Archiv

Videokunst von A.K. Burns
Der amerikanische Albtraum

Von düsterer Science-Fiction, die im Hier und Heute spielt, bis zum transfeministischen Manifest: Die Videos der New Yorkerin A.K. Burns fesseln. Sie sind zum ersten Mal in Deutschland zu sehen: Albträume, aus denen man irgendwie nicht aufwachen möchte; böse Märchen, die auch für Befreiung stehen.

Von Peter Backof |
Ausschnitt aus der Videoinstallation "Living Room (Negative Space 00) von A.K. Burns
A.K. Burns, Living Room (Negative Space 00), 2017, (A.K. Burns)
"Kinder, die mit Messern spielen! Gleich schlachten sie die Wohnzimmersofas und weiden sie aus. Im Aquarium nichts Grünes mehr. Auch da ist Wüste. Die Aquarien sind auch nur halb voll!"
Und der amerikanische Einrichtungstraum auf Halbmast - im Video "Living Room" von A.K. Burns. Dann geht der grell erleuchtete Albtraum weiter: Die Kleidung der Kinder nimmt das biedere karierte Muster der Sofas an. Das "System" hat sie gefressen. Bis sie schließlich spastisch und wie Kaulquappen am Boden herum zucken. Während Karl Marx zitiert wird. Also da müssten mal Freud und folgende ran, um dieses Leid zu deuten.
A.K. Burns: "Es geht um diese Angst, die mittlerweile überall da ist. Und die gefühlte Enge, die vielleicht mit der politischen Situation seit 2016 zu tun hat, also seit der Wahl. Es ist gemeint als Gegenwehr."
Manche "Acting Agents" - menschliche Protagonisten in den Videos von A.K. Burns - tragen überall kleine Pflaster, als hätten sie sich bei Ganzkörperrasuren geschnitten.
Die Alltäglichkeit der Xenophobie
"Microaggression! - die Leute sagen dir: Ich bin kein Rassist, bin nicht homophob! Ich doch nicht! Und dann tun sie doch etwas, was verletzt. Es geht nicht um Vergewaltigung, nicht die großen Sachen. Sondern zum Beispiel das: Du gehst als Frau die Straße lang und sie grinsen dich an. Gut, man ist das als Frau ja gewohnt. Die meisten Frauen brauchen es ja sogar, als Bestätigung."
A.K. Burns braucht es nicht. Die Künsterin mit intersexuellem Look weicht etwas zurück, als hätte sie geahnt, dass jetzt gleich wieder die Frage kommt: Wofür steht "A.K."? Sie ist bei Wikipedia einsortiert unter Transfeminismus.
"Transfeminismus, was ist das nun wieder? Gute Frage! Gehen Sie damit mal mit dem Mikrophon unter die Leute. Vielleicht definiert es jeder anders? Für mich: Gibt es natürlich glücklicherweise die Geschichte des Feminismus, auf der ich aufbauen kann. Aber Transfeminismus bewegt sich in dem Sinn weiter, dass er - in dieser heteronormativen Welt -, nicht nur auf Frauen schaut, sondern generell die Machtfrage stellt."
Also mehr als die #MeToo-Frage: Wo sind die Frauen in den Museen?
Rache-Akte mit Humor
"Bin ich überhaupt eine Frau? Das ist meine Frage."
Veranschaulicht in dem Video "Eclipse" mit einer totalen Sonnenfinsternis, gefilmt in Utah. Und wie es ist, in die Sonne, beziehungsweise ins Nichts zu schauen. Darum dreht sich ein feministischer Science-Fiction-Text von Joanna Russ von 1976, den A.K. Burns hier zitiert und bebildert. Es ist eine Denkweise, wie etwa beim Afrofuturismus von Sun Ra: Wenn auf dem Planet Erde an den Machtverhältnissen nichts zu ändern ist. Dann bleibt als Zuflucht nur das Weltall.
Aber von Opfergehabe in den Arbeiten von A.K. Burns kaum eine Spur: dafür Humor, mit lauter kleinen Racheakten am weißen, proaktiven, optimierten Mann. Im Video "Leave No Trace", ganz neu und für die "Julia Stoschek Collection" entstanden, wird er geradezu zum Idioten erklärt. Seine ganzen Qualifikationen und sein Status ist hier einen Dreck wert: ausgesetzt auf einem Wüstenplaneten. Die Rache der pluralistischen und diversen, der eigentlichen Wirklichkeit der USA.
"Inzwischen geht es auch um die Frage: Wie überleben wir, da alles niedergeht? In Science-Fiction wird ja Technologie oft romantisiert. Alles sieht so futuristisch und toll aus."
Wendet sich alles zum Guten?
Während es bei A.K. Burns als Requisiten vor allem eins zu sehen gibt: Müll, Müll und nochmals Müll. Thema Klima, auch bei ihr. Bis dann wieder, in dieser aufwändigen, komplexen Ausstellungsarchitektur - mit Kafka-krummen Wänden und würfelförmigen Projektionsflächen - alles wieder verschwindet in einem digitalen Linienraster. Das war also wirklich nur ein Albtraum, diese Wüstenaquarien und -planeten, diese Aggrokinder, diese Sonnenfinsternis für womöglich immer? Zumal die letzte Projektionsapparatur auf einem Totenschädel steht. Das Vanitas-Motiv schlechthin.
Doch alles könnte sich noch guthin wenden, durch Fantasie und Humor. Wie auf einer queeren Party. A.K. Burns ist von vielem inspiriert und will selber andere inspirieren. Das gelingt. Aus ihren Video-Albträumen möchte man eigentlich gar nicht mehr aufwachen.
"Alles ist hier am Kämpfen und mit Überleben beschäftigt. Aber am Ende jedes Videos steht eine Tanzszene. Als Akt der Befreiung. Es ist der Moment, wo du frei bist, mit und in deinem Körper. Das ist mehr als Flucht und Jammertal. Denn so kann man der Welt auch noch was Positives abgewinnen."
A.K. BURNS - NEGATIVE SPACE, kuratiert von Lisa Long, JSC Düsseldorf, 6. September – 15. Dezember 2019