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Viele Ausbildungsplätze bleiben 2012 unbesetzt

Aufgrund schrumpfender Bewerberzahlen haben vor allem kleine und mittlere Betriebe Schwierigkeiten bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen. Andererseits fehlt vielen Bewerbern die nötige Qualifikation für eine Lehrstelle.

Von Gerhard Schröder | 08.05.2012
    Der Rote Jäger - ein Nobelrestaurant in Berlins Mitte - einen Steinwurf vom Gendarmenmarkt entfernt. Seit vier Monaten absolviert die 20-jährige Jessica hier ihre Ausbildung zur Restaurantfachfrau. Für sie eine Wendung in ihrem jungen Leben, mit der sie kaum noch gerechnet hatte:

    "Kaum beschreiblich - ne Riesenlast ist einfach von mir gefallen, ja. Ich hab mir bewiesen und meiner Familie bewiesen, die mir sehr wichtig sind, dass ich was schaffen kann und bin einfach riesig stolz drauf, weil es war wirklich ein Kampf."

    Jessica hat einen einfachen Hauptschulabschluss ohne Qualifizierung, wie es im Fachjargon heißt. Nach der Schule hat sie sich durchgeschlagen mit Gelegenheitsjobs. Hat auch immer wieder Bewerbungen geschrieben, aber ohne Erfolg.

    "Ich hatte keine Chance, nein. Also jetzt so eine feste Ausbildung zu bekommen, war unmöglich eigentlich."

    Bis sie von Christian Rach hörte und seiner Restaurantschule. Der TV-Koch hatte im Fernsehen ausdrücklich auch Jugendliche mit nicht so gutem Abschluss aufgefordert, sich zu bewerben.

    "Wir können es uns heute nicht erlauben, auf junge, oder auch ältere Menschen zu verzichten, die wir aufgrund welcher Mängel auch immer, ins Abseits geschoben haben, oder die sich selber ins Abseits gesetzt haben."

    Die Unternehmen haben immer größere Schwierigkeiten ihre Lehrstellen zu besetzen. Sie können es sich nicht mehr erlauben, nur auf die Jahrgangsbesten zu schauen, sagt auch Hans Heinrich Driftmann, der Präsident des deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK.

    "Der Ausbildungsmarkt wandelt sich grundlegend. Die Jugendlichen können zwischen mehreren Ausbildungsoptionen wählen. Für die Unternehmen entstehen gleichzeitig Engpässe bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen."

    In diesem Jahr werden die Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistungen 425.000 Ausbildungsplätze anbieten schätzt der DIHK. Der 14.000 Firmen befragt hat. Das wären 25.000 mehr, als 2011. Aber schon jetzt zeichnet sich ab, 80.000 Ausbildungsplätze werden unbesetzt bleiben. 20.000 mehr, als im vergangenen Jahr.

    "Vor allem kleine und mittlere Betriebe haben schon jetzt Schwierigkeiten bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen."

    Auch das allerdings gehört zur Realität auf dem Ausbildungsmarkt. Noch 174.000 Jugendliche befinden sich in der Warteschlange, die schon im vergangenen Jahr leer ausgegangen sind. Trotz schrumpfender Bewerberzahlen, gibt es also nach wie vor Viele, die Probleme haben, einen Ausbildungsplatz zu finden. Jugendliche ohne Schulabschluss, zum Beispiel, oder mit Drogenproblemen. Um die müssen wir uns stärker kümmern, sagt auch Heinrich Alt, der stellvertretende Präsident der Bundesagentur für Arbeit.

    "Wir müssen aufpassen, dass wir den Arbeitsmarkt nicht teilen und eine bestimmte Gruppe stigmatisieren, sondern diese Gruppe immer wieder aufrufen, sich zu bewerben, sich zu beteiligen, auch wir diese Gruppe vorschlagen."

    Viele Unternehmen haben das inzwischen erkannt, sagt Heinrich Alt. Und auch der DIHK-Chef Driftmann sieht einen Wandel in den Personalabteilungen. Jeder zweite Ausbildungsbetrieb biete Nachhilfe an, um schulische Defizite der Lehrlinge auszugleichen. Rund 60 Prozent der Betriebe übernehmen die Azubis auch nach der Ausbildung. Vor zwei Jahren waren es noch 46 Prozent.