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Verschwendung von Lebensmitteln
Zu wenig Fleisch für die Tafeln

Jedes Jahr landen in Deutschland 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll - viel zu viel, sagen Umweltschützer. Altes Obst und Gemüse wird daher inzwischen oft an Tafeln weitergegeben. Beim Fleisch dagegen ist das bislang schwierig, auch aufgrund regulatorischer Hürden.

Von Annette Eversberg | 08.08.2019
Ehrenamtliche Helfer von "Laib und Seele" sind bei der Essensausgabe von bedürftigen Menschen in einem Vorraum der Evangelischen Advent-Zachäus Kirche beschäftigt.
Obst, Gemüse und Milchprodukte landen bei den Tafeln. Fleisch dagegen nur selten. (Annette Riedl / dpa )
Weintrauben, Äpfel, Paprika, Möhren oder auch Milchprodukte, die Supermärkte nicht mehr verkaufen können, kommen praktisch jeden Tag bei den Tafeln an. Hackfleisch, Hähnchenschenkel oder Schweineschnitzel sind dagegen selten. Jochen Brühl, Vorstandsvorsitzender des Dachverbandes der Tafeln in Deutschland nennt die Zahlen:
"Wir bekommen im Jahr sehr viele Lebensmittel, insgesamt 264.000 Tonnen, wir verschwenden im Jahr 18 Millionen Tonnen in Deutschland. Also nicht so viel, aber für uns sehr viel. Davon sind 41 Prozent Obst und Gemüse, 20 Prozent Backwaren und circa acht Prozent Fleisch- und Wurstwaren."
Verbrauchsdatum als Hürde
Im Gegensatz zu Deutschland bieten die Tafeln in Frankreich Bedürftigen deutlich mehr Fleisch oder Fisch an. Ein Grund dafür sind unterschiedliche Haltbarkeitsdaten für verschiedene Produkttypen. Obst, Gemüse oder Milchprodukte tragen in Deutschland das sogenannte "Mindesthaltbarkeitsdatum". Umweltberaterin Beate Böckenholt aus Münster:
"Das Mindesthaltbarkeitsdatum, das ist das Datum, wo der Hersteller garantiert, dass das Produkt von der Konsistenz, von der Farbe her und vom Geschmack her beständig ist, also bis dahin verändert sich das nicht. Und das heißt nicht, dass man bei Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums das Produkt wegwerfen muss."
Ein luftdicht abgepackter Joghurt kann noch zwei Monate später genießbar sein. Fleischprodukte in der Kühltheke, vor allem Hackfleisch oder Hähnchenschenkel, sind dagegen mit einem "Verbrauchsdatum" ausgezeichnet. Beate Böckenholt:
"Das Verbrauchsdatum ist das Datum, bis zu dem ein Produkt tatsächlich verbraucht werden soll, bei rohem Fleisch, Gehacktem, bei rohem Fisch ist das der Fall, weil diese Produkte sich mikrobiologisch verändern, was dann zu entsprechenden gesundheitlichen Folgeerscheinungen führen kann."
Überschreiten verpflichtet zum Wegwerfen
Ist das Verbrauchsdatum überschritten, muss damit ausgezeichnetes Fleisch vorschriftsmäßig als Müll entsorgt werden. Zur Entsorgung verpflichtet sind dann aber neben dem Handel auch die Tafeln. Ebenso die Foodsharing-Vereine, die der Lebensmittelverschwendung den Kampf angesagt haben. Marius Kroll von den Foodsavern aus Münster:
"Wenn die Sachen ein Verbrauchsdatum haben, dann ist ganz klar geregelt, dass die Sachen eigentlich, sobald das Verbrauchsdatum überschritten ist, anders als beim Mindesthaltbarkeitsdatum, nicht mehr weitergegeben werden. Auch von den Foodsavern."
Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin stellt eine Spende für die Tafel zusammen
Lebensmittel für die Tonne
Wenn Tafeln zu viel oder das Falsche bekommen
Tafeln sammeln aussortierte Lebensmittel von Supermärkten ein, die sie an Bedürftige weitergeben. Allerdings sind das nicht immer die Lebensmittel, die tatsächlich nachgefragt werden.
Dass weniger Fleisch an die Tafeln geliefert wird, hat – so der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels – noch andere Gründe. Durch gute Planung und Logistik, aber auch aufgrund der Digitalisierung in den Supermärkten erreichen geringere Fleischmengen als früher vor dem Verkauf das Verfallsdatum. Außerdem werden Fleischprodukte wenige Tage vor Ablauf des Verbrauchsdatums günstiger angeboten. Julia Völker aus Münster, die als Mittlerin zwischen Betrieben und den Foodsavern agiert, kann das bestätigen:
"Tatsächlich sehen wir da jetzt keine großen Fleischmengen, das heißt, vielleicht haben die Supermärkte tatsächlich auch andere Möglichkeiten aufgebaut, Fleisch zu verkaufen. Weil Fleisch tatsächlich auch ein sehr teures Produkt ist. Und natürlich ist es auch überhaupt nicht im ökonomischen Interesse des Betriebes dann, dass große Fleischmengen weggeschmissen werden."
Lückenlose Kühlkette muss eingehalten werden
Die Weitergabe von Fleisch und Fleischprodukten oder auch Fisch an Tafeln oder Foodsaver scheitert nach Informationen von Lidl und Rewe zudem daran, dass die gemeinnützigen Organisationen die vorgeschriebene Kühlkette von zwei Grad bei leicht verderblichem Fleisch nicht ohne Weiteres einhalten können. Der Handel müsse dafür aber geradestehen. Jochen Brühl vom Dachverband Tafel Deutschland wüsste eine Lösung:
"Gerade wenn der Handel sagt, wir brauchen mehr Kühlmöglichkeiten, dann muss ich dem Handel sagen, ja, dann unterstützt die Tafeln, indem ihr Kühlflächen zur Verfügung stellt oder Kühlfahrzeuge. Und die Politik bitte ich sehr darum, die Hürden für Lebensmittelspenden zu senken und Klarheit zu schaffen, wer beim Spenden von leichtverderblichen Lebensmitteln am Ende auch haftet, um auch weiter die Verschwendung zu reduzieren."
Im Frankreich gibt es ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung. Spender erhalten steuerliche Vorteile. Jochen Brühl, der auch Mitglied im Vorstand der europäischen Foodbank ist, wirbt für die Tafeln:
"Wir haben bisher ein freiwilliges System mit dem Handel, was gut funktioniert, aber auch langsam an die Grenzen kommt. Und deshalb muss natürlich das auch heißen, die Tafelarbeit in Deutschland muss auch finanziell unterstützt werden. Und dann ist Gesellschaft, Politik und Handel auch in der Pflicht."