Friedbert Meurer: In genau 32 Tagen sind Bundestagswahlen. Der inhaltliche Wettstreit aber will noch nicht so recht beginnen. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum dafür Skandale und Skandälchen die Zeitungsseiten füllen, die früher vielleicht kaum beachtet worden wären. Die Rede ist unter anderem von der sogenannten Dienstwagenaffäre von Ulla Schmidt und von der Geburtstagsparty für Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann im Kanzleramt.
Dienstwagen, Geburtstagspartys auf Staatskosten, Bonusmeilen, gab es all die angeblichen oder tatsächlichen Affären auch schon früher, in den 60er- oder 70er-Jahren etwa? Friedrich Nowottny war Leiter des Fernsehstudios in Bonn und dann Intendant des WDR, Westdeutschen Rundfunks. Guten Tag, Herr Nowottny.
Friedrich Nowottny: Ich grüße Sie, Herr Meurer.
Meurer: Welche vergleichbaren Affären von früher fallen Ihnen da in diesem Zusammenhang ein?
Nowottny: Zunächst gestatten Sie mir den Hinweis, dass ich herzlich lachen musste, als ich diesen wunderbaren Bericht hörte. Es hat natürlich Ähnlichkeiten mit all den kleinkarierten Dingen, die in der Politik nun mal passieren, die jetzt passieren und die früher auch passiert sind. Ich denke da nur an Möllemanns Rücktritt. Da ging es um eine Empfehlung, die er auf den Briefkopf des Ministeriums geschrieben hat, dass sie doch einen Einkaufschip für Einkaufswagen, den ein Schwippschwager von ihm produziert hat, kaufen oder einsetzen sollten. Er musste zurücktreten. – Es gab Briefkopfaffären von Abgeordneten. Die Abgeordnete Schwaetzer zum Beispiel, fällt mir ein, hat einen ihrer Mieter auf Eigenbedarf aus der Wohnung kegeln wollen und ist in die Schlagzeilen geraten. – Ich denke daran, dass in der Kießling-Affäre – das war wohl in den 80er-Jahren – so viele Gerüchte über die angeblich homosexuellen Neigungen eines Generals verbreitet wurden, dass am Ende, als nichts mehr übrig blieb, ein Politiker einen wunderbaren Satz gesagt hat: "Die Bonner Affären sind etwas für den Stammtisch, aber nicht für den Gang zur Wahlurne". Ich finde, das war der bekannte Nagel, der da auf den Kopf getroffen wurde.
Meurer: Bonn, Herr Nowottny, war ziemlich klein, kleiner als Berlin. Politiker und Journalisten haben sich gut gekannt. Wurde damals mehr unter der Decke gehalten als heute?
Nowottny: Nein, das kann man nicht sagen. Was immer auch auftauchte, wurde gerne aufgegriffen, auch von der Journalie. Ich gebe zu, dass die Journaliendichte in Berlin auch dazu neigt, Hysterie zu produzieren. Wenn ich mir ansehe, wie zum Beispiel die Dienstwagenaffäre von der Frau Schmidt gehandhabt wurde, dann kann ich nur sagen, dies ist nichts anderes als eine Kampagne, die möglicherweise überdecken soll, dass diese Gesundheitsreform ein Disaster ist, und an der hat die CDU, hat die Bundeskanzlerin ja wesentlich mitgearbeitet. – Wenn ich daran denke, wie es um Herrn Guttenberg steht, da wird von Frau Zypries die Frage gestellt, was hat das gekostet. Mich würde viel mehr interessieren, welchen Einfluss hat die Tatsache, dass aus Anwaltskonzernen, muss man ja sagen, an einem Gesetz mitgeschrieben wird, welche Auswirkungen hat das auf den Inhalt des Gesetzes. Dasselbe trifft auf das Finanzministerium zu, wo auch Menschen aus der freien Wirtschaft beschäftigt werden, um Gesetze abzufassen, auch aus Rechtsanwaltskanzleien. Also da ist eine Menge unterwegs, was anderen Charakter hat und bedeutender ist als Flugmeilenaffären und PKW-Affären von Frau Schmidt.
Meurer: Wieso sind die Ihrer Meinung nach unbedeutend? Der Bürger sagt, die Politik bereichert sich und vertritt nicht unsere Interessen.
Nowottny: Wissen Sie, wir haben das doch auch bei der Freikartenaffäre zur Fußballweltmeisterschaft erlebt. Plötzlich war das alles ganz schrecklich und ein Vergehen gegen die Abhängigkeiten. Ich kann nur sagen, wo Menschen sind passieren Dinge, die man sich nicht vorstellen kann, und in der Politik ist die Versuchung besonders groß, zumal wenn ich bedenke, dass über 30 Prozent der Abgeordneten in Berlin neben ihrer Abgeordnetentätigkeit auch Lobbyistentätigkeit ausüben. Das halte ich für einen Skandal, darum sollte sich die Öffentlichkeit so intensiv kümmern, wie um die heute hier zu besprechenden Sachen.
Meurer: Waren Sie mal Gast zu einem Abendessen im Kanzleramt, Herr Nowottny?
Nowottny: Ich war Gast bei einem Abendessen im Kanzleramt, ich war Gast bei Empfängen des Bundespräsidenten. Die Ministerien waren in Bonn immer sehr zurückhaltend. Ich weiß nicht, wie das jetzt in Berlin ist.
Meurer: Deren Etat ist vielleicht ein bisschen kleiner als der vom Kanzleramt oder vom Bundespräsidenten. – Herr Nowottny, eine Frage noch oder folgende These: Früher ging es um Existenzielles in Deutschland: Nachrüstung, atomare Nachrüstung, Ostpolitik, RAF. Waren da die kleinen Affären uninteressanter?
Nowottny: Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, je nach der Zeit des parlamentarischen Kalenders. Wenn eine Wahl anstand, war man für alles dankbar, was man dem politischen Gegner an die Jacke heften konnte. Vergessen Sie nicht: Eine der größten Affären fand in den Jahren 69 bis 80 statt. Da ging es um fast 30 Millionen, die in der Flick-Affäre von Flick verteilt worden sind unter allen Parteien. Also es gab natürlich auch diese großen Untersuchungsausschüsse und es gab immer diese kleinen Affären, über die man berichtete. Nur über einen Punkt des Affärenkataloges hat man nicht berichtet, meistens nicht: Es ging um die Fragen, wer mit wem in welches Bett steigt. Die waren eigentlich immer unter dem Mantel der Diskretion in Bonn verhüllt und ich finde, Berlin hat auch da einen großen Schritt nach vorne gemacht. Das ist in Berlin nicht ganz so und die Politiker zeigen sich ja auch gerne mit den neuen Mädels, die sie sich angeln.
Meurer: Friedrich Nowottny, Journalist, früher Moderator in Bonn und Fernsehstudioleiter. Herr Nowottny, danke schön! Auf Wiederhören.
Nowottny: Danke, Herr Meurer.
Dienstwagen, Geburtstagspartys auf Staatskosten, Bonusmeilen, gab es all die angeblichen oder tatsächlichen Affären auch schon früher, in den 60er- oder 70er-Jahren etwa? Friedrich Nowottny war Leiter des Fernsehstudios in Bonn und dann Intendant des WDR, Westdeutschen Rundfunks. Guten Tag, Herr Nowottny.
Friedrich Nowottny: Ich grüße Sie, Herr Meurer.
Meurer: Welche vergleichbaren Affären von früher fallen Ihnen da in diesem Zusammenhang ein?
Nowottny: Zunächst gestatten Sie mir den Hinweis, dass ich herzlich lachen musste, als ich diesen wunderbaren Bericht hörte. Es hat natürlich Ähnlichkeiten mit all den kleinkarierten Dingen, die in der Politik nun mal passieren, die jetzt passieren und die früher auch passiert sind. Ich denke da nur an Möllemanns Rücktritt. Da ging es um eine Empfehlung, die er auf den Briefkopf des Ministeriums geschrieben hat, dass sie doch einen Einkaufschip für Einkaufswagen, den ein Schwippschwager von ihm produziert hat, kaufen oder einsetzen sollten. Er musste zurücktreten. – Es gab Briefkopfaffären von Abgeordneten. Die Abgeordnete Schwaetzer zum Beispiel, fällt mir ein, hat einen ihrer Mieter auf Eigenbedarf aus der Wohnung kegeln wollen und ist in die Schlagzeilen geraten. – Ich denke daran, dass in der Kießling-Affäre – das war wohl in den 80er-Jahren – so viele Gerüchte über die angeblich homosexuellen Neigungen eines Generals verbreitet wurden, dass am Ende, als nichts mehr übrig blieb, ein Politiker einen wunderbaren Satz gesagt hat: "Die Bonner Affären sind etwas für den Stammtisch, aber nicht für den Gang zur Wahlurne". Ich finde, das war der bekannte Nagel, der da auf den Kopf getroffen wurde.
Meurer: Bonn, Herr Nowottny, war ziemlich klein, kleiner als Berlin. Politiker und Journalisten haben sich gut gekannt. Wurde damals mehr unter der Decke gehalten als heute?
Nowottny: Nein, das kann man nicht sagen. Was immer auch auftauchte, wurde gerne aufgegriffen, auch von der Journalie. Ich gebe zu, dass die Journaliendichte in Berlin auch dazu neigt, Hysterie zu produzieren. Wenn ich mir ansehe, wie zum Beispiel die Dienstwagenaffäre von der Frau Schmidt gehandhabt wurde, dann kann ich nur sagen, dies ist nichts anderes als eine Kampagne, die möglicherweise überdecken soll, dass diese Gesundheitsreform ein Disaster ist, und an der hat die CDU, hat die Bundeskanzlerin ja wesentlich mitgearbeitet. – Wenn ich daran denke, wie es um Herrn Guttenberg steht, da wird von Frau Zypries die Frage gestellt, was hat das gekostet. Mich würde viel mehr interessieren, welchen Einfluss hat die Tatsache, dass aus Anwaltskonzernen, muss man ja sagen, an einem Gesetz mitgeschrieben wird, welche Auswirkungen hat das auf den Inhalt des Gesetzes. Dasselbe trifft auf das Finanzministerium zu, wo auch Menschen aus der freien Wirtschaft beschäftigt werden, um Gesetze abzufassen, auch aus Rechtsanwaltskanzleien. Also da ist eine Menge unterwegs, was anderen Charakter hat und bedeutender ist als Flugmeilenaffären und PKW-Affären von Frau Schmidt.
Meurer: Wieso sind die Ihrer Meinung nach unbedeutend? Der Bürger sagt, die Politik bereichert sich und vertritt nicht unsere Interessen.
Nowottny: Wissen Sie, wir haben das doch auch bei der Freikartenaffäre zur Fußballweltmeisterschaft erlebt. Plötzlich war das alles ganz schrecklich und ein Vergehen gegen die Abhängigkeiten. Ich kann nur sagen, wo Menschen sind passieren Dinge, die man sich nicht vorstellen kann, und in der Politik ist die Versuchung besonders groß, zumal wenn ich bedenke, dass über 30 Prozent der Abgeordneten in Berlin neben ihrer Abgeordnetentätigkeit auch Lobbyistentätigkeit ausüben. Das halte ich für einen Skandal, darum sollte sich die Öffentlichkeit so intensiv kümmern, wie um die heute hier zu besprechenden Sachen.
Meurer: Waren Sie mal Gast zu einem Abendessen im Kanzleramt, Herr Nowottny?
Nowottny: Ich war Gast bei einem Abendessen im Kanzleramt, ich war Gast bei Empfängen des Bundespräsidenten. Die Ministerien waren in Bonn immer sehr zurückhaltend. Ich weiß nicht, wie das jetzt in Berlin ist.
Meurer: Deren Etat ist vielleicht ein bisschen kleiner als der vom Kanzleramt oder vom Bundespräsidenten. – Herr Nowottny, eine Frage noch oder folgende These: Früher ging es um Existenzielles in Deutschland: Nachrüstung, atomare Nachrüstung, Ostpolitik, RAF. Waren da die kleinen Affären uninteressanter?
Nowottny: Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, je nach der Zeit des parlamentarischen Kalenders. Wenn eine Wahl anstand, war man für alles dankbar, was man dem politischen Gegner an die Jacke heften konnte. Vergessen Sie nicht: Eine der größten Affären fand in den Jahren 69 bis 80 statt. Da ging es um fast 30 Millionen, die in der Flick-Affäre von Flick verteilt worden sind unter allen Parteien. Also es gab natürlich auch diese großen Untersuchungsausschüsse und es gab immer diese kleinen Affären, über die man berichtete. Nur über einen Punkt des Affärenkataloges hat man nicht berichtet, meistens nicht: Es ging um die Fragen, wer mit wem in welches Bett steigt. Die waren eigentlich immer unter dem Mantel der Diskretion in Bonn verhüllt und ich finde, Berlin hat auch da einen großen Schritt nach vorne gemacht. Das ist in Berlin nicht ganz so und die Politiker zeigen sich ja auch gerne mit den neuen Mädels, die sie sich angeln.
Meurer: Friedrich Nowottny, Journalist, früher Moderator in Bonn und Fernsehstudioleiter. Herr Nowottny, danke schön! Auf Wiederhören.
Nowottny: Danke, Herr Meurer.