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Verteidigungsministerium: Nahost-Einsatz liegt auch im Interesse Europas

Ein Teil der Sicherheit Europas wird nach den Worten des Parlamentarischen Staatssekretärs im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt, im Nahen Osten entschieden. Daraus erwachse auch die Verpflichtung, dort Präsenz zu zeigen. Die Gefahr, dass es dabei zu einer Konfrontation zwischen Bundeswehrsoldaten und Angehörigen der israelischen Streitkräfte kommen könnte, sehe er nicht.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: In New York versuchen die Vereinten Nationen die Friedenstruppe für den Libanon zusammenzustellen. Alles in allem werden von den Mitgliedsstaaten 15.000 Mann eingefordert oder besser gesagt: eingebettelt. Deutschland will zwar keine Kampftruppen schicken, damit es auf keinen Fall zu einer Konfrontation mit Israel kommen kann. Stattdessen soll unter anderem die Marine eingesetzt werden. Gestern Abend informierte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Fachpolitiker. Am Telefon begrüße ich den parlamentarischen Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmid von der CSU. Wie richtig finden Sie die Pläne, wie sie gestern Abend vorgestellt worden sind?

    Christian Schmidt: Sie sind sehr richtig, denn sie spiegeln wider den Spielraum, den deutsche Politik hat. Einerseits haben wir Interesse an - ein eigenes Interesse an - einer friedlichen Lösung beziehungsweise an einer Entspannung in der Situation. Libyen und lassen Sie mich sagen auch in palästinensischen Gebieten, die ja gewisserweise korrespondierend gegenwärtig auch in der Krise sind. Und andererseits dem, was die Kanzlerin im Hinblick auf historische Gegebenheiten und Sensibilitäten angesprochen hat.

    Meurer: Sehen Sie definitiv keine Gefahr jetzt bei dem, was vorgestellt wurde, dass es zu einer Konfrontation zwischen Bundeswehrsoldaten und israelischen Soldaten kommen könnte?

    Schmidt: Dies sehe ich nicht., in der Tat nicht. Denn was gegenwärtig stattfindet auf Seeseite - wenn wir davon ausgehen, dass das das Szenario wäre, das dann auch von der Bundesmarine geleistet wird -, ist eine Seeblockade der israelischen Seite. Die wird nur dann aufgehoben, wenn eine glaubwürdige, verlässliche Kontrolle auf See stattfinden kann. Und da haben wir ja Erfahrungen auch über die Einsätze, die wir gegenwärtig am Horn von Afrika haben.

    Meurer: Aber es wird ja auch zum Einsatz - natürlich nicht zum Kampfeinsatz, aber zu einem Einsatz am Boden kommen. Zum Beispiel entlang der Grenze zwischen Libanon und Syrien, dort sollen möglicherweise Bundespolizisten hingeschickt werden, um Waffenlieferungen in den Libanon zu unterbinden. Wie gefährlich ist dieser Einsatz?

    Schmidt: Das ist noch offen, über diese Frage ist noch nicht abschließend geredet. Gegenwärtig ist das nicht sozusagen im Angebot als Szenario mit enthalten, weil es kann sich ausschließen. Ja, ungefährlich sind diese Einsätze nicht, kein Einsatz ist ungefährlich. Ein spezifisches Risiko würde sich dann entwickeln, wenn eine unmittelbare Entwaffnung der Terroristen beziehungsweise dessen, was Hisbollah und Hisbollah-Freunde sind, vorgesehen wäre. Das ist nach meiner Kenntnis aber nicht der Fall. Das ist auch Aufgabe der libanesischen Armee.

    Meurer: Wäre die Bundespolizei für eine Grenzüberwachung wirklich geeignet, der Bundesgrenzschutz?

    Schmidt: Wie der Name früher sagte: Bundesgrenzschutz, das war seine Hauptaufgabe, die Grenzüberwachung. Das hat sich etwas verlagert, aber die Fähigkeiten, meine ich, sind grundsätzlich da. Ich betone noch mal: Aber es ist über einen Einsatz in dem Zusammenhang noch überhaupt nicht entschieden beziehungsweise verhandelt worden.

    Meurer: Es heißt, die Bundeswehr ist schon belastet durch verschiedene Auslandseinsätze. Wie viele Soldaten können insgesamt mit dem neuen Einsatz, der sich jetzt abzeichnet, verbunden sein?

    Schmidt: Also insgesamt sind - ist diese Frage sehr berechtigt: Ist die Bundeswehr von den Kapazitäten her in der Lage, solch einen Einsatz zu fahren? Sicherlich wäre die Marine in der Lage, das zu tun. Man muss immer enger zusammenrücken, wenn es mehrere Einsätze gibt, dann muss man auch Prioritäten setzen. Wenn dieser, und ich glaube, dann von unserer Interessenlage prioritär ist, dann muss man eben das, was man hat, möglichst optimal und effektiv einsetzen. Allerdings haben wir in einigen Bereichen Mängel und Lücken, die wir ausfüllen müssen - das kostet übrigens auch Geld.

    Meurer: Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen diesen Einsatz: Schenkt man den Umfragen Glauben, Herr Schmidt, dann sind 58 Prozent der Meinung, wir haben da unten nichts zu suchen. Haben wir da etwas zu suchen?

    Schmidt: Also ich kann das sehr nachvollziehen - übrigens auch durch die Berichterstattung noch verstärkt, wo der Eindruck entsteht, dass - wie soll man sagen - der Libanon brennt, was zwar insgesamt nicht der Fall ist. Es gibt sehr, sehr schwierige Gebiete, in denen auch viele humanitäre Probleme da sind. Wir sollten sehr, sehr zurückhaltend sein, uns in diesem Gebiet zu engagieren. Deswegen unterstütze ich die, die skeptisch sind.

    Andererseits müssen die, die skeptisch sind, auch wissen, dass ein Teil, ein Element der Sicherheit unseres Landes und unseres Kontinents auch da unten entschieden wird - vielleicht mehr, als der eine oder andere sich vorstellt. Deswegen haben wir ein sehr, sehr großes Interesse daran, dass sich die Dinge wieder beruhigen und daraus erwächst die Verpflichtung, dass wir gemeinsam als Europäer dazu etwas beitragen.

    Meurer: Ist diese öffentliche Meinung der Grund dafür gewesen, dass CSU-Chef Edmund Stoiber vor einer Woche noch gesagt hat, die Bundeswehr darf sich nicht militärisch engagieren?

    Schmidt: Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber hat sich da, hat sich auf den Begriff der Kampfeinsätze bezogen und, ja, natürlich, eine Skepsis, eine Grundskepsis, die man gegen Auslandseinsätze hat - und behalten sollte -, die hat er damit zum Ausdruck gebracht. In meiner Partei wird die Diskussion über immer mehr Einsätze der Bundeswehr auch mit großer Zurückhaltung verfolgt. Und wir hatten ja auch gerade deswegen in der Koalitionsvereinbarung darauf bestanden, dass eine Interessensabwägung jeweils stattfindet und nicht überall da, wo gerade mal eine Krise ist, sich Deutschland beteiligt, vielleicht noch aus der Vorstellung, dass man damit - ja, was weiß ich? - schneller in den Sicherheitsrat käme oder dieses oder jenes. Wir wollen das stärker an Interessen orientieren. Schmerzhaft allerdings sind dann die Entscheidungen, wenn man feststellt, wir müssen unsere Interessen dort auch wahrnehmen. Und das war der Abstimmungsprozess, den wir auch in der CSU getroffen haben. Und die jetzt gefundene Lösung ist von der CSU voll mitgetragen, ja sogar initiiert.

    Meurer: Die Äußerung von Stoiber ist aber etwas anders interpretiert worden. Am Sonntag hat er noch im ZDF gesagt: Aus historischen Gründen müssen wir den Israelis anders helfen als mit militärischen Mitteln. Das war doch eine Totalabsage?

    Schmidt: Nein, das war keine Totalabsage. Er hat sich da auf die Situation südlich des Litani-Flusses im Südlibanon bezogen. Das, was jetzt an der Peripherie stattfindet, ist auch keine militärische Hilfe für Israel, sondern das ist ein Versuch, den Waffenstillstand und, ja, Frieden - ich wage das Wort kaum in den Mund zu nehmen für diese Region -, den Waffenstillstand zu verfestigen.

    Meurer: Aber die Marine ist ein Teil der Bundeswehr. Das sind militärische Mittel.

    Schmidt: Die Marine ist Teil der Bundeswehr, das ist völlig klar. Wie gesagt, das ist auch nicht ausgeschlossen. Und ich kann nun aus der eigenen Abstimmung auch in den letzten Tagen mit dem Parteivorsitzenden der CSU betonen und bestätigen, dass wir immer dieser Meinung gewesen sind: Man muss sich beteiligen, man soll das allerdings nicht in vorderster Linie und auch nicht da, wo eine mögliche Konfrontation - das ist ja der Punkt - mit israelischen Soldaten beispielsweise stattfinden könnte. Das ist auf See nicht die Gefahr.