Sie von dem Transponder gesprochen, über den die Flugsicherung in der Lage ist, die Position des Flugzeuges zu bestimmen. Wir fragen uns ja alle diese Tage, wie das überhaupt sein kann, dass ein solches Flugzeug unterwegs ist und die Position nicht mehr bekannt ist. Können Sie uns das erklären?
    Locher: Ja. Es gibt wie gesagt die eine Variante, dass das Flugzeug abgestürzt ist. Dann verschwindet das Ziel vom Radarschirm. Allerdings ist es dann auch so, dass man die letzte Position kennt beziehungsweise eingrenzen kann. Das heißt, man muss dann irgendwann auch Trümmerteile finden können. Darüber hinaus gibt es noch das sogenannte ELT. Das ist der Emergency Locator Transmitter, der im Falle eines Absturzes für eine gewisse Zeit ein Signal sendet, sodass man das Wrack auch finden kann. Das ist ja in dem Fall auch nicht geortet worden. Insofern ist das bei diesem Flug sehr seltsam, was da passiert ist.
    Barenberg: Und was glauben Sie, wenn jetzt völlig unklar ist, ob dieses Flugzeug möglicherweise noch stundenlang in eine unbekannte Richtung geflogen ist, gibt es dann überhaupt noch Hoffnung – da reden wir über Tausende von Kilometern -, überhaupt noch rauszufinden, wo dieses Flugzeug möglicherweise abgestürzt sein könnte?
    Locher: Nein. Man kann ja überhaupt nicht sagen, wie weit in welche Richtung das Flugzeug dann geflogen ist, im extremen Fall so lange, bis die Tanks leer sind. Man kann aber überhaupt nicht mehr nachvollziehen, in welche Richtung. Insofern wird das in dem Fall dann sehr, sehr schwierig.
    Eventuell Suchradius vergrößern
    Barenberg: Das heißt, wie schätzen Sie die Situation im Moment ein? Wenn Sie sagen, es gibt nur Spekulationen über solche möglichen Signale, die gesendet wurden, aber keine handfesten Fakten, was ist dann jetzt noch zu tun?
    Locher: Im Grunde, solange man nicht sicher weiß, dass dieses Engine Trend Monitoring noch weiterhin gesendet hat, denke ich, ist es immer noch der sinnvollste Weg, die Umgebung abzusuchen, in der man bisher auch schon gesucht hat. Sofern man die Daten des Engine Trend Monitoring haben kann und es sichergestellt ist, dass die Triebwerke noch gesendet haben, dann muss man den Radius eben deutlich vergrößern, so weit wie noch das Flugzeug fliegen hätte können mit dem verbleibenden Treibstoff.
    Barenberg: Wenn wir davon ausgehen, dass das Flugzeug abgestürzt ist, kann man denn unter Wasser Signale erkennen, oder gibt es Signale, die von unter Wasser aus gesendet werden, anhand derer man die Position bestimmen kann?
    Locher: Ja, dieses Signal sendet auch unter Wasser bis zu einer sehr großen Meerestiefe. Auch in diesem Fall wäre das Flugzeug zu orten. Dieses Notsignal sendet auch für mehrere Tage. Insofern ist das genau das Mysteriöse an diesem Fall, dass dieses System nicht sendet.
    Barenberg: Das ist für Sie das große Rätsel, dass dieses Notsignal nirgendwo empfangen wurde und wird?
    Locher: Genau so ist es, denn im Falle eines Absturzes sendet dieses System automatisch. Da braucht der Pilot nichts machen, sondern das geht von selbst. Insofern ist das das Mysteriöse in dem Fall.
    Barenberg: …, sagt Martin Locher von der Pilotenvereinigung Cockpit heute Mittag live im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch.
    Locher: Ja, sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.