Stützle: Guten Tag, Herr Meurer.
Meurer: An welchen Waffen ist China denn tatsächlich interessiert?
Stützle: Woran präzise China interessiert ist, ist in der Literatur nur sehr schwerlich auszumachen. Was man mit Gewissheit feststellen kann aus dem Urteil der Chinaexperten ist, dass China sich, was seine Streitkräfte anbelangt, in einem fundamentalen Wandlungsprozess befindet von einer Massenstreitkraft hin zu einer für das 21. Jahrhundert ausgerichteten modernisierten Streitkraft und dass es da einen erheblichen Bedarf gibt an Ausrüstungsmaterial, Waffen und Ausrüstungsgegenständen, ist naheliegend und da China lange Jahre bis vor kurzem der Hauptimporteur von Waffen gewesen ist, darf man annehmen, dass sich dies auch in Zukunft, jedenfalls für einige Zeit, nicht ändern wird. Mir scheint aber, dass das Thema des Waffenexports nach China auf einen anderen wichtigen Gegenstand hinlenkt, der aber wenig diskutiert wird, den ich für den eigentlichen wichtigen halte und das ist die Veränderung in der strategischen Landschaft, die sich vollkommen von Europa nach Asien verlagert hat und mit dieser Verlagerung muss man sich sehr beschäftigen.
Meurer: Was meinen Sie mit Veränderung der strategischen Landschaft?
Stützle: Die vielen Jahrzehnte der Ost-West-Konfrontation hatten Europa zum Mittelpunkt auch der nuklearen Gefahren gemacht. Dieses ist gottseidank nun beendet seit 1989, die Gefahrenzone hat sich ganz nach Asien verlagert, auch die nukleare, denken Sie daran, dass Pakistan und Indien nicht nur heftige politische Fehden miteinander haben, sondern Nuklearmächte sind. China ist eine Nuklearmacht, hat erhebliche Interessengegensätze mit Japan, übrigens auch, was Bodenschätze angeht in der chinesischen See; nicht gerade ein konfliktfreies Verhältnis. Beide sind bereits beachtliche Militärmächte.
Meurer: Wenn diese Situation so strategisch kritisch ist im Moment, sind Sie dann der Meinung, eine Aufhebung des Waffenembargos an China kommt nicht in Frage?
Stützle: Nein, dieser Meinung bin ich nicht, ich meine, dass das nicht das zentrale Thema sein darf. Ich halte es für dingend notwendig, dass die Veränderung der strategischen Gesamtsituation - übrigens auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Entwicklungen in Asien, dass dieses Thema auf die europäische Tagesordnung kommt und dass eine Antwort durch die EU gefunden werden muss, die ja seit zwei Jahren sozusagen eine gemeinsame Grundstrategie für das Verhalten gegenüber China beschlossen hat. Ich halte es für falsch, in diesem Zusammenhang den Rüstungsexport zum zentralen Thema zu machen.
Meurer: Aber die Frage steht nun mal an. Sie können sich also vorstellen, das Embargo aufzuheben und Waffen an China zu liefern?
Stützle: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.
Meurer: Aus welchen Gründen nicht?
Stützle: Aus den Gründen, die ich gerade genannt habe. Ich glaube, dass es viel wichtiger ist, sich zunächst zu vergegenwärtigen, was die europäischen Interessen sind im Verhältnis zu China, der aufsteigenden Weltmacht schlechthin neben Russland, Indien und Japan. Wenn diese Interessen definiert sind, wird man wissen, was das außenpolitische Instrumentarium ist, welche Rolle der Wirtschaftsverkehr mit China hat. Die EU ist heute schon nach Amerika und Japan der drittgrößte Handelspartner der Volksrepublik China.
Meurer: Das könnte aber alles doch für den Kurs des Kanzlers sprechen.
Stützle: Dann wird man auch wissen, ob die chinesische Volksrepublik bereit ist, ihre Konflikte, die sie mit ihren Nachbarn hat, so zu regeln, wie wir es uns in Europa über lange Jahrzehnte mühsam angewöhnt haben, nämlich auf eine friedliche Art und nicht mit Gewaltandrohung, wie das kürzlich gegenüber Taiwan beschlossen worden ist und in diesem Zusammenhang wird man dann auch wissen, ob eine Rüstungszusammenarbeit mit China einen Platz hat und welchen Platz sie hat. Dass man der Weltmacht China eine Rüstungszusammenarbeit wird nicht verweigern können, liegt auf der Hand, aber man muss dazu den richtigen Rahmen und Zeitpunkt haben. Aber beides scheint mir heute nicht gegeben zu sein.
Meurer: Was würden Sie denn dem Kanzler jetzt empfehlen? Weiter auf Konfrontationskurs zum kompletten Bundestag zu gehen?
Stützle: Das Thema Außenpolitik, Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative ist ein Thema, von dem ich auch nach gründlicher Lektüre des Zeit-Interviews - und das kann ich nur allen empfehlen, die sich zu diesem Thema äußern wollen - nicht ganz nachvollziehen kann, warum das jetzt eingeführt worden ist. Dieser Aspekt wird uns nicht weiterführen bei der Klärung unserer Interessen, es scheint mir aber ganz wichtig zu sein, dass die grundsätzliche Klärung einer europäischen Position natürlich voraussetzt, dass auch die deutsche Position, wie die französische und die britische, um mal drei wichtige zu nennen, geklärt werden und dann zu einer europäischen zusammengeführt werden, dass man dazu auch das Parlament und den auswärtigen Ausschuss wird brauchen müssen, liegt auf der Hand.
Meurer: Der Außenminister spricht von einem Konsens, der angestrebt werden muss zwischen dem Kanzler und seinen Kritikern. Wie könnte das aussehen?
Stützle: Ich denke, der Konsens wird nicht dadurch zustande kommen, dass die derzeit unterschiedlichen Positionen über die Medien weiterhin ausgetragen werden, so sehr das für Sie und für mich die Sache sozusagen einfacher macht, sie nachzuvollziehen. Ich denke, es ist wichtig, dass die politisch Verantwortlichen - und das ist natürlich in allererster Linie der Kanzler und die Partei- und Fraktionsvorsitzenden und natürlich auch die Abgeordneten im auswärtigen Ausschuss - sich klar werden, was für die Bundesrepublik Deutschland in dieser Situation außenpolitisch geboten ist und das müsste ja ganz komisch laufen, wenn es nicht möglich wäre, diese wichtige Frage einvernehmlich zu klären. Vielleicht hat der innenpolitische Qualm, der gegenwärtig ja auch an vielen anderen Orten angezündet wird Außenminister Fischer ist ja nun aus anderen Gründen in einigen Schwierigkeiten und natürlich macht es der Opposition Spaß, diese Schwierigkeiten dadurch zu vergrößern, dass versucht wird, Juckpulver zu schütten in das Verhältnis zwischen Kanzler und Außenminister. Wenn diese Phase vorbei ist, wird man vielleicht wieder zu Substanzfragen zurückkehren können. Das ist zu hoffen und dazu gehört der richtige Umgang mit China und eine deutsche Position, die in der EU vertreten und eingenommen und für die dann hoffentlich dann auch die Mehrheit gewonnen werden kann.
Meurer: An welchen Waffen ist China denn tatsächlich interessiert?
Stützle: Woran präzise China interessiert ist, ist in der Literatur nur sehr schwerlich auszumachen. Was man mit Gewissheit feststellen kann aus dem Urteil der Chinaexperten ist, dass China sich, was seine Streitkräfte anbelangt, in einem fundamentalen Wandlungsprozess befindet von einer Massenstreitkraft hin zu einer für das 21. Jahrhundert ausgerichteten modernisierten Streitkraft und dass es da einen erheblichen Bedarf gibt an Ausrüstungsmaterial, Waffen und Ausrüstungsgegenständen, ist naheliegend und da China lange Jahre bis vor kurzem der Hauptimporteur von Waffen gewesen ist, darf man annehmen, dass sich dies auch in Zukunft, jedenfalls für einige Zeit, nicht ändern wird. Mir scheint aber, dass das Thema des Waffenexports nach China auf einen anderen wichtigen Gegenstand hinlenkt, der aber wenig diskutiert wird, den ich für den eigentlichen wichtigen halte und das ist die Veränderung in der strategischen Landschaft, die sich vollkommen von Europa nach Asien verlagert hat und mit dieser Verlagerung muss man sich sehr beschäftigen.
Meurer: Was meinen Sie mit Veränderung der strategischen Landschaft?
Stützle: Die vielen Jahrzehnte der Ost-West-Konfrontation hatten Europa zum Mittelpunkt auch der nuklearen Gefahren gemacht. Dieses ist gottseidank nun beendet seit 1989, die Gefahrenzone hat sich ganz nach Asien verlagert, auch die nukleare, denken Sie daran, dass Pakistan und Indien nicht nur heftige politische Fehden miteinander haben, sondern Nuklearmächte sind. China ist eine Nuklearmacht, hat erhebliche Interessengegensätze mit Japan, übrigens auch, was Bodenschätze angeht in der chinesischen See; nicht gerade ein konfliktfreies Verhältnis. Beide sind bereits beachtliche Militärmächte.
Meurer: Wenn diese Situation so strategisch kritisch ist im Moment, sind Sie dann der Meinung, eine Aufhebung des Waffenembargos an China kommt nicht in Frage?
Stützle: Nein, dieser Meinung bin ich nicht, ich meine, dass das nicht das zentrale Thema sein darf. Ich halte es für dingend notwendig, dass die Veränderung der strategischen Gesamtsituation - übrigens auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Entwicklungen in Asien, dass dieses Thema auf die europäische Tagesordnung kommt und dass eine Antwort durch die EU gefunden werden muss, die ja seit zwei Jahren sozusagen eine gemeinsame Grundstrategie für das Verhalten gegenüber China beschlossen hat. Ich halte es für falsch, in diesem Zusammenhang den Rüstungsexport zum zentralen Thema zu machen.
Meurer: Aber die Frage steht nun mal an. Sie können sich also vorstellen, das Embargo aufzuheben und Waffen an China zu liefern?
Stützle: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.
Meurer: Aus welchen Gründen nicht?
Stützle: Aus den Gründen, die ich gerade genannt habe. Ich glaube, dass es viel wichtiger ist, sich zunächst zu vergegenwärtigen, was die europäischen Interessen sind im Verhältnis zu China, der aufsteigenden Weltmacht schlechthin neben Russland, Indien und Japan. Wenn diese Interessen definiert sind, wird man wissen, was das außenpolitische Instrumentarium ist, welche Rolle der Wirtschaftsverkehr mit China hat. Die EU ist heute schon nach Amerika und Japan der drittgrößte Handelspartner der Volksrepublik China.
Meurer: Das könnte aber alles doch für den Kurs des Kanzlers sprechen.
Stützle: Dann wird man auch wissen, ob die chinesische Volksrepublik bereit ist, ihre Konflikte, die sie mit ihren Nachbarn hat, so zu regeln, wie wir es uns in Europa über lange Jahrzehnte mühsam angewöhnt haben, nämlich auf eine friedliche Art und nicht mit Gewaltandrohung, wie das kürzlich gegenüber Taiwan beschlossen worden ist und in diesem Zusammenhang wird man dann auch wissen, ob eine Rüstungszusammenarbeit mit China einen Platz hat und welchen Platz sie hat. Dass man der Weltmacht China eine Rüstungszusammenarbeit wird nicht verweigern können, liegt auf der Hand, aber man muss dazu den richtigen Rahmen und Zeitpunkt haben. Aber beides scheint mir heute nicht gegeben zu sein.
Meurer: Was würden Sie denn dem Kanzler jetzt empfehlen? Weiter auf Konfrontationskurs zum kompletten Bundestag zu gehen?
Stützle: Das Thema Außenpolitik, Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative ist ein Thema, von dem ich auch nach gründlicher Lektüre des Zeit-Interviews - und das kann ich nur allen empfehlen, die sich zu diesem Thema äußern wollen - nicht ganz nachvollziehen kann, warum das jetzt eingeführt worden ist. Dieser Aspekt wird uns nicht weiterführen bei der Klärung unserer Interessen, es scheint mir aber ganz wichtig zu sein, dass die grundsätzliche Klärung einer europäischen Position natürlich voraussetzt, dass auch die deutsche Position, wie die französische und die britische, um mal drei wichtige zu nennen, geklärt werden und dann zu einer europäischen zusammengeführt werden, dass man dazu auch das Parlament und den auswärtigen Ausschuss wird brauchen müssen, liegt auf der Hand.
Meurer: Der Außenminister spricht von einem Konsens, der angestrebt werden muss zwischen dem Kanzler und seinen Kritikern. Wie könnte das aussehen?
Stützle: Ich denke, der Konsens wird nicht dadurch zustande kommen, dass die derzeit unterschiedlichen Positionen über die Medien weiterhin ausgetragen werden, so sehr das für Sie und für mich die Sache sozusagen einfacher macht, sie nachzuvollziehen. Ich denke, es ist wichtig, dass die politisch Verantwortlichen - und das ist natürlich in allererster Linie der Kanzler und die Partei- und Fraktionsvorsitzenden und natürlich auch die Abgeordneten im auswärtigen Ausschuss - sich klar werden, was für die Bundesrepublik Deutschland in dieser Situation außenpolitisch geboten ist und das müsste ja ganz komisch laufen, wenn es nicht möglich wäre, diese wichtige Frage einvernehmlich zu klären. Vielleicht hat der innenpolitische Qualm, der gegenwärtig ja auch an vielen anderen Orten angezündet wird Außenminister Fischer ist ja nun aus anderen Gründen in einigen Schwierigkeiten und natürlich macht es der Opposition Spaß, diese Schwierigkeiten dadurch zu vergrößern, dass versucht wird, Juckpulver zu schütten in das Verhältnis zwischen Kanzler und Außenminister. Wenn diese Phase vorbei ist, wird man vielleicht wieder zu Substanzfragen zurückkehren können. Das ist zu hoffen und dazu gehört der richtige Umgang mit China und eine deutsche Position, die in der EU vertreten und eingenommen und für die dann hoffentlich dann auch die Mehrheit gewonnen werden kann.