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Verstehen statt erkennen

Die künstliche Intelligenz macht Fortschritte. Kunden, die künftig die Nummer einer Service-Hotline anrufen, werden das bald merken - oder auch nicht. Denn die Software "Lingua" versteht Sprache, statt sie nur zu erkennen - und täuscht so einen echten Gesprächspartner vor.

Von Eva Wolk | 06.06.2011
    Lingua-Stimme: "Herzlich willkommen bei E wie einfach! Wie kann ich Ihnen helfen?"

    Anrufer: "Ja, ich möchte gerne wissen, wie der Liefertermin für meinen Strom ist."

    Lingua: "Um diese Frage beantworten zu können, brauche ich noch eine Authentifizierung. Bitte nennen Sie mir daher jetzt Ihre vierstellige PIN-Nummer."
    So hört sich neueste Form der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine, sprich Computer an: Die Stimme, die die Software "Lingua" generiert, klingt relativ natürlich. Sie hat das Anliegen verstanden und auch analysiert, dass sie diese Frage nicht jedem beantworten darf, sondern nur registrierten Kunden. Und sobald der sich authentifiziert hat, spricht ihn die künstliche Servicelady nicht nur mit seinem Namen an, sondern kann seine Frage auch sofort beantworten:
    Lingua: "Herr Stevenson, Sie hatten den ersten August als Liefertermin vereinbart. Dieser Termin wird wie besprochen eingehalten. Wir freuen uns darauf, Sie beliefern zu dürfen. Konnte ich Ihre Frage hinreichend beantworten?"

    Anrufer: "Ja."

    Lingua: "Haben Sie noch eine weitere Frage?"

    Anrufer: "Ja."

    Lingua: "Wie kann ich Ihnen helfen?"
    Höflich und freundlich, prompte Auskunft – das lässt man sich als Kunde gefallen. Die künstliche Intelligenz der Software macht es möglich, dass sie die Bedeutung der Worte versteht, so wie ein menschliches Gehirn. Apropos menschlich:
    Anrufer: "Oh du Scheißmaschine, wann krieg ich denn endlich meine Gutschrift!"

    Lingua: "Ich muss doch sehr bitten - so können Sie vielleicht mit Ihrem alten C64 reden, aber nicht mit mir! – Zurzeit kann ich keinen Überweisungsauftrag für eine Gutschrift für Sie finden. Einen Moment bitte, ich verbinde Sie mit einem Mitarbeiter, der sich gründlicher mit dem Problem befassen kann als ich."

    Der Geschäftsführer der Heidelberger Firma Human Machine Intelligence, Lars Stevenson, hat sichtlich Spaß daran, die neueste und mit dem Deutschen Innovationspreis 2011 ausgezeichnete Entwicklung seines Hauses vorzuführen. Sie ist gedacht vor allem für Unternehmen, die täglich Tausende von Kundenkontakten abzuarbeiten haben. Die meisten Anrufe oder Mails betreffen Standardfragen, und die kann eine intelligente Software viel schneller beantworten als ein Mensch. Kompliziertere Anliegen reicht Lingua an einen menschlichen Mitarbeiter weiter.

    Lars Stevenson: "Beispiel aus dem Mobilfunkbereich: Da gibt es viele, die Verträge in Kombination mit Goodies vermarkten: Ich kriege ein Notebook, wenn ich mir einen Mobilfunkvertrag hole. Ich kriege meine Rechnung sehr schnell, und das Notebook zwei Wochen später, und auch da werden viele unruhig und fragen nach nach einer Woche, wann krieg ich eigentlich mein Notebook – ein typischer Fall, den wir dann vollautomatisch beantworten können. Klar, jeder von uns möchte am liebsten mit einem persönlichen Menschen sprechen und beraten werden. Aber in der heutigen Zeit, wir haben Kunden, die haben teilweise 3000, 4000 Anrufe mal fünf, sechs Minuten. Das ist kostentechnisch und menschlich gar nicht mehr richtig abzufedern, und dadurch leiden halt Kundenservices. Und wir gehen genau in diese Lücke rein, stellen den Anrufer zufrieden oder denjenigen, der eine Email schreibt – er hat schnell seine Informationen, die er haben möchte –, helfen aber auch dem Unternehmen, sich auf die wirklich wichtigen Fragen zu konzentrieren und das ganze Standardgeschäft den Kollegen Computer erledigen zu lassen."

    Lingua: "Haben Sie noch eine weitere Frage?"


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