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Verteidigungsminister Struck inspiziert Truppen im Kosovo

Elke Durak: Gerade hat der Bundestag das Afghanistanmandat der Bundeswehr verlängert und der Verteidigungsausschuss seine Befragungen zu den Kosovo-Vorfällen im März beendet, da nimmt sich Bundesverteidigungsminister Peter Struck die Zeit, zu den Bundeswehrsoldaten nach Prizrin im Kosovo zu reisen, wenn auch nur kurz. Das ist Gelegenheit für uns, mit ihm darüber und über die Fortsetzung oder gar Ausweitung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu sprechen. Herr Struck, weshalb besuchen Sie gerade jetzt die Bundeswehrsoldaten in Prizrin?

Moderation: Elke Durak |
    Peter Struck: Nun, wir haben einige politische Debatten in Deutschland über die Unruhen im März im Kosovo gehabt, es gab auch Vorwürfe von Seiten der Opposition, dass die Soldaten sich nicht angemessen verhalten hätten. Ich will mir noch mal die Örtlichkeiten genau ansehen, wenngleich ich schon das vierte oder fünfte Mal im Kosovo bin und mich auch überzeugen, ob gelernt worden ist, was wir damals bei den Unruhen im März möglicherweise für Fehler gemacht haben.

    Durak: Die Konsequenzen haben Sie gezogen für Ihr Ministerium auch für die Bundeswehr, Sie wollen sich jetzt überzeugen. Wo liegen, die Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit internationaler Truppen wenn sie doch einen gemeinsamen Auslandsauftrag wie im Kosovo beispielsweise haben?

    Struck: Na, insgesamt macht es natürlich einige Schwierigkeiten in der Kommunikation, wenn dort Spanier, Italiener, Deutsche und viele andere Nationen versammelt sind, auch was die Sprachprobleme angeht. Nicht jeder kann so Englisch wie wir es uns das wünschen, auch nicht jeder von unseren Soldaten kann so Englisch, wie wir das für erforderlich halten. Und dann gab es natürlich die Zusammenarbeitsprobleme mit der UNMIK, also der Polizei im Kosovo, die sich natürlich dann auch andere Aufgaben vorgenommen hat wie die Soldaten im sogenannten KFOR-Kontingent.

    Durak: Diese Probleme mit der UNMIK beispielsweise sind ja nicht nur eine deutsche Angelegenheit, gibt es da inzwischen Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden?

    Struck: Ja, wir haben in der NATO darüber diskutiert. In der NATO heißt das technisch lessons learn, also auch bei uns, also was haben wir gelernt aus den Kommunikationsproblemen. Und die NATO-Verteidigungsminister haben sich damit beschäftigt aber auch der NATO-Rat, so dass wir davon ausgehen können, dass alle Nationen eigentlich ihre entsprechenden Konsequenzen gezogen haben, dass alles besser wird, und davon will ich mich dann auch überzeugen heute.

    Durak: Sie gelten ja als Politiker, der nun nicht gerade einen Panzer um sich gezogen hat, mental gesehen sozusagen, war Ihnen das peinlich, als die Geschichte mit dem Kosovo herauskam?

    Struck: Ja, ich war etwas empört, was heißt, nicht etwas empört, ich war empört und verwundert darüber, dass man mich nicht ordentlich informiert hatte. Ein Minister hat einen Anspruch darauf, dass er ordentlich informiert wird insbesondere über die Tatsache, wie viele Menschen ums Leben gekommen sind bei diesen Unruhen. Das ist jetzt aufgeklärt, warum man den Generalinspekteur der Bundeswehr und mich nicht rechtzeitig eingeschaltet hat. Ich denke, das wird nicht wieder vorkommen.

    Durak: Die Geschichte im Kosovo hat auch politische Hintergründe, das wissen wir. Auslandseinsätze sollten ja bestenfalls zeitlich begrenzt sein und internationale Gruppen können nicht unbegrenzt irgendwo für Frieden und Stabilität, können dies nicht unbegrenzt sichern, irgendwann müssen auch politische Lösungen her. Im Kosovo hieße ja dies, die Statusfrage klären, bisher ist davon nichts in Sicht. Was heißt das für die deutschen Truppen?

    Struck: Für mich heißt das schon, dass wir energisch auch im Rahmen der Vereinten Nationen dafür sorgen müssen, dass die Frage der Standards, die jetzt für das Kosovo Vorbedingung sind für die Klärung der Statusfrage, energisch verfolgt werden. Das heißt auch, dass man Soldaten nicht dazu benutzen kann, wenn man politisch sich nicht einigt auf bestimmte Lösungen, sie auf ewig in einem Land zu halten. Wir sind im Kosovo seit fünf Jahren und ich frage mich schon, wie lange dieses Mandat, dieses militärische Mandat noch Sinn macht, wenn man nicht gleichzeitig die Fragen der Standards und des Status gemeinsam regelt.

    Durak: Zumal ja Sie, Herr Struck, auch weitere Auslandseinsätze ins Gespräch gebracht haben, und im Kosovo allein sind wohl über 3.000 Bundeswehrsoldaten stationiert, die auch anderswo gebraucht werden können.

    Struck: Ja, ich meine, wir reden nicht über ein weiteres konkretes anderes Auslandsmandat. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass wir eine besondere Verantwortung für den Kontinent haben, der direkt vor unserer Haustüre liegt, nämlich Afrika. Es gibt keine konkrete Beschlusslage in den Vereinten Nationen oder auch in den afrikanischen Gremien, dass man irgendwie internationale Hilfe braucht. Aber auszuschließen ist das natürlich auch nicht, und deshalb müssen wir auch darauf vorbereitet sein, wenn solche Bitten in den Vereinten Nationen beschlossen werden.

    Durak: Weshalb gerade Afrika?

    Struck: Afrika ist unser direkter Nachbar. Über Nordafrika haben wir das Einsickern von Terroristen zu verzeichnen, es gab Anschläge in Afrika, aber auch in Spanien zum Beispiel auch von Afrikanern ausgehend. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus muss man sich dieses Kontinents schon annehmen und im Übrigen glaube ich, dass auch Europa von der kolonialen Vergangenheit her eine bestimmte Verantwortung für diesen Kontinent hat.

    Durak: Auch wenn diese Zeit sehr lange zurückliegt und diese Kolonien sehr lange nicht mehr deutsch waren?

    Struck: Ja, wir können natürlich sagen, weil wir den ersten Weltkrieg verloren haben, gibt es seit 1918 keine deutsche Kolonien mehr, was ja stimmt, und andere Staaten, europäische Staaten haben noch länger Kolonien gehabt. Das ist aber doch eine, wie soll ich das sagen, eine philosophische Debatte darüber, wer wann Verantwortung abgegeben hat. Ich bin schon der Auffassung, dass wir nicht zusehen dürfen, oder auch Europa nicht zusehen darf, wenn dieser Kontinent oder einzelne Staaten aus diesem Kontinent andere Ethnien verfolgen oder Menschen abschlachten.

    Durak: Ich möchte mit Ihnen noch kurz über Afghanistan reden. Afghanistan liegt in dieser Woche sehr direkt in unserem Blickwinkel. Am Ende dieser Woche wird es dort Wahlen geben. Am Sonntag jetzt hat Außenminister Fischer Präsident Karzai, der kurz in Deutschland war, weitere deutsche Hilfe zugesagt über das hinaus, was bisher schon zugesagt worden ist. Der Bundestag hat ja letzte Woche das Afghanistanmandat der Bundeswehr verlängert ungeachtet dessen, was in Kundus vorgefallen ist. Das Land wird unruhiger, die Sicherheitslage nicht eben besser, vor allem fernab von Kabul. Wie steht es nun um die Sicherheit der Soldaten im geografisch noch weiter entfernten Faisabad?

    Struck: Was wir für die Sicherheit unserer Soldaten tun können, haben wir getan. Wir haben auch gewährleistet, dass wenn die Soldaten in eine schwierige Situation kommen, wohl auch die zivilen Wiederaufbauhelfer in Faisabad sie auch mit Hubschraubern von uns heraustransportiert werden können. Gleichwohl muss man natürlich sagen, dass sie in einer Region leben im Norden Afghanistans, die nicht ungefährlich ist. Und der Anschlag in Kundus hat ja gezeigt, dass wir jederzeit mit Talibanbemühungen rechnen müssen, die Wahlen in Afghanistan zu torpedieren.

    Durak: Sie sprachen davon, dass mit Hubschraubern ausgeflogen werden kann. Bis vor einiger Zeit hieß es noch, die Truppen dort könnten, wenn es sehr eng wird, überhaupt nicht gerettet werden können, weil man Flugzeuge anfordern müsste von internationalen Truppen, die auch keine hätten. Das ist dann so nicht mehr wahr?

    Struck: Das trifft natürlich nicht zu. Es ist so, dass wir in Kundus, genauso wie in Faisabad ein ISAF-Mandat wahrnehmen, ein sogenanntes ISAF-Mandat, das im Grunde von Kabul aus von der NATO aus bestimmt wird. Die NATO hat sich auch verpflichtet, entsprechende Hilfeleistungen mit entsprechenden Flugzeugen zu gewähren. Das bedeutet, dass wir nicht nur auf unsere eigenen Transall angewiesen sind, sondern auch mit Herkulesmaschinen fliegen können oder mit unseren Hubschraubern oder mit anderen Hubschraubern. Es wäre eine schwere Pflichtverletzung, wenn wir unsere Soldaten sozusagen schutzlos da in Faisabad lassen würden.

    Durak: Ein Sicherheitsrisiko bleibt ein solcher Auslandseinsatz aber immer für die deutschen Soldaten.

    Struck: Ja, das wissen die Soldatinnen und Soldaten auch. Das erfahren sie nicht zuletzt auch durch solche Versuche der Taliban mit Granatenbeschuss die Menschen zu irritieren. Sie wissen aber auch ganz genau, dass dieses Mandat erforderlich ist, denn wenn wir das Land verlassen würden, würde Afghanistan wieder zu einem sicheren Hafen für Terrorismus werden und würde damit auch die freie Welt insgesamt gefährden, und deshalb stellt auch niemand den Sinn unseres Einsatzes in Afghanistan in Frage.

    Durak: Jetzt erst einmal aber geht es nach Prizrin, das war Bundesverteidigungsminister Peter Struck, vielen Dank für das Gespräch.