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Versicherungsschäden und andere Hochwasserfolgen

Die Wucht des Hochwassers hat Erdmassen bewegt, Öl, Schmutz und Fäkalien auf Felder und private Grundstücke geschwemmt und vielfach war auch die Stromversorgung zeitweise unterbrochen. Wann kommt welche Versicherung zum Tragen?

Das Gespräch führte Georg Ehring | 17.06.2013
    Georg Ehring: Der Staat will Hochwasseropfern mit Milliarden zur Seite springen, doch von dieser Ankündigung hat der einzelne Geschädigte erst einmal gar nichts. Es muss Zahlstellen geben und Kriterien dafür, wie das Geld verteilt wird, und das ganze muss schnell gehen und trotzdem möglichst zielgenau, denn Milliarden-Summen wecken auch Begehrlichkeiten von Menschen, die gar nicht geschädigt worden sind.
    Das Hochwasser hat viele Fragen aufgeworfen, die man sich vorher überhaupt nicht stellen konnte. Die Wucht des Wassers bewegt Erdmassen, schwemmt Öl, Schmutz und Fäkalien auf Felder und private Grundstücke und hat vielfach auch die Stromversorgung zeitweise unterbrochen. Antworten auf viele solcher Fragen bieten die Verbraucherzentralen, und bei der Verbraucherzentrale Sachsen beschäftigt sich Andrea Heyer mit dem Thema und sie ist uns jetzt aus Leipzig zugeschaltet. Guten Tag, Frau Heyer.

    Andrea Heyer: Schönen guten Tag.

    Ehring: Frau Heyer, viele Menschen haben Fragen zum Thema. An den Deutschlandfunk hat sich Familie Herbst gewandt und sie fragt, wer für die Beseitigung von Ölschäden aufkommt, wenn ein Öltank geborsten ist und das Öl auf benachbarte Grundstücke gelaufen ist. Frau Heyer, können Familien, Nachbarn auf Schadenersatz hoffen und wer hilft der betroffenen Familie selbst?

    Heyer: Man muss hier sagen, dass jeder, der einen Öltank beispielsweise im Garten stehen hat, unbedingt eine Gewässerschaden-Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben sollte, auch wenn das nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Diese Versicherung würde letztlich die Kosten für die Beseitigung übernehmen. Die Beseitigung sollte natürlich entweder durch die Feuerwehr oder durch eine Fachfirma erfolgen. Ob die Feuerwehr hier die Kosten tatsächlich in Rechnung stellt, ist fraglich, denn letztlich, wenn eine Gefahr für das Allgemeinwohl besteht, werden Kosten nicht erhoben. Andernfalls kann das schon der Fall sein. Da besteht dann vielleicht, wenn kein Versicherungsschutz existiert, auch die Möglichkeit, das dann über staatliche Hilfen abzudecken. Wir haben das ja im vorangegangenen Beitrag auch gehört.

    Ehring: Das heißt, wenn diese Gewässerschaden-Haftpflichtversicherung nicht abgeschlossen ist, ist aber die Familie erst mal selber dran, der der Öltank gehört?

    Heyer: Vom Prinzip her ja, aber es wäre natürlich zu prüfen, ob der Schaden tatsächlich verschuldet herbeigeführt worden ist. Ohne Schuld auch kein Schadenersatz.

    Elementarschadenversicherung und Hausratversicherung
    Ehring: Ist denn die Heizungsanlage normalerweise über die Hausratversicherung versichert, oder ist das Sache der wohngebäudeversicherung?

    Heyer: Da kann ich vielleicht ein Bild zeichnen, was man sich gut merken kann. Alles was aus dem Haus herausfallen würde, wenn man es auf den Kopf stellt, ist über die Hausratversicherung versichert. Demzufolge kann man den Rückschluss ziehen, durch die Wohngebäude wird alles geschützt, was direkt mit dem Haus verbunden ist, also auch die Heizungsanlage. Voraussetzung ist natürlich, dass ich zu der Wohngebäudeversicherung auch den Elementarschadenschutz abgeschlossen habe.

    Ehring: Zahlt denn die Versicherung auch bei mittelbaren Hochwasserschäden, beispielsweise wenn es durch das viele Wasser zu einem Bergrutsch gekommen ist und dadurch ein Schaden am Haus entstanden ist?

    Heyer: Die Elementarschadenversicherung ist ja keine reine Hochwasser- beziehungsweise Überschwemmungsversicherung, sondern sie deckt ja auch eine ganze Reihe anderer Naturgefahren ab, eben auch den Erdrutsch, Erdsenkungen, auch Lawinen und Schneedruck sowie Erdbeben, und das heißt natürlich als Antwort ja, der Erdrutsch ist auch versichert, wenn man eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen hat.

    Ehring: Jetzt haben wir den Fall: ein überfluteter Keller durch einen Rückstau und es gibt eine Elementarschadenversicherung. Der Gutachter macht aber widersprüchliche Angaben zum Versicherungsschutz. Gibt es denn in solchen Fällen Versicherungsschutz, oder hängt das von der einzelnen Police ab, oder besteht er nicht?

    Heyer: Das ist nicht ganz einfach, denn das Risiko Rückstau ist nicht immer automatisch in der Elementarschadenversicherung enthalten. Es muss meistens auch gesondert vereinbart werden und dann kann es sein, dass in dem Zusammenhang auch Auflagen an den Hauseigentümer erfolgt sind, beispielsweise hinsichtlich des Einbaus von Rückstauklappen, und da können sogar bestimmte Ausführungen gefordert sein. Wenn der Hauseigentümer dieser vertraglichen Pflicht nicht nachgekommen ist, dann kann es zum Streit über die Entschädigung kommen. Man muss zunächst erst noch mal ins Kleingedruckte gucken und was ist überhaupt vertraglich vereinbart.

    Sachverständigenverfahren
    Ehring: Die Versicherungsvertreter haben jetzt jede Menge Arbeit, und wenn Kunden den Eindruck haben, dass der Schaden am Gebäude aus Zeitmangel nur ganz oberflächlich begutachtet worden ist und die Schadenshöhe nicht vernünftig ermittelt wurde, was kann man dann tun?

    Heyer: Ja, es ist nicht ausgeschlossen, dass es zum Streit über die Feststellung der Schadenhöhe kommt. Dann gibt es grundsätzlich zwei Wege. Das eine wäre, aufgrund der Versicherungsbedingungen kann man ein Sachverständigenverfahren einleiten. Das heißt, es würde ein zweites Gutachten erstellt durch drei Personen: einen Sachverständigen, den der Verbraucher benennt, einen Sachverständigen, den das Versicherungsunternehmen benennt, und letztlich einen sogenannten Obmann. Die drei setzen sich zusammen und erstellen ein neues Gutachten. Das wäre dann verbindlich. Das heißt, ich könnte dann nicht mehr den Gerichtsweg gehen.

    Wenn ich aber von vornherein eine unabhängige Entscheidung durch ein Gericht haben möchte, vielleicht auch, weil der Schaden besonders hoch ist, dann sollte ich eher von Anfang an diesen gerichtlichen Weg gehen, mithilfe eines spezialisierten Anwalts, und ein Beweisverfahren einleiten.

    Verdorbene Lebensmittel
    Ehring: Zwei Fragen zum Thema Lebensmittel. Die Erste: Zahlt denn die Hausratversicherung auch verdorbene Lebensmittel im Kühlschrank oder in der Tiefkühltruhe? Das ist ja durch die Überflutung dieser Geräte entstanden.

    Heyer: Da muss man sicherlich unterscheiden. Wenn die Lebensmittel durch die Überschwemmung verdorben wurden, dann gibt es Ersatz über die Hausratversicherung, wenn wiederum zu dieser der Elementarschadenschutz vereinbart wurde. Wenn es jedoch lediglich durch eine Stromabschaltung oder einen Stromausfall zum Verderben der Lebensmittel gekommen ist, also nicht zu einer Überschwemmung, dann wird wohl der Versicherer nicht zahlen. Aber auch hier gibt es Unterschiede. Es gibt bestimmte Komfortpakete, Premiumpakete von Versicherern, da muss man dann noch mal reinschauen. Aber vom Grundsatz ist es leider so.

    Ehring: Kann man denn Obst und Gemüse von Überschwemmungsflächen noch essen und vielleicht auch einlagern? Es gibt ja zum Beispiel Menschen, die bauen Kartoffeln im eigenen Garten an und der Garten wurde überschwemmt. Die Kartoffeln werden möglicherweise noch reif, aber mit richtig gutem Gefühl isst man die ja jetzt nicht mehr.

    !Heyer: Wir haben ja eingangs gerade das Beispiel mit dem Öl gehabt. Fäkalien sind auch viel mit herumgeschwommen oder vielleicht auch Schwermetalle. Es ist nicht zu raten, nun noch dieses Obst und Gemüse, was jetzt reif wird, aus dem Garten zu verzehren, sondern es sollte kompostiert werden.

    Mittelbare Folgen des Hochwassers - nicht angetretene Urlaubsreisen
    Ehring: Nun gibt es ja auch mittelbare Folgen des Hochwassers, zum Beispiel, wenn man eine gebuchte Urlaubsreise nicht antreten kann, weil man in den Ferien Hochwasserschäden beseitigen muss. Kann man die Reise kostenfrei stornieren?

    Heyer: Das ist das Problem. Wenn der Reiseort nicht in einer betroffenen Hochwasserregion sich befindet, dann ist keine kostenfreie Stornierung möglich. Stornieren kann ich immer, aber es ist ja die Frage: Es fallen Kosten an und wer trägt die. Helfen würde in diesen Fällen, wenn ich eine Reiserücktrittskostenversicherung abgeschlossen habe. Da sind auch Eigentumsschäden durch Elementargefahren enthalten. Andernfalls, wenn ich diese Versicherung nicht habe, könnte ich es ja trotzdem vielleicht versuchen, mich an den Reiseveranstalter zu wenden, um Kulanz zu bitten. Vielleicht kann man zu einem späteren Zeitpunkt die Reise nachholen oder eine andere Reise buchen. Da sollte sicherlich auch ein Entgegenkommen möglich sein.

    Kündigung einer Versicherung
    Ehring: Wenn jetzt mein Haus überschwemmt worden ist, kann der Versicherer meine Elementarschadenversicherung nach dem Schadensfall kündigen, und erwarten Sie, dass so etwas passiert?

    Heyer: Es ist schon so, dass auch der Versicherer Kündigungsrechte hat, nicht nur der Versicherungsnehmer. Die Kündigungsrechte sind einmal die außerordentlichen im Schadenfall. Er könnte beispielsweise, wenn er den Schaden reguliert hat, außerordentlich kündigen. Wir wissen und wir haben gehört, da gibt es Appelle beispielsweise von Ministerpräsidenten, dies nicht zu tun. Aber das schließt nicht aus, dass dem später eine ordentliche Kündigung folgt, also zum Ablauf des Versicherungsjahres. Wenn beispielsweise das Versicherungsjahr von Dezember bis zu Dezember geht, ist es möglich, dass dann zum Dezember der Vertrag gekündigt wird. Wir sind sehr gespannt als Verbraucherzentralen, wie die Versicherer sich hier verhalten werden. Wir werden das genau beobachten, wir werden auch eine Umfrage zu dem Thema machen, denn aus unserer Sicht darf es nicht zu den Kündigungen kommen.

    Pflichtversicherung
    Ehring: Auf unserer Facebook-Seite wird zurzeit heftig über die Pflichtversicherung gegen Hochwasser und andere Elementarschäden diskutiert. Was halten Sie denn davon?

    Heyer: Wir sagen, Versicherungen sind dazu da, um Existenzrisiken abzusichern, und daraus folgt, dass wir für eine Elementarschaden-Pflichtversicherung sind, und das nicht erst jetzt seit diesem Hochwasser, sondern wir haben uns mit dieser Forderung bereits im Jahr 2002 an die Öffentlichkeit gewendet. Es gab dann eine ernsthafte Diskussion bis ungefähr 2004 über die Einführung einer Pflichtversicherung. Es herrschte weitgehend Einigkeit zwischen Wissenschaft, Politik, Ministerien und Verbraucherschutz. Dann kam aber die Versicherungswirtschaft und hat eine Staatsgarantie gefordert und in dem Zusammenhang haben dann Bund und Länder doch die Hände gehoben und haben gesagt, das ist nicht darstellbar, und so ist das seinerzeit wieder ad acta gelegt worden. Die Diskussion wird jetzt neu geführt werden und wir hoffen, dass es zur Einführung einer solchen Elementarschaden-Pflichtversicherung kommt.

    Ehring: Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale Sachsen – ganz herzlichen Dank.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.