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"Vertrag ist Vertrag"

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat die Atomkraft in einem Zeitungsinterview als Auslaufmodell bezeichnet. Ulrike Flach, stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, hoffe, dass sich Röttgen an den vereinbarten Koalitionsvertrag halte, und die Meiler so lange wie nötig am Netz lässt.

Ulrike Flach im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Welche Zukunft hat die Atomkraft in Deutschland? Das ist eine der offenen Fragen in der deutschen Politik. Die Koalition aus Union und FDP hat zwar längere Laufzeiten für Atommeiler in Aussicht gestellt, hält aber mit Einzelheiten noch hinterm Berg. Antworten will die Regierung erst später geben. Für den Herbst hat sie ein umfassendes Energiekonzept angekündigt. Etwas konkreter wurde jetzt Umweltminister Norbert Röttgen in einem Zeitungsinterview und mit der Botschaft, die Atomkraft ist ein Auslaufmodell, die Zukunft gehört der Stromversorgung durch erneuerbare Energieträger. Am Telefon begrüße ich jetzt Ulrike Flach, Fraktionsvize der Liberalen im Bundestag in Berlin. Einen schönen guten Morgen, Frau Flach.

    Ulrike Flach: Guten Morgen!

    Barenberg: Frau Flach, die Atomtechnologie will Umweltminister Röttgen durch eine bessere ersetzen und meint damit die erneuerbaren Energieträger. Was ist daran falsch?

    Flach: Gar nichts! Das ist ja Teil des Koalitionsvertrages und da sind wir uns auch einig, dass die Kernenergie eine Brückentechnologie ist, bis sie durch erneuerbare Energien verlässlich ersetzt werden kann. So sagt es der Koalitionsvertrag und da gehe ich mal ganz gelassen von aus, dass Herr Röttgen das auch meint.

    Barenberg: Herr Röttgen hat auch gesagt, die Atomkraft soll nur noch so lange bestehen, bis die erneuerbaren verlässlich einspringen können. Sehen Sie das anders?

    Flach: Nein, nein. Da sind wir uns ja völlig einig. Ich hatte nur den Eindruck, dass Herr Röttgen da einen Unterton jetzt in die Diskussion hineinbringt, der sich so etwas von dem Koalitionsvertrag entfernt, und ich habe auch definitiv den Eindruck, dass seine CDU-Kollegen das ähnlich sehen, denn sonst wären die Reaktionen seiner Kollegen aus der eigenen Fraktion ja am Wochenende nicht zu erklären.

    Barenberg: An welcher Stelle entfernt der Minister sich denn vom Koalitionsvertrag?

    Flach: Nun, wenn er sich so verhält, dass man den Eindruck hat, dass er Kernenergie bereits jetzt, zum jetzigen Zeitpunkt als nicht mehr notwendig erachtet und damit eigentlich dem Vertrag den Boden entzieht, den wir geschlossen haben. Aber gut, ich vermute, dass er sich im Laufe des Tages dazu sicherlich noch genauer äußern wird. Vertrag ist Vertrag und da verlassen wir uns auch drauf.

    Barenberg: Ich will es noch mal wiederholen: die Atomkraft nur noch so lange, bis die erneuerbaren verlässlich einspringen können. Der Minister hat ja auch gesagt, er will in einem dynamischen Prozess den Anteil der erneuerbaren erhöhen und damit im Gegenzug denjenigen der Atomkraft senken. Noch mal die Frage: was ist daran eigentlich anstößig?

    Flach: Daran ist überhaupt nichts anstößig, solange wir in dem Zeitplan bleiben, den wir uns vorgenommen haben, und wir haben gesagt, wir können das nur erreichen, indem wir Kernenergie so lange nutzen, bis erneuerbare auch wirklich einsetzbar sind, und die Gewinne, die dadurch entstehen, dass Kernkraftwerke, sichere Kernkraftwerke wohl gemerkt, weiterlaufen, die wollen wir einsetzen für Forschung und Erkundung von erneuerbaren Energien, um diese auch schneller auf den Weg zu bringen.

    Barenberg: Der Bundesverband erneuerbare Energien sagt, schon in zehn Jahren könnte er 47 Prozent des Stroms aus regenerativen Quellen zusagen. Das heißt, in dieser Zeit werden dann auch die letzten AKW-Lichter ausgeknipst?

    Flach: Ob er das zusagt, ist eine Frage, die können wir heute gar nicht sehen und auch nicht entscheiden, genauso wenig wie das Herr Röttgen kann. Das Entscheidende ist, dass wir Geld in die Hand nehmen, um die erneuerbaren schneller auf den Weg zu bekommen, und das bekommen wir im Prinzip natürlich in dem Augenblick, in dem wir Kernkraftwerke, die sicher sind, etwas länger laufen lassen, damit wir das dort dann gewonnene Geld abschöpfen, wie es Rainer Brüderle ja auch zurecht sagt, und einsetzen für erneuerbare Energien. Das ist der Koalitionsvertrag und ich vermute, da bewegt er sich noch weiter drauf.

    Barenberg: Ulrike Flach von der FDP, die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Frau Flach, gestern Abend hat es ein längeres Gespräch in Berlin gegeben. Fraktionsvorstand und Präsidium der FDP saßen beisammen, wohl auch, weil die Liberalen in der jüngsten Zeit in den Umfragen in den Keller gegangen sind. Wie wollen Sie denn das verloren gegangene Vertrauen bei den Wählern jetzt kurz vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wiedergewinnen?

    Flach: Wir müssen davon ausgehen, dass die Wähler zurecht mehr Geschwindigkeit verlangen, und deswegen haben wir uns gestern intensiv natürlich mit diesen Themen befasst und sind zu der Erkenntnis gekommen, dass wir einfach mal einen Schlag zulegen müssen. Wir werden also bereits schon im April, so dass die Wähler bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen klar erkennen können, was auf sie zukommt, die ersten Vorschläge zur Steuerstrukturreform machen. Wir werden bei der Gesundheit detaillierter werden. Ich finde, die Menschen müssen auch eine Wahl haben und das können sie nur, wenn wir nicht so vor uns hineiern, sondern klar und deutlich sagen, was kommt auf die Menschen zu.

    Barenberg: Um mal bei den Steuern zu bleiben, bei der geplanten Steuerreform. Da hat Finanzminister Schäuble gleich umgehend widersprochen und gesagt, gemeinsame Entscheidung gäbe es erst im Juni, nicht also schon vorab im April. Wollen Sie jetzt mit dem Kopf durch die Wand?

    Flach: Wir haben natürlich eine Steuerschätzung Anfang Mai und selbstverständlich wird alles weitere darauf basieren, aber die Leute haben doch ein Recht darauf zu wissen, was wir wollen.

    Barenberg: Und das wollen Sie ganz klipp und klar vorher sagen, unabhängig davon, wie diese Steuerschätzung ausfällt?

    Flach: Wir wollen klipp und klar die Eckpunkte so festlegen, dass man basierend auf der Steuerschätzung dann auch sagen kann, aha, da geht das Schiff hin.

    Barenberg: Und das heißt auch, dass Sie möglicherweise einen Konflikt mit Jürgen Rüttgers riskieren wollen, dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, der ja eine Steuerreform ablehnt, bei der es zu einer weiteren Belastung für die Gemeinden kommt?

    Flach: Ich weiß nicht, wo Herr Rüttgers das alles so hernimmt. Auch Herr Rüttgers hat den Koalitionsvertrag unterschrieben, in dem wir ja klar, wirklich deutlich gesagt haben, wir wollen eine Steuerstrukturreform, damit wir den Mittelstand entlasten können. Das ist unsere Aufgabe, damit sind wir auf den Weg geschickt worden von den Wählern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Rüttgers das anders sieht.

    Barenberg: Das heißt, Sie schließen aus, dass diese Steuerreform weitere Belastungen für die Kommunen mit sich bringt?

    Flach: Das ist ja auch der Punkt, den ich eben anführte. In dem Augenblick, in dem sie sagen, an dieser Stelle wollen wir gerne eine Steuerstrukturreform anlegen, in dem Augenblick können die Leute sehen, was kommt. Dieses tun wir ja im April. Gerade aus diesem, sagen wir mal, Loch des Unwissens wollen wir ja hinaus. Wir wollen den Bürgern klar zeigen, was kommen wird, und da bitte ich Sie nun auch bitte zu warten und nicht heute Morgen von mir die gesamte Steuerstrukturreform zu hören.

    Barenberg: Ulrike Flach, die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch.

    Flach: Bitte!