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Versöhnung von Wirtschaft und Kultur

Es ist gut zwanzig Jahre her, da hatte der Gründer des Weltwirtschaftsforums in Davos die grandiose Idee, so etwas Ähnliches für die Kultur zu machen: ein Weltkulturforum. Doch dann schlief die Sache schnell wieder ein und kam erst jetzt wieder in den Sinn: In Dresden findet ein Gründungssymposium als Basis für ein künftiges Weltkulturforum statt.

Von Carsten Probst |
    "Mit dieser Tagung haben die Initiatoren einen neuen Ruf entsandt, wiederum mit der Absicht, weltweite Aufmerksamkeit zu erringen, "

    lobte Kulturstaatssekretär Hermann Schäfer unter Anspielung auf den sogenannten Dresdner Ruf von 1990 zur Wiedererrichtung der Frauenkirche. Richtig ist, man möchte in Dresden mal wieder Geschichte schreiben, Kulturgeschichte am liebsten. Einige Dutzend VW-Phaetons übertönen bei ihrer Parade vor der Gläsernen Manufaktur mit schnurrenden Motoren das Theater um die Waldschlösschenbrücke. Auch Autobauer sind schließlich Künstler. Trotz zehntausend verschickter Einladungen wollte sich aber leider nur B-Prominenz sich sächsische Selbstbeweihräucherungsspektakel antun wollte. Kein Bill Gates, kein Joseph Ackermann, nicht einmal die Bundeskanzlerin. Mit Ausnahme der immer schon tapferen Schriftstellerin Herta Müller auch kein Künstler. Dafür aber ein sächsischer Ministerpräsident vorneweg mit einer wahrhaft welthistorischen Absage an die staatliche Kulturförderung:

    "Gerade hier in Ostdeutschland steht man dem Hang zur Staatskultur und Staatskunst äußerst skeptisch gegenüber. Zweifellos braucht man auch staatliche Ressourcen, um staatliches Erbe zu pflegen, aber die Frage, welche kulturellen Aktivitäten gefördert werden sollen, lässt man lieber den Bürger selbst beantworten."

    Dem konnte Stephan Sattler, Kulturredakteur des Magazins Focus, natürlich nur beipflichten:

    "Ich find, wir sollten nicht Kultur verkaufen als etwas, das man fördern muss, das irgendwie nicht so populär ist und dass deswegen ständig gejammert werden muss und so."

    Doch je weiter die Tagung fortschritt, desto mehr mahnende Stimmen erhoben sich.

    "Von dieser Kultur geht eine solche Faszination aus, dass immer größere Teile der Menschheit sie ganz oder Teilweise zu übernehmen versuchen. Doch wo soviel Licht ist, sind auch die Schatten besonders dunkel. Denn andererseits zerstört diese unsere Kultur ihre physischen und biologischen Grundlagen in einer Geschwindigkeit und einer Gründlichkeit, wie dies wohl noch keine Kultur zuvor getan hat."

    warnte der Soziologe Meinhard Miegel und musste sich dafür von Unternehmervertreterseite, natürlich bei ausgeschalteten Mikrophonen, heftige Schelte gefallen lassen, denn wer wolle bei solch einem festiven Anlass solche Miesmachereien hören. Sollte Miegel beim nächsten Mal eingeladen werden, werde die Wirtschaft ihren Rückzug vom Forum erwägen.
    Aber die Mahner waren nicht mehr aufzuhalten.

    "Eine Kultur, ebenso wie die Religion, hat die Aufgabe, Begrenzungen zu ermöglichen. Ein klassisches Beispiel für Entgrenzung ist die jüngste Finanzkrise, "

    mahnt etwa Kurt Biedenkopf, einer der Ideengeber für dieses Forum, und sieht damit wenigstens einen ganz praktischen Sinn in kulturellen Aktivitäten, deren Auswüchse man freilich ebenso zurückweisen müsse wie religiösen Fanatismus. Der Wirtschaftswissenschaftler Franz Josef Radermacher gab sich ebenfalls hemmungslos den katastrophischen Aspekten des Themas hin

    "Wir können nämlich ein globales System bekommen, das den Globus in eine brasilianische neofeudale Struktur verwandelt, die durchaus langfristig stabil ist. Man nennt das die Brasilianisierung. Das wäre eine Welt mit einer Supereliteklasse, die über die heutige Form einer schlechten globalen Governance 95 Prozent der Menschheit versklavt und für sich als belieb nutzbares Material verfügbar macht. "

    Das hatte man sich in Dresden sicher anders vorgestellt. Statt positiver Botschaften regierte Bildungsmisere, Terrorismus und Armutsprobleme in den Köpfen. Hilflos wirkten die Versuche von Firmen, für ihr positives Kulturengagement zu werben. Wenn das so weitergeht, könnte das Weltkulturforum schneller Geschichte sein, als gedacht.