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Versöhnung von Windenergie und Naturschutz

Windenergieanlagen sind gut fürs Klima, aber schlecht für Fledermäuse: Bis zu 70 dieser bedrohten Tiere können im Jahr von den Rotorblättern einer Windmühle erschlagen werden. Nun haben Forscher der Uni Hannover ein Computerprogramm entwickelt, das Windmühlen gezielt abschaltet, wenn die Fledermäuse fliegen.

Von Michael Engel | 03.07.2013
    70 Windenergieanlagen – von Bensersiel bis Bayern – wurden in einer Voruntersuchung unter die Lupe genommen. Das war vor zwei Jahren. Über sechs Monate wurden die toten Fledermäuse am Fuße der Windmühlen gezählt. Die Wissenschaftler um Michael Reich, Professor am Institut für Umweltplanung der Uni Hannover wollten herausfinden, bei welchen Wetterlagen die Tiere besonders häufig mit den Windmühlen kollidieren:

    "Die Fledermäuse fliegen aus unterschiedlichen Gründen. Im Sommer ist es im Wesentlichen die Nahrungssuche. Das heißt, man macht sich vom Versteck, vom Quartier, wo man den Tag verbracht hat, dann auf in die Jagdgebiete, um dort Insekten zu jagen. Das heißt, das Risiko ist immer dann hoch, wenn gute Jagdnächte sind, wenn viele Insekten fliegen.

    Und Insekten fliegen natürlich bei – wenn es warme Nächte sind – bei hohen Temperaturen. Bei geringen Windgeschwindigkeiten. Also man kann das über die Windgeschwindigkeit, über die Tageszeit, über die Temperatur und über die Witterung ganz gut eingrenzen."

    Durchschnittlich elf bis 12 tote Fledermäuse fanden die Forscher in dem Untersuchungszeitraum pro Windkraftanlage. Nach den Voruntersuchungen entwickelten Informatiker nun ein Computerprogramm, das die Windkraftanlagen gezielt abschalten sollte, wenn Fledermäuse durch die Lüfte sausen. Aktiv wird das Programm aber nur in den Abendstunden, denn nur dann fliegen die nachtaktiven Tiere herum, erklärt Ivo Niermann an einem Beispiel:

    "Im Mai, wenn die Sonne um 20.45 Uhr untergeht, dass dann von 20.45 Uhr bis 21.30 Uhr beispielsweise die Windgeschwindigkeit, ab der die Anlage wieder laufen kann, bei 6,3 Metern pro Sekunde liegt. So muss man sich das vorstellen."

    6,3 Meter pro Sekunde entspricht Windstärke 4. Da bei dieser Windstärke keine Fledermäuse mehr fliegen, kann die Anlage wieder anfahren. Vergangenes Jahr wurde das Computerprogramm an 16 Windkraftanlagen über sechs Monate getestet.

    "Es kam dabei heraus, dass das, was wir vorhergesagt oder als Schwellenwert definiert haben, sehr präzise getroffen wurde. Man kann die Anlagen auf null Tiere praktisch reduzieren. Was wir aber angestrebt haben war, dass maximal zwei Tiere pro Jahr und Anlage geschlagen werden dürfen. Und dieser Wert wurde jetzt in dieser Untersuchung sehr präzise getroffen."

    In der Untersuchung ein Jahr zuvor waren es noch 12 tote Fledermäuse pro Anlage und Jahr. Mit der neuartigen Abschaltautomatik, die ganz bewusst nicht auf null Schlagopfer eingestellt wurde, haben die Forscher nun auch den Beweis, dass mit dem Programm die Zahl der Schlagopfer im Vorhinein sogar eingestellt werden kann. Der Energieverlust hielt sich übrigens in Grenzen: Ein Minus von nur einem Prozent, denn abgeschaltet wurden die Anlagen immer dann, wenn der abendliche Wind nur schwach wehte: null bis drei Windstärken.

    "Das ist – glaube ich – ein ganz wichtiger Punkt, wenn man die Energiewende erfolgreich gestalten will, dass man versucht, die erneuerbaren Energien umweltverträglich auszubauen, und da ist dieser Abschalt-Algorhythmus sicherlich ein ganz zentraler Baustein, wie man das tun kann. Und die Ergebnisse zeigen auch, dass die Ertragseinbußen in einem Bereich sind, der für die Betreiber durchaus verschmerzbar ist."

    Nun, so Michael Reich, seien die Behörden gefordert. Denn jetzt gibt es ein Werkzeug, mit dem die Zahl der Schlagopfer unter den Fledermäusen auf ökologisch verträgliche Weise begrenzt werden kann.